Betriebssystem unter der Lupe Android für den industriellen Einsatz

Android bietet gegenüber anderen Betriebssystemen einige Vorteile.

Bild: iStock, Dmytro
11.07.2023

Nach seinem Siegeszug bei Smartphones und Tablets im Consumerumfeld hat sich Android als Betriebssystem auch in vielen industriellen Bereichen durchgesetzt. Was muss beim Einsatz aber beachtet werden?

Dort haben andere Betriebssysteme wie Linux oder Windows höchstens noch eine untergeordnete Bedeutung. Was sich zum Beispiel in der Logistik schon vor einigen Jahren als Standard etabliert hat, ist inzwischen auch in Key-Branchen wie Automotive oder der industriellen Automation erste Wahl: Intuitiv bedienbare, moderne Bedienerschnittstellen auf Android-Basis!

Vorteile von Android

Android bietet gegenüber Linux deutliche Vorteile. Ein wesentlicher Faktor ist zum Beispiel die leichte und schnelle Java-Programmierung von Anwendungen auf Basis von Android APIs statt hardwarenahe, aufwändige Linux-C-Programmierung. Hier profitiert der Entwickler von zahlreichen Funktionen und Diensten, die Android bereits im Standard mitbringt.

Für mobile Anwendungen ist Android per se das geeignetere Betriebssystem, angepasst für Touchbedienung und lange Betriebszeit durch passendes Energiemanagement. Zudem setzen auch Entwickler von stationären Geräten und Anlagen auf das schicke und moderne Android als Bedienoberfläche beziehungsweise Betriebssystem.

Für ein Unternehmen ist es eine strategische Entscheidung, welches Betriebssystem beziehungsweise welche Bedienerschnittstelle für die nächsten Jahre ausgewählt werden. Hierbei stellen sich einige Fragen, die im Vorfeld zu berücksichtigen sind. Im Folgenden wollen wir diese Fragen beantworten.

Was unterscheidet Android und Windows?

Grundsätzlich ist Android ein Embedded Betriebssystem, das heißt, es ist immer auf die jeweilige, spezifische Hardware ARM CPU angepasst und läuft dementsprechend nur auf dieser einen Hardware.

Aus einem Open-Source-Code erstellt der Chip-Produzent einen neuen Programmcode, der vom Endgerätehersteller auf sein spezifisches Gerät angepasst wird. Dies unterscheidet sich grundsätzlich von einem Windows-Desktop-System, das auf allen x86-kompatiblen Chipsätzen funktioniert und über Lizenzen verkauft wird. Mit diesen Lizenzen erwirbt man den entsprechenden Support, dieser beinhaltet Updates und Sicherheitspatches während der unterstützten Lebensdauer. Android dagegen ist kostenfrei und aus diesem Grund erwirbt man auch keinen Support und keine Wartung. Dies wäre technisch auch nicht so einfach möglich, da jedes Android-OS wie oben erläutert hardwarespezifisch ist.

Wie wird dennoch mit einem Open-Source-Produkt Geld verdient?

Die spannende Frage aus Sicht von Google ist natürlich, wie mit einem Open-Source-Produkt Geld zu verdienen ist. Dazu hat sich Google einen Trick einfallen lassen, die Rezertifizierung GMS – Google Mobile Services, wohl ein Meilenstein in der Plattformökonomie. Bestimmte Zusatzdienste bekommt man als User nur mit Akzeptanz von Lizenzbedingungen und bezahlt das Ganze mit seinen Daten – Dienste für Daten. Das funktioniert natürlich deshalb, weil diese Dienste für den Endnutzer einen großen Zusatznutzen bieten (Playstore, Google Maps und ähnliche) und der Zugriff auf die Userdaten als Privatnutzer weithin akzeptiert wird.

Zusätzlich gibt es noch das Label „Enterprise Recommended“. Dieses Label soll eine besondere Industrietauglichkeit gewährleisten,das heißt, die Hersteller verpflichten sich drei Jahre lang Sicherheitsupdates zu liefern, also eine Art freiwillige Selbstverpflichtung. Die Rezertifizierung GMS ist die Voraussetzung für das Label, also wieder Dienste für Daten.

Ist diese Vorgehensweise für einen Industriekunden zufriedenstellend? In der Regel nicht, im Normalfall möchte man im Industrieumfeld deutlich längere unterstütze Update-Laufzeiten und vor allem die Oberherrschaft über alle Daten.

Wie werden Updates und Upgrades bereitgestellt?

Wie am Anfang schon erwähnt sind Updates (zum Beispiel Sicherheitspatches, Bugfixes, et cetera) und Upgrades (eine neuere Android-Version) hardware-spezifisch und können nur vom Hersteller bereitgestellt werden. Der grundsätzliche Ablauf ist wie im linken Pfad des unten stehenden Diagramms illustriert. Der Hersteller prüft die monatlichen Updates des Open-Source-Projekts oder anderer Quellen und erstellt daraus den spezifischen Patch beziehungsweise das neue Image, das dann an die eigenen Kunden in einem regelmäßigen Turnus verteilt werden kann.

