Interview mit Raphael Görner, Leiter Energy & Power Solutions bei Rittal „Energiewende als Infrastrukturwende begreifen“

Raphael Görner, Leiter des Geschäftsbereichs Energy & Power Solutions bei Rittal: „Stromversorgung und Energiemanagement müssen zukünftig bis an die Grenze des physikalisch Möglichen optimiert werden."

Bild: Rittal
26.03.2024

Rittal will mit Digitalisierung und Standardisierung die Prozesse seiner Kunden optimieren, um sie zukunftsfähig zu machen. Raphael Görner, Leiter des Geschäftsbereichs Energy & Power Solutions bei Rittal, gibt Einblicke in Lösungsansätze des Unternehmens und Ausblicke zu neuen Entwicklungen

Herr Görner, die Energiewende kommt voran – allerdings nicht so schnell, wie man es sich wünschen würde. Wo setzt Rittal an, um mehr Tempo zu machen?

Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Übertragungsnetze kommt es genauso auf den Umbau des Energiesystems auf Verteilnetzebene an. Die All Electric Society ist nur erreichbar, wenn die Energiewende auch als Infrastrukturwende begriffen wird. Rittal fokussiert seit 2020 mit einer eigenen Business Unit Energy & Power das Thema Stromverteilung auf die Niederspannungsebene, weil hier der Ausbaubedarf und die Anforderungen enorm gestiegen sind.

In diesem Zuge haben Sie auf der SPS in Nürnberg eine Trafostation als vorgedachtes Industrieprojekt vorgestellt. Welcher Ansatz steckt dahinter?

Sie ist ein Beispiel dafür, wie die Industrialisierung gesamter Prozessketten mit durchgängigen Daten und abgestimmter Soft- und Hardware dafür sorgt, dass Infrastrukturen schneller entstehen können. In der Eplan Cloud ist ein sogenanntes Industry Standard Project frei verfügbar angelegt, mit dem zum Beispiel Trafostationen oder dezentrale Energiesysteme entwickelt werden können. Von der Planung über die normenkonforme Konstruktion und Herstellung bis zum Betrieb der Anlage ist alles mitgedacht, was für die Energiebranche wichtig ist.

Auf dem Weg in die All Electric Society wird auch der Einsatz von Gleichstrom für die Industrie immer interessanter. Welche Erwartungen haben Sie bei diesem Thema?

Gleichstrom liefert erhebliche Vorteile für die Industrie und für unsere Kunden als Anwender, beispielsweise durch bessere Integration von erneuerbaren Energien in stabilen und doch sehr flexiblen Netzen mit weniger Ressourcenverbrauch und Einspeiseleistung. In unserer Business Unit Energy & Power Solutions treiben wir in Kooperation mit Herstellern, Planern und Anwendern neue Standards für Gleichstrom-Anwendungen voran und sind Gründungsmitglied der Open Direct Current Alliance (ODCA).

Und die Industrie? Ändert sich hier das Bewusstsein innerhalb der Branche bereits?

Die Industrie befasst sich immer intensiver mit den technischen Möglichkeiten. Dass Stromversorgung und Energiemanagement zukünftig bis an die Grenze des physikalisch Möglichen optimiert werden müssen, liegt auf der Hand. Aus meiner eigenen Erfahrung im Bereich der Hochspannungsnetze schließe ich, dass dieser Prozess im Hinblick auf Gleichstrom trotzdem mehrere Jahre dauern wird. Heute ist bei den Übertragungsnetzen die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung nicht mehr wegzudenken – als Ergänzung zum Wechselstromnetz. Ähnlich ist es in der Industrie zu erwarten.

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