Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten Hochenergetische Laserpulse auf der Oberfläche von Festkörpern

Erstautorin der aktuellen Publikation, Dr. Yasmina Azamoum von der Uni Jena, bereitet am Laser-Verstärker des Polaris-Lasersystems ein Experiment vor.

Bild: Jens Meyer/Uni Jena
13.05.2024

Ein internationales Forschungsteam von Friedrich-Schiller-Universität und Helmholtz-Institut Jena entschlüsselt den Mechanismus, mit dem hochenergetische Laserpulse auf der Oberfläche von Festkörpern ein Plasma erzeugen.

Die Wechselwirkung von hochintensiven, ultrakurzen Laserpulsen mit Festkörpern hat in den zurückliegenden Jahren bedeutende technologische Möglichkeiten eröffnet: So macht etwa die sogenannte Laserablation die hochpräzise Bearbeitung von Materialien und damit die Miniaturisierung von Bauelementen in medizinischen oder Telekommunikationsanwendungen möglich. Das Zusammenspiel von intensiven Laserpulsen und Festkörpern kann außerdem genutzt werden, um beschleunigte Ionenstrahlen zu erzeugen, die in der Krebsbehandlung, der Fusionsenergieforschung oder der schonenden Analyse von Kulturgütern zum Einsatz kommen könnten.

„Um diese und weitere Anwendungen für Industrie und Medizin nutzbar zu machen, müssen jedoch noch einige Herausforderungen bewältigt werden“, sagt Prof. Dr. Malte Kaluza von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Vor allem, so der Experte für Relativistische Laserphysik, müsse die Forschung die Frage beantworten, wie genau das Plasma auf der Materialoberfläche entsteht, das sowohl für die Materialbearbeitung als auch die Erzeugung von Ionenstrahlen erforderlich ist. In einer aktuellen Studie hat ein internationales Team um Prof. Kaluza nun einen bedeutenden Fortschritt bei der Aufklärung dieses laserinduzierten Festkörper-Plasma-Übergangs erzielt.

Vom kalten Festkörper zum hocherhitzten Plasma

Als Plasma bezeichnen die Forschenden einen hochenergetischen Aggregatzustand, bei dem Elektronen aus den Atomen, aus denen Festkörper bestehen, herausgerissen werden, wodurch das Material ionisiert wird. Trifft die Energie eines ultrakurzen Laserpulses auf eine feste Oberfläche, so wird diese binnen kürzester Zeit auf mehrere Millionen Grad und mehr erhitzt, die Elektronen lösen sich lawinenartig aus den Atomen und bilden eine immer dichtere „Wolke“.

„Das Ganze passiert innerhalb von weniger als einer Pikosekunde – dem Billionstel einer Sekunde“, sagt Kaluza. Und genau das sei der Grund, warum die bei der Plasmabildung ablaufenden komplexen Prozesse auch immer noch nicht vollständig verstanden sind. „Experimentell war diese Anfangsphase der Wechselwirkung von Laserpuls und Material kaum zugänglich, weshalb für diesen ultraschnellen Übergang vom Festkörper zum Plasma in den meisten numerischen Modellen, die eine solche Wechselwirkung beschreiben, bisher eher grobe Annahmen gemacht werden mussten.“

Das Team von Universität und Helmholtz-Institut Jena hat in seiner nun vorgelegten Arbeit gemeinsam mit Forschenden aus Lyon, Bordeaux und Paris eine optische „Single-Shot-Probing-Technik“ vorgestellt, die diese Dynamik vollständig visualisiert und mit der sich die Entwicklung vom kalten Festkörper zum heißen Plasma beobachten lässt. Ausgangspunkt ist eine hauchdünne transparente Folie aus Kohlenstoff, die mit dem Hochleistungslaser Polaris beschossen wird. Dieser sogenannte Pump-Puls erzeugt auf der Folie das Plasma. Dadurch wird die ursprünglich transparente Folie durch die entstehende, immer dichter werdende Wolke aus freien Elektronen undurchsichtig.

„Diesen Prozess können wir nun im Experiment beobachten“, erläutert Dr. Yasmina Azamoum, die Erstautorin der Publikation. „Dazu verwenden wir einen ultrakurzen Probe-Puls mit einem breiten optischen Spektrum.“ Dieser Probe-Puls wird so präpariert, dass seine verschiedenen Farben zum Teil nach vorne und zum Teil nach hinten geschoben werden (der Puls erhält einen sogenannten Chirp). Der Puls wird dadurch zeitlich in die Länge gezogen. „Beleuchten wir nun mit diesem zeitlich gestreckten Probe-Puls die Folie, mit der der Pump-Puls auf der Oberfläche wechselwirkt, können wir die zeitliche Entwicklung des Plasmas beobachten. Die verschiedenen Entwicklungsphasen des Plasmas sind dann in den unterschiedlichen Farben des transmittierten Probe-Pulses gespeichert, den wir hinter der Folie in ein Spektrometer leiten und so seine verschiedenen Farben voneinander trennen können.“

Zwei-Stufen-Modell erklärt Dynamik in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung

Für die Interpretation der so gemessenen Transmissionsprofile hat das Team mit den Kollegen aus Frankreich ein zweistufiges Wechselwirkungsmodell entwickelt, bei dem in der ersten Stufe die Ionisationsdynamik im festen Zustand und in der zweiten Stufe die Aufheizung und Ausdehnung im Plasmazustand berücksichtigt wird.

„Damit können wir erstmals sehr detailliert und mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung die ablaufenden Prozesse erfassen“, unterstreicht Kaluza die Bedeutung der Arbeit. Die Forschenden erwarten, dass davon sowohl die Methoden der ultraschnellen Laserbearbeitung von Materialien als auch die laserbeschleunigte Ionentechnologie profitieren können.

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