Steuerungstechnik Für professionelle Sternegucker

21.08.2014

Es ist eine sternenklare laue Sommernacht. Über uns strahlen die fernen Planeten um die Wette. Leider sind sie so fern, das man sie mit bloßem Auge nur als winzige leuchtende Punkte auf dem Firmament ausmachen kann. Doch das Alfred-Jensch-Teleskop und moderne Technik bringen uns die Sterne nahe.

Das Alfred-Jensch-Teleskop an der Thüringer Landessternwarte Tautenburg bei Jena ist eine herausragende ingeni­eur­technische Leistung. 1960 in Betrieb genommen, war es über mehr als 50 Jahre das größte optische Teleskop in Deutschland. Astronomen aus aller Welt haben das bei Carl Zeiss Jena gebaute Tautenburger 2-Meter-Spiegelteleskop für ihre Forschung genutzt, und bis heute werden damit vielbeachtete wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen, wie zur Planetenentstehung oder bei der Suche nach Exoplaneten.

Im Winter ist Pollux im Sternbild Zwillinge einer der hellsten Sterne am Himmel, für das Auge bloß ein winziger Punkt. Um etwas über Pollux, der 34 Lichtjahre entfernt ist, oder noch viel fernere Objekte herauszufinden, werden Spiegelteleskope wie das Alfred-Jensch-Teleskop eingesetzt. Man muss bei der Beobachtung solcher Fixsterne das Teleskop nachführen, um die Erdrotation auszugleichen. Dass dies keine leichte Aufgabe ist, lässt sich erahnen, wenn man sich die Größe und Masse eines solchen mechatronischen Kolosses vor Augen führt. Die Gesamtmasse wird auf 65 Tonnen geschätzt. Der Tubus mit Optik und Spiegel misst 10 Meter (Brennweite vier Meter) und wiegt 26 Tonnen. Der Spiegel allein wiegt schon 2,3 Tonnen. Solche Massen mit der für die Sternbeobachtung nötigen Präzision zu bewegen, setzt unermesslich viel Erfahrung voraus und stellt auch an die Steuerungstechnik ganz besondere Anforderungen.

Technische Erneuerungen

Die schnelle technische Entwicklung insbesondere in der elektronischen Steuerungs- und Antriebstechnik geht auch an einem solchen scheinbar betagten optischen Instrument nicht spurlos vorüber. Es bedarf aber Fingerspitzengefühls, um die jeweils aktuelle IT- und Mikroprozessortechnik mit den mechanischen und getriebetechnischen Errungenschaften der 50er Jahre zu vereinen. Die jüngste Umstellung auf eine industrielle Motion-Steuerung hat jetzt die Firma Rex & Schley aus Erfurt mit Steuerungstechnik von Eckelmann umgesetzt. Im Zuge dieser Ende 2013 abgeschlossenen Modernisierung wurde auch die Kommunikationsinfrastruktur über CAN-Bus vereinheitlicht und ein zeitgemäßes Bedienkonzept mit touchfähigen HMI-Modulen eingeführt. Die fehleranfälligere und wartungsintensivere PC-basierte Lösung wurde ersetzt.

Mit einer freien Öffnung von 1,34 Meter und einem Gesichtsfeld von 3,3 x 3,3° ist das Teleskop die größte direkt abbildende Schmidt-Kamera weltweit. Eine Schmidt-Kamera ist ein für die Astrofotografie konstruiertes Spiegelteleskop mit besonders großem Gesichtsfeld. Das Teleskop kann in drei verschiedenen optischen Modi mit unterschiedlichen Spektrographen betrieben werden, und wird mit relativ geringem Aufwand aus einem Modus in einen anderen umgebaut.

