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20 Jahre perfekte Wäschepflege Digitalisierung und Automatisierung der Produktvalidierung

Im Bereich der Wäschepflege hat Miele den gesamten Prüfprozess, vom Prüfauftrag bis zum Prüfbericht, mit einem Testprozess- und Testdatenmanagementsystem digitalisiert.

Bild: iStock, kameshkova
02.03.2023

Möchte man ein langlebiges und qualitativ hochwertiges Produkt in den Händen halten, darf im Vorfeld eines nicht fehlen: Ein ausgiebiger Testprozess. Gerade Haushaltsgeräte, die im Alltag essentiell sind und regelmäßig benutzt werden, dürfen nicht unter normalen Haushaltsbedingungen nach kurzer Zeit bereits defekt werden. Ein sorgfältiger und solider Testprozess ist zwar aufwendig, kann aber mithilfe von Digitalisierungsmaßnahmen vereinfacht und verbessert werden.

Als Hersteller von hochwertigen Haus- und Gewerbegeräten möchte sich Miele im besonderen Maße der Qualität seiner Produkte verpflichten. Im Bereich der Wäschepflege hat das Unternehmen deshalb den gesamten Prüfprozess, vom Prüfauftrag bis zum Prüfbericht, mit einem Testprozess- und Testdatenmanagementsystem digitalisiert. Auch die Prüftechnik ist digital und medienbruchfrei eingebunden. Mit diesem konsequent verfolgten Weg hin zu einer homogenen Systemlösung soll so auch in Zukunft gute Qualität geboten und gleichzeitig die stetig steigenden Anforderungen im Testprozess erfüllt werden.

Die mit dem IT-Partner Werum und dem Elektroniksystemanbieter Sontheim entwickelte und umgesetzte Lösung strahlt bereits heute über den Bereich der Wäschepflege hinaus und besitzt eine hohe Anziehungskraft für andere Bereiche der Produktentwicklung. Der Gerätehersteller möchte auf Langlebigkeit setzen. Die Gesellschaft für Konsumforschung GfK hat dies mit Umfrageergebnissen bestätigt. Die Ersthaltedauer von Waschmaschinen des Unternehmens liegt deutlich über dem Durchschnitt anderer Hersteller. Dafür bedarf es im ersten Schritt einer sorgfältigen und soliden Testphase. Das bedeutet: 24/7-Test-Marathon für die fortlaufende Qualitätssicherung für neue als auch bereits eingeführte Baureihen. Entsprechend dem Miele-Leitmotiv „Immer Besser“ wird auf bis zu 20 Jahre Lebensdauer getestet. Bei Waschmaschinen sind bis zu 10.000 Stunden das Ziel, die ohne Fehler erreicht werden müssen.

Herausforderungen

Um die hohe Qualität und Langlebigkeit der Produkte zu erreichen, muss der Testprozess in der Produktvalidierung eine Vielzahl von Herausforderungen meistern. Aus der wachsenden Komplexität heutiger Wäschepflegeprodukte ergibt sich eine stetig steigende Anzahl von Anforderungen an das Produkt, die im Validierungstest überprüft werden. Das erhöht unweigerlich die Anzahl an Testaufträgen für die Versuchsabteilung, die mit den vorhandenen Ressourcen bearbeitet werden müssen. Um an dieser Stelle die Leistungsfähigkeit zu verbessern, müssen starre Abläufe zugunsten agiler Ansätze weichen.

Aus Qualitäts- und Effizienzgesichtspunkten ist es sinnvoll, den gesamten Testprozess digital und medienbruchfrei umzusetzen, von der Erfassung der Anforderungen in den entsprechenden PLM-Werkzeugen der Entwicklungsabteilung bis zum finalen Testbericht. Nur so können isolierte Datensilos aufgebrochen werden, um eine ganzheitliche und transparente Sicht auf die Daten zu ermöglichen – zwei wesentliche Bausteine für den Erfolg. In der Entwicklungsabteilung oder im Kalibrierlabor werden oft eigenständige Tools eingesetzt, deren Integration in den Testprozess essentiell ist. Miele stellt darüber hinaus außerordentliche Qualitätsansprüche an seine Produkte. Dadurch erhöhen sich auch die Anforderungen an die Prüftechnik. Sie muss für Dauerlauftests auch im 24/7-Betrieb und über Jahre hinweg zuverlässig arbeiten und einfach zu warten sein.

