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Automobilelektronik Triebfeder der mobilen Zukunft

publish-industry Verlag GmbH

Bild: Valeriy Kachaev, iStock
06.06.2016

Welche Technik entscheidet über die Zukunft der individuellen Mobilität? Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass nicht Optimierungen am Antrieb künftige Meilensteine im Automobilbau markieren werden. Vielmehr wird die Elektronik an Bord der Fahrzeuge die Richtung weisen – völlig unabhängig davon, ob wir uns elektrisch oder angetrieben von Verbrennungsmotoren fortbewegen.

Elektronik ist ein mehr als wichtiger Faktor im Automobilbau, soviel steht fest. Im Bereich der E-Mobilität liegt die Bedeutung elektronischer Komponenten auf der Hand. Aber auch bei von Verbrennungsmotoren angetriebenen Fahrzeugen steigt ihr Anteil an der Gesamtwertschöpfung steil in Richtung fünfzig Prozent. Was vielleicht noch schwerer wiegt: Jüngere Generationen sehen die Alleinstellungsmerkmale einzelner Modelle oder Marken immer mehr in Bereichen, bei denen es sich eben nicht um den Antriebsstrang oder das Fahrwerk handelt. Hier ist eher spielentscheidend, was das On-Board-Entertainment-System zu bieten hat und wie gut sich die Bordelektronik mit Cloud-Diensten und damit mit dem Fahrer vernetzt.

Sprechen wir von Automobilelektronik, so sind in den allermeisten Fällen datenverarbeitende Systeme gemeint, die auch im Auto immer stärker vernetzt sind. Diese, so sind sich Experten einig, werden all unsere Lebensbereiche immer weiter durchdringen. Allen voran, so scheint es, die Mobilität.

Michael Ziesemer, Präsident des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) hat zu den Auswirkungen der und Bedingungen für Digitalisierung und Vernetzung im Allgemeinen und spezieller im Automobilbereich fünf Thesen ausgearbeitet.

1. Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche

Digitalisierung und Vernetzung sind die gemeinsamen Merkmale der Leitmärkte: Industrie, Energie, Mobilität, Future Living und Gesundheit. Kern von Industrie 4.0, Smart Grid, eHealth, Smart Home/Smart Building und von Smarter Mobilität ist die Vernetzung über das Internet der Dinge, der Dienste und der Menschen. Digitalisierung ist eine gewaltige Chance für Deutschland und Europa und die hier ansässigen Unternehmen. Aber wie jeder Umbruch birgt sie auch Risiken. Sie ist unvermeidbar und irreversibel. Ein Erfolg kann sie nur mit einem Konsens und nur mit breiter gesellschaftlicher Zustimmung werden. Die Elektroindustrie gestaltet diesen digitalen Wandel.

2. Digitalisierung setzt Vertrauen voraus

Vorrangige Aufgabe ist es, Vertrauen in die digitale Welt zu schaffen. Die Unternehmen der Elektroindustrie treten für Datenschutz und Datensicherheit sowie für besonnenen und transparenten Umgang mit personen- und maschinenbezogenen Daten ein.
Für den ZVEI hat die Entwicklung von „Leitlinien der Elektroindustrie für die Datennutzung im Internet der Dinge und Dienste“ einen hohen Stellenwert. Basis hierfür sind die gesetzlichen Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit. Digitale Selbstbestimmung orientiert sich an den Werten Transparenz, Einflussmöglichkeit der Betroffenen, Sicherheit und Einfachheit. Eine besondere Chance liegt darin, die Ausgestaltung dieser Werte nicht vorzugeben, sondern mit allen Stakeholdern gemeinsam zu gestalten. Bürgerinnen und Bürger sowie Wertschöpfungspartner erhalten so die Gelegenheit, die Daten- und Produktmodelle mitzuprägen. Eine weitere Voraussetzung für Akzeptanz ist die Cybersicherheit, eine der großen Herausforderungen für Industrie und Gesellschaft. Die Basis für Digitalisierung und Vernetzung sind Mikroelektronik und Software. Sie sind Dreh- und Angelpunkte für Cybersicherheit. Europäer sind führend bei der hier erforderlichen Kryptologie – sowohl bei Hardware als auch bei Software.

3. Das Auto wird ein fahrendes Messgerät

Für 2016 rechnet man damit, dass
80 Prozent der Neuwagen mit Datenknoten außerhalb des Fahrzeugs vernetzt sind. Experten erwarten, dass in den nächsten Jahren die übermittelten Daten pro Fahrzeug im Monat von circa 4 Megabyte auf 5 Gigabyte anwachsen. Bisher ist ungeklärt, wem die Daten gehören, wer sie wofür auswerten darf: der Staat, der Automobilbauer, der Zulieferer, der Fahrer? Die deutsche Elektroindustrie bekennt sich ausdrücklich zur Digitalen Selbstbestimmung.

4. Elektronik bestimmt die Eigenschaften eines Autos

Innovationen im Automobilbau kommen nicht mehr aus der Fahrzeugtechnik, sondern zu 80 Prozent von Mikroelektronik und Software. In jedem Neuwagen im mittleren Preissegment steckt Software mit über zehn Millionen Zeilen Programmcode. Der Elektrotechnik- und Elektronikanteil eines Autos liegt bei 30 Prozent des Produktionswerts. Die Elektroindustrie wurde vom Komponenten- zum Systemlieferanten und Partner. Mit 400 US-Dollar im weltweiten Durchschnitt hat sich seit der Jahrtausendwende allein der Mikroelektronikanteil im Auto verdoppelt. Mit fast elf Milliarden US-Dollar wurde 2014 in Europa mehr Mikroelektronik in Kraftfahrzeugen verbaut als in allen anderen Regionen der Welt – weit mehr als die Hälfte davon in Deutschland. Die Fahrzeugelektronik hat maßgeblich dazu beigetragen, dass seit Mitte der 70er-Jahre die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland, von über 20.000 auf unter 4.000 pro Jahr, zurückgegangen ist – trotz Verdreifachung der Anzahl der Fahrzeuge.

5. Elektromobilität ist hinter Plan

Eine Million Elektrofahrzeuge plangemäß bis 2020 auf die Straßen zu bringen wird schwerlich erreichbar sein. Heute sind erst rund 30.000 E-Fahrzeuge in Deutschland zugelassen. Aber die öffentliche Hand könnte eine Vorreiterrolle übernehmen und den öffentlichen Fuhrpark umstellen. 12.000 Dienstfahrzeuge hat alleine der Freistaat Bayern, von denen ein Großteil weit weniger als 100 Kilometer am Tag zurücklegt – diese könnten elektrifiziert werden. Nötig sind eine intelligente Ladeinfrastruktur und kundenfreundliche Abrechnungssysteme. Der ZVEI geht von 10.000 erforderlichen Normal- und 1.000 Schnellladestationen aus.

Bildergalerie

  • „Innovationen im Automobilbau kommen nicht mehr aus der Fahrzeugtechnik, sondern zu 80 Prozent von Mikroelektronik und Software. In jedem Neuwagen im mittleren Preissegment steckt Software mit mehr als zehn Millionen Zeilen Programmcode.“
Michael Ziesemer, Präsident des ZVEI

    „Innovationen im Automobilbau kommen nicht mehr aus der Fahrzeugtechnik, sondern zu 80 Prozent von Mikroelektronik und Software. In jedem Neuwagen im mittleren Preissegment steckt Software mit mehr als zehn Millionen Zeilen Programmcode.“

    Michael Ziesemer, Präsident des ZVEI

    Bild: ZVEI

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