Teleskop geht mit der Technik

Das Teleskop ist eine Verbindung von Optik, Mechanik, elektrischer und hydraulischer Steuerungs- und Antriebstechnik. Natürlich haben die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in der Elektronik und IT vor dem Teleskop auch nicht haltgemacht. Das Teleskop hat alle wesentlichen Entwicklungen in der Informations- und Steuerungstechnik miterlebt; von Analogrechnern über Digitalsteuerungen bis zum PC. Unangetastet blieb dabei immer die mechanische Konstruktion, denn die Präzisionsteile wie das Schneckenzahnradgetriebe, auf dem die Gabel mit dem aufgehängten 10 Meter langen Teleskop-Tubus gedreht wird, sind unersetzlich. Alfred Jensch hat in den 50er Jahren vorbildliche mechanische Lösungen für das Teleskop gefunden.

Dies gilt auch für die ausgeklügelten Schutzvorrichtungen für die Getriebe, deren Eigenheiten eine elektronische Antriebsregelung berücksichtigen muss. Dies betrifft zum Beispiel das Aus­trudeln von Motoren oder die Ölversorgung der empfindlichen Getriebe bei einem Stromausfall. Jedes Abreißen des Ölfilms könnte den Präzisionsgetrieben schaden, die sich niemals identisch mit allen Eigenheiten wiederherstellen ­ließen.

Modernisierung

Die Erfurter Firma Rex & Schley hat Ende 2013 die Modernisierung der Steuerungs- und Antriebsregelung für das Teleskop abgeschlossen. Hierfür wurde eine Motion-Steuerung E°EMC 66 von Eckelmann eingesetzt. Die Präzision der Bewegungssteuerung konnte dadurch verbessert werden. Ein überlagerter Linuxrechner berechnet die äußerst komplexen geräte- und erfahrungsbedingten Kompensationen beziehungsweise Korrekturen (Schneckenfehler, Temperatur, Verbiegung des Teleskoptubus bei Neigung, Wellenlängenbereich, meteorologische Daten, Seeing, Bereiche der Linse) und stellt die Transforma­tions­matrizen (Koordinaten des Beobachtungsobjekts) bereit.

Entscheidend für die präzise Ansteuerung der Motoren ist, dass der Leitrechner mit möglichst hoher Frequenz Rückmeldungen von der Steuerung und den Messinstrumenten über die aktuelle Position und Motorbewegungen erhält. Die Steuerung stellt den Wissenschaftlern dazu in Echtzeit alle relevanten ­Informationen bereit, via UDP-Datenaustausch. Die Steuerung fungiert gleichzeitig als Datenserver und Koordinator für die Kommunikation via CAN-Bus, UPD und seriellen Datenaustausch zwischen den im Gebäude verteilten fünf Bedieneinheiten plus dem Bedienrechner mit dem Teleskopsteuerungsprogramm für Korrekturen sowie dem Kamera-PC.
Das Steuerungsprogramm überwacht ständig die Messwerte der acht Antriebsregler und die aktuelle Position des Teleskops und passt in den Randbereichen rechtzeitig die Bewegungsgeschwindigkeit an.

Flexibel & wartungsfreundlich

Die bisherigen PC-basierten Bedienpulte wurden durch fünf hardware-identische touchfähige HMI-Module ersetzt. Die HMI-Anwendung wird direkt auf der Steuerung ausgeführt. Über das Bedienpult können die Wissenschaftler und Techniker beispielsweise die Ausrichtung nachkorrigieren, gegebenenfalls in der Größenordnungen von 1/100.000 Grad. Auch die aktuelle Sternzeit wird angezeigt. Die Bedieneinheiten sind über das gesamte Gebäude verteilt und via CAN-Bus robust vernetzt (Buslänge von etwa 100 Metern). Durch die HMI-Module konnte die Hardwarevielfalt deutlich reduziert werden, je nach Zweck des Bedienungspults wurden bislang PCs mit unterschiedlicher Hard- und Software verwendet, die über RS485 kommunizierten. Dies hatte nicht nur den Nachteil, dass immer alle Busteilnehmer verfügbar sein mussten, es mussten auch mehr ­Ersatz-PCs bereitgehalten werden, der Wartungsaufwand war ungleich höher.

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