Ganzheitliche Lösung

Das Unternehmen hat die Digitalisierung im Prüffeld frühzeitig vorangetrieben und dabei den Testprozess ganzheitlich für Produkte, Prozesse und Arbeitsweisen entwickelt. Ohne diesen Ansatz und die geeignete IT-Unterstützung sind die umfangreichen Testaufwände durch das Prüfpersonal kaum zu leisten. Für den Bereich Wäschepflege nutzt Miele bereits seit Jahren eine spezialisierte Testdatenmanagementlösung von Werum Software & Systems. Basierend auf der langjährigen Erfahrung im Bereich Testprozessmanagement hat Werum dieses System konsequent weiterentwickelt und standardisiert und stellt seit 2020 mit HyperTest Boost eine umfassende Softwarelösung für Validierungsprozesse zur Verfügung, die den gesamten Testprozess ganzheitlich betrachtet und unterstützt.

Da der Gerätehersteller stets bestrebt ist, Standardlösungen einzusetzen, um bei der Weiterentwicklung der vorhandenen Systeme Migrationsrisiken zu minimieren, hat man sich für die Abbildung des Testprozesses mit HyperTest Boost entschieden. Die IT-Lösung firmiert bei Miele unter der Bezeichnung MCP (Modular Connectivity Platform) und fungiert als zentrale Drehscheibe für den Validierungsprozess, an die auch die Prüftechnik angebunden ist. HyperTest Boost enthält für viele Abläufe bereits standardisierte Workflows, unterstützt automatisierte Auswertungen und lässt sich flexibel erweitern. Über die offenen REST-Schnittstellen können ERP, PLM, Requirementsmanagement-Systeme und Prüfwerkzeuge angebunden werden.

Bei der Prüftechnik kommt eine standardisierte und modulare Lösung von Sontheim Industrie Elektronik zum Einsatz, bei der bereits etablierte Standards für Testsequenzen aus dem Automotive- Bereich für die Prüfabläufe adaptiert wurden. Das Modulare Diagnosesystem von Sontheim – kurz MDT 2.0 – ermöglicht die Anbindung dieser Testbeschreibungen an gerätespezifische Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle. Gleichzeitig gewährleistet es die nahtlose Anbindung an das Testumfeld und eine ganzheitliche Konnektivität durch die durchgehende Bereitstellung der Daten – sichergestellt über den integrierten OPC UA Server. Das MDT wandelt die mit HyperTest Boost geplanten Testschritte in standardisierte Prüfabläufe um. Diese werden anschließend auf einem robusten Prüfstandrechner (HMI) mit Touch-Bedienung ausgeführt, den Sontheim für die äußerst hohen Anforderungen im 24/7-Dauerlauftest entwickelt hat. Auch spezielle Hardwareanforderungen, wie die hohe Anzahl an Schnittstellen sowie Ein- und Ausgängen, wurden in das Prüfsystem integriert und Miele bereitgestellt.

Datenverfügbarkeit

Alle relevanten Testdaten, dazu gehören neben den Prüfaufträgen und Messergebnissen auch Informationen zu Ressourcen, Prüfstandsaufbau, Parametrisierungen und Kalibrierinformationen, werden lückenlos erfasst. Das System erlaubt eine vollständige Rückverfolgbarkeit von Änderungen sowie eine feingranulare Steuerung der Zugriffe auf die Daten. Diese Eigenschaft unterstützt Zertifizierungsprozesse wie zum Beispiel ISO 17025. Darüber hinaus sind auch versuchsübergreifende Auswertungen möglich, die zu einer schnellen Vergleichbarkeit verschiedener Baureihen führen. Die Verfügbarkeit und smarte Verknüpfung der Daten über den gesamten Testprozess hinweg ermöglicht einen ganzheitlichen Blick auf alle Daten – ein idealer Ausgangspunkt für weiterführende Datenanalysen und eine gute Basis für Data Analytics Tools.

Effizienz und Nachvollziehbarkeit

In der MCP liegen alle Informationen der geplanten und bereits durchgeführten Versuche vor und können auf Knopfdruck gefunden werden. So lassen sich erneute Versuche vermeiden, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt wurden. Qualitätsgeprüfte und freigegebene Testvorlagen müssen nur ausgewählt werden, denn sie enthalten bereits die geforderten Testschritte, Aufbauanweisungen und zugeordneten Ressourcen für einen kontinuierlichen Testablauf im 24/7-Betrieb.

Alle diese Maßnahmen steigern die Effizienz im Test. Die Bereitstellung der einzelnen Abläufe auf den Prüfständen wird mit den Standards OTX und ODX realisiert. OTX (Open Test Sequence Exchange) standardisiert dabei die Beschreibung von Diagnose- und Prüfabläufen, während ODX (Open Diagnostic Data Exchange) die Wiederverwendbarkeit der Diagnoseservices garantiert. Diese ISO-Standards aus der Automotive-Diagnose lassen sich optimal für standardisierte und State-of-the-Art-Prüfabläufe übernehmen und anwenden. Die smarte Verknüpfung von Informationen erleichtert das Auffinden von Daten, die Nachvollziehbarkeit des gesamten Testprozesses und die lückenlose Dokumentation zu jeder Zeit. Für die passende Visualisierung und den schnellen Überblick sorgen flexibel anpassbare Dashboards.