Es gibt dabei keinen Automatismus. Die Updates des Open-Source-Projekts sind nicht ohne weitere Bearbeitungsschritte verwendbar, insbesondere wenn Sie für eine ältere Android-Version eingesetzt werden sollen. Das ist für viele Kunden in der Logistik und Industrie sehr wichtig, da die Industrie-Geräte nicht nach drei Jahren ersetzt werden sollen.

Dabei ist es natürlich interessant zu wissen, wer der Hersteller eines Gerätes beziehungsweise der Eigentümer des Android-Source-Codes überhaupt ist. Gerade bei großen, internationalen Brands ist der Hersteller des Geräts in der Regel ein asiatisches Subunternehmen und nie der Brand selbst. Dieses mehrstufige Verfahren kann funktionieren, aber Patches sind immer Vertrauenssache.

Strategien für die Auswahl eines Android Industrie-Gerätes

Wie wir gelernt haben, sind dabei drei verschiedene Fragestellungen zu beantworten:

1. Wie sicher sind meine Daten beziehungsweise ist Datensicherheit für mich wichtig?

Falls Datensicherheit für meinen konkreten Anwendungsfall nicht entscheidend ist, ist die Nutzung eines GMS-zertifizierten Gerätes beziehungsweise sogar eines Smartphones ein möglicher Ansatz. Falls Datensicherheit für mich sehr wichtig ist, ist auf jeden Fall ein Gerät ohne GMS notwendig.

Grundsätzlich gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Ich nutze ein Smartphone und akzeptiere die damit verbundenen Faktoren wie Datensicherheit, fehlende Langzeitverfügbarkeit, et cetera

  • Ich nutze ein GMS/Recommended-Gerät und akzeptiere das

  • Ich schotte mein Netz so ab, dass das Gerät nie einen Außenkontakt bekommt

  • Ich nutze ein industrielles Android-Betriebssystem, das keine Google-Dienste enthält

  • Ich nutze ein GMS/Recommended-Gerät und nutze zusätzlich einen GMS-Blocker, erzeuge also nachträglich ein industrielles Android-Gerät, etwas paradox, wird aber von den großen Brands oft so praktiziert

Für industrielle Anwendungen empfehlen wir die Nutzung eines expliziten industriellen Android-Betriebssystem, zum Beispiel das Android Industrial+ von ACD Elektronik oder ähnliche Systeme, frei von Diensten Dritter und mit nachweisbarer Langzeitverfügbarkeit. Gerade bei der Nutzung von Billiggeräten hat man das zusätzliche Risiko einer unkontrollierten Supply Chain des Herstellers, so dass diese Geräte oft schon ab Werk mit Malware infiziert sind, die wiederum nur dem Datenabzug dienen.

2. Wie lange bietet mein Anbieter Updates und Upgrades beziehungsweise wie lange möchte ich meine Android-Hardware nutzen?

Auch hier wird man im Industrieumfeld mit Nutzungsdauern unter drei Jahren nicht erfolgreich sein. Es gilt zweierlei zu beachten: Zum einen die Verfügbarkeit der Hardware, zum anderen die Langzeitverfügbarkeit von Upgrades und Updates für das Betriebssystem auf dieser Hardware. Vorzugsweise sollten Unternehmen ausgewählt werden, die ihre Hardware-Plattform langfristig supporten, sowohl was die Reparatur der Geräte betrifft als auch den Ersatz von sich ändernden Bauteilen und Komponenten.

Zum anderen sollte der Anbieter auch langfristig den Software Support leisten können. Unsere Empfehlung ist immer der Direktsupport und nicht ein mehrstufiges Verfahren, bei dem der eigentliche Leistungserbringer für Updates letztlich unbekannt ist. Und dabei sollte auch klar sein, dass es seriösen Support nicht zum Nulltarif gibt, also Finger weg von Low-Cost-Anbietern.

3. Wie möchte ich meine Geräte verwalten?

Im Industrieumfeld verwaltet ein Administrator in der Regel nicht nur eines oder wenige Geräte, sondern eine größere Anzahl. Deshalb sind unterstützende Tools für Installation, Updates, Einstellungsoptimierungen ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für die Entscheidung. Es gilt daher genau zu prüfen, welche Tools der Anbieter mitbringt, wie gut die Geräte zu integrieren sind und welche Zusatzkosten dadurch anfallen.

Wichtig in dem Zusammenhang ist ein MDM, ein Mobile Device Manager. Mit diesem können die Geräte direkt im Feld verwaltet werden oder Updates und Upgrades auf den Geräten installiert werden. Hat ein Hersteller kein eigenes Tool, muss man auf Drittanbieter ausweichen mit teilweise deutlich höheren Kosten.

Zusammenfassung:

Android als Betriebssystem ist schick und modern. Durch seine embedded-Eigenschaften,das heißt, die feste Verknüpfung zu einer ARM-Hardwareplattform sind Support und Langzeitverfügbarkeit sehr herstellerabhängig. Wichtig bei der Auswahl ist die Betrachtung von Datensicherheit, Langzeitverfügbarkeit und Verwaltung der Geräte.

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