PCAP Touch Displays Berühren auf dreierlei Art

Ein Auslösen der Gerätefunktion kann bei einem Force-Touch-Display erst dann erfolgen, wenn beide Signale registriert werden – eine sinnvolle Ergänzung für die Intensivmedizin.

Bild: Data Modul
25.10.2017

Haptisches Feedback, Steuerung per Gesten oder 3D-Touch sind drei Erweiterungsmöglichkeiten der PCAP-Touch-Technologie. Jede Variante hat Vor- und Nachteile. Das größte Entwicklungspotenzial hat jedoch der 3D-Touch.

Der Siegeszug der PCAP-Touch-Technologie (Projected Capacitive) begann in den Nullerjahren im Consumermarkt. Mittlerweile sind Displays mit PCAP-Touch auch in professionellen Produkten angekommen und Bedienkonzepte mit Touchfunktionen in Industrieapplikationen mit Ein-Finger- oder Multi-Touch und Sliden weitestgehend erlernt und Funktionsprinzipien und Designmöglichkeiten erkannt.

Kontinuierlich wird in Entwicklungsabteilungen geforscht, um noch bedarfsgerechtere, applikationsspezifischere und eventuell revolutionäre Touch-Methoden und -Technologien zu entwickeln. Welche aktuellen Erweiterungen und Weiterentwicklungen sind jedoch vielversprechend und ausbaufähig? Für welche Applikationen, in welchen Branchen wären bestimmte spezifische Technologien jeweils sinnvoll, möglich oder sogar notwendig? Und, wie könnten Touch Panels der Zukunft aussehen?

Eine Technologie trifft den Zeitgeist

Die PCAP-Touch-Technologie ist im Alltag, auch in Industrieprodukten aller Branchen ein vertrauter Bestandteil. Technische Features wie Wasser- und Handschuhbedienung, erweiterter Temperaturbereich, EMV-Konformität und unterschiedliche Aufbaumöglichkeiten für verschiedene Anforderungen (Sito und OGS Touches, Film/Film und Glas Touches) gehören heute zum Lieferumfang eines PCAP-Touch-Bediengeräts. Das technologisch hochspezialisierte Optical Bonding wird von verschiedenen Anbietern in unterschiedlicher Qualität angeboten. Drei Varianten bedarfsorientierter und mehrwertiger Bedienkonzepte, die auf der bestehenden, projizierend kapazitiven Technologie aufbauen beziehungsweise diese erweitern, stehen aktuell im Fokus.

PCAP mit haptischen Feedback-Touchpanels mit haptischer Rückmeldung bestätigen via direkter Kraftrückübertragung an den User dessen Interaktion auf dem Touchsensor. Blickkontakt ist dafür nicht zwingend notwendig. Der User erkennt allein durch das spürbare Feedback die Position seines Fingers auf dem Sensor und bekommt somit seine Interaktion bestätigt. Eine solche Erweiterung ist in Applikationen sinnvoll, in denen der Anwender den Fokus auf einem Objekt, einem Patienten oder einer Aktion neben dem Bildschirm haben muss. Einsatzgebiete dafür gibt es unter anderem in der Medizin, im Automotive-Bereich und der Unterhaltungsindustrie. In vielen Applikationen ist eine Touchbedienung ohne Blickkontakt allerdings nicht notwendig. Der Nutzen eines haptischen Feedbacks ist deshalb zunächst überschaubar. Gerätenutzern genügt in der Regel das bloße Berühren der Oberfläche als taktiles Feedback zur Interaktionsbestätigung.

Die Integration dieser Zusatzfunktion in eine bestehende Applikation ist aufwändig und kostenintensiv. Das mechanische Konzept muss dazu komplett angepasst werden, da die taktilen Feedbackgeber und mechanische Aktuatoren wie Vibrationsmotoren, Piezoelemente oder lineare Antriebe integriert werden müssen. Um das Feedback überhaupt zu ermöglichen, muss die Oberfläche schwimmend in das Gehäuse integriert sein, da sonst keine Vibrationen an den User übermittelt werden können. Die bewegte Masse - meist Touch & Coverglas - ist ein zu beachtender Faktor, denn gerade in Industrieanwendungen werden Covergläser von mehr als 2 mm Dicke genutzt, die bewegt werden müssen. Anforderungen an unter anderem Systemstabilität, Lebensdauer, Leistungsaufnahme, Krafteinwirkung auf Verbindungselemente können nicht optimal erfüllt werden.

Hover Gesture bezeichnet die berührungsfreie Interaktion durch Gesten in definiertem Raum und über vorgegebene Achsen (X,Y und Z). Die Ermittlung getätigter Gesten erfolgt dabei entweder über ein elektromagnetisches Feld und eine Touchoberfläche oder vollständig kamerabasiert. Das GUI des Displays wird dabei nicht durch Finger verdeckt und die Sicht auf den Bildschirm bleibt frei. Eine Verschmutzung der Oberfläche findet kaum statt und die Interaktion mit dem Touchsensor kann ohne Blickkontakt erfolgen.

Das Nutzerverhalten ist geprägt von vertrauten Bedienkonzepten. An einem Bildschirm greift ein User meist auf erlernte Bedienmuster zurück. Die für den Produkterfolg maßgebliche User Experience ist durch die zu erlernenden Gesten ungewohnt. Um HMI-Systeme auf Gestensteuerung umzustellen, sind zudem umfangreiche Anpassungen im GUI-Design notwendig und die Usability muss neu überdacht werden. Die Anforderungen an das Sicherheitsmanagement in der Industrie, zum Beispiel Implementierung redundanter Systeme, erfüllt diese Technologie bislang noch nicht. Eine Fehlauslösung durch Fehlerkennung ist möglich. Kamerabasiertes Erkennen von Gesten wurde erfolgreich in Gaming- und Automotive-Applikationen integriert, der Versuch Hover Gesten im Mobilfunkmarkt einzuführen war dagegen wenig erfolgreich.