Flexibel erweiterbar

Durch neue Produktentwicklungen ergeben sich stetig neue Anforderungen in den Versuchslaboren. Deshalb müssen die eingesetzten Werkzeuge flexibel anpassbar sein. HyperTest Boost erreicht das, in dem es den No-Code/Low-Code-Ansatz verfolgt: Datenvisualisierungen lassen sich mit konfigurierbaren Dashboards umsetzen und kundenspezifische Erweiterungen des Datenmodells sind durch einfache Konfiguration möglich. Zusätzlich lassen sich Skripte einbinden, die beispielsweise die Auswertung in einem Analysewerkzeug durchführen. Aufgrund seiner offenen Architektur und seiner REST-Schnittstellen kann HyperTest Boost weitere Werkzeuge wie Requirementsengineering, ERP oder PLM leicht anbinden, ohne die ganzheitliche Sicht auf den Testprozess zu verlieren.

Doch nicht nur der Testprozess muss automatisiert und wartungsarm sein. Auch die Prüftechnik muss diese Anforderungen erfüllen. Dies wird durch den modularen Aufbau der Softwareumgebung des Diagnosetools MDT 2.0 gewährleistet. Die Anbindung der geräte- und systemspezifischen Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle erfolgt über eine Abstraktionsschnittstelle. Hierbei kommt die standardisierte Programmierschnittstelle SAE J2534 API zum Einsatz, die ihren Ursprung in der Fahrzeugtechnik hat. Darüberliegend wird ODX zur Beschreibung der Anfragen und Antworten des jeweiligen Kommunikationsprotokolls eingesetzt. Die hierbei beschriebenen Datenquellen und -senken können dann in den OTX-basierten Prüfabläufen angesprochen werden. Durch die Modularität lassen sich einfach neue Kommunikationsprotokolle hinzufügen. Mit dieser Lösung wurde ein bewährter Standard aus einer anderen Branche sinnvoll in die Prüftechnik bei Miele integriert und damit der Gedanke, vorhandene Standards zu verwenden, vollständig unterstützt. Auch die Anbindung an die Prüfelektronik ist modular gestaltet, um flexibel auf sich ändernde Anforderungen reagieren zu können. Wird beispielsweise eine höhere Performance gefordert, so lassen sich die Softwareschichten austauschen. Die Prüftechnik basiert dabei auf einem Linux-Betriebssystem, das durch seine offene Architektur auf beliebiger Hardware eingesetzt werden kann.

24/7-Dauerlauffähigkeit

Die Prüftechnik muss robust und zuverlässig im 24/7-Betrieb laufen. Erreicht wird dies zum einen softwareseitig durch ein perfektioniertes Ressourcenmanagement (Speicherverbrauch, CPU-Auslastung, Sicherstellung der Speichernutzung für einen langen Zeitraum) und zum anderen hardwareseitig durch eine für den Dauerbetrieb optimierte Hardwarearchitektur. Die Qualität und Zuverlässigkeit der Prüftechnik reduziert Wartungsaufwände, ermöglicht reibungslose Dauerlaufversuche und steigert damit die Effizienz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Für die Zukunft gerüstet

Die Umsetzung dieses ganzheitlichen Ansatzes hat gezeigt, dass man damit den beschriebenen Herausforderungen erfolgreich begegnen konnte. Zukünftig werden weitere Aspekte des Testens in dieses Konzept integriert. Von der langjährigen Zusammenarbeit profitieren sowohl Miele als auch Werum und Sontheim als Projektpartner. Alle Beteiligte können Ihre Lösungen kontinuierlich weiterentwickeln und werden gemäß dem Leitspruch „Immer Besser“!

Bildergalerie

  • Miele führt einen 24/7-Test-Marathon für die fortlaufende Qualitätssicherung für neue als auch bereits eingeführte Baureihen durch.

    Miele führt einen 24/7-Test-Marathon für die fortlaufende Qualitätssicherung für neue als auch bereits eingeführte Baureihen durch.

    Bild: Miele

  • Status-Monitoring Prüffeld

    Status-Monitoring Prüffeld

    Bild: Werum

  • Monitoring am Einzelprüfstand

    Monitoring am Einzelprüfstand

    Bild: Sontheim

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