Das größte Entwicklungspotenzial in der Industrie hat PCAP mit Force beziehungsweise 3D-Touch. Das angestrebte Ziel hierbei ist das Erkennen einer Veränderung der Z-Achse und damit der Druckstärke durch Messen der Touchpunktfläche. Darüber hinaus kann eine Krafteinwirkung über zusätzliche Drucksensoren gemessen werden. Speziell bei mobilen Geräten mit dünnen Covergläsern wird so die Oberflächenbiegung des Glases gemessen. Bei Force Touch erfolgt die Interaktion abhängig von der Druckstärke auf der Touchoberfläche, dadurch bieten sich auf dem Interface zusätzliche Bedienmöglichkeiten. Der klassische Rechtsklick auf der Maus kann dann unter Umständen über Erhöhung des Eingabedrucks erfolgen. Wichtiges Detail für die Industrieproduktion ist dabei unter anderem die Redundanz der Signalauswertung. Diese findet bei Applikationen mit Force Touch über den Touchcontroller und die Auswerteelektronik von zum Beispiel Kraftsensoren statt. Eine Auslösung der Gerätefunktion kann - wenn gewünscht - erst erfolgen, wenn beide Signale registriert werden. Was in medizinischen Applikationen eine essentielle Anforderung ist. Diese zweikanalige, redundante Toucherkennung kann eine sinnvolle Ergänzung etwa in der Intensivmedizin sein. Zumal die PCAP-Bedieneinheit nicht anfällig gegenüber leitenden Flüssigkeiten bleibt, da trotz Elektrodenkurzschlüssen der Touch nicht ohne zusätzlichen Druck auslöst.

Bei der Entwicklung mehrwertiger, industrieller PCAP-Erweiterungen bietet Force Touch Vorteile. Der Münchner Visual Solution Anbieter Data Modul konzentriert sich deshalb intensiv auf die Auswertung mittels der Kraftsensoren, die im Randbereich des Touchsensors integriert sind. Covergläser in der Industrie sind in der Regel zu dick (> als 2 mm) zur Messung einer Oberflächenverbiegung am Touchglas und als hochauflösende Touchsensoren für große Diagonalen (> 15,6 Zoll) schwer zu realisieren.

Integration erfordert Expertise

Ein bestehendes Paket aus TFT, Touch, Coverglas mit Optical Bonding kann nahezu unverändert als Ausgangslage verwendet werden. Die Erweiterung durch Force Touch erfolgt additiv. Der Industriekunde muss auf bestehende Vorteile der Touch Technologie, wie vollflächiges Schutzglas, nicht verzichten. Allerdings stellt die Erweiterung bestehender Kundenapplikationen eine Herausforderung dar. Die Toucheinheit liefert Touchkoordinaten plus Kraftwerte pro Koordinate zur Auswertung. Sie müssen von der Software interpretiert werden können. Das bedeutet die Berücksichtigung einer entsprechenden Anpassung der Kundensoftware und der graphischen Oberfläche bei der Produktentwicklung beziehungsweise -umrüstung. Force-Touch-Systeme benötigen proprietäre Treiberlösungen. Bislang gibt es keine standardisierten Interfaces; Insellösungen sind hier eine valide Möglichkeit.

Die PCAP-Touch-Technologie hat via Consumerprodukte Einzug in professionelle Bedienkonzepte gehalten. Dadurch stiegen Erwartungen, Wünsche, Anforderungen und Bedarf der Nutzer an ähnlich geartete Bedienkonzepte in der Industrie. Erfolge und Potenziale aller aktuellen und zukünftigen Weiterentwicklungen werden ausschließlich über Usability und Design definiert.

Für Hover Gesture in Handheld-Geräten und mobilen Geräten gibt es weder im Consumer noch im Industriemarkt nennenswerten Bedarf. PCAP mit haptischem Feedback hat sich als Technologie in der Consumer-Elektronik bisher ebenfalls nicht durchgesetzt und findet sich auch kaum in Industrieanwendungen. In kritischen Bereichen mit hohen Sicherheitskontrollvorgaben wie der Intensivmedizin oder im Lebensmittelsektor sind die Vorteile der Force-Touch-Technologie dagegen evident. Die Redundanzfunktionalität in Kombination mit bewährter PCAP-Touch-Technologie erfüllt grundlegende Anforderungen der Nutzer.

Eine Herausforderung bleibt die Integration von Sensoren zum Messen der mechanischen Kraftaufnahme oder der Touch auslösenden Fläche. Letzteres erfordert spezielle, nicht standardisierte Touchcontroller und hochauflösende Touchsensoren zur Touchflächenmessung, Entwicklungs-Know-how und technologische Forschungsarbeit. Die Marktresonanz wird letztlich zeigen, welche der PCAP-Erweiterungen sich durchsetzen wird. Aussichtsreich bleibt eine Kombination aus mehreren Technologien wie Haptik und Force Sensing.

Bildergalerie

  • Bei einem Force-Touch-Display kann die Krafteinwirkung über einen zusätzlichen Drucksensor (rechts) gemessen werden.

    Bei einem Force-Touch-Display kann die Krafteinwirkung über einen zusätzlichen Drucksensor (rechts) gemessen werden.

    Bild: Data Modul

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