Fachbeitrag Stadtnahe Regionen intelligent entwickeln

28.03.2014

Wirtschaft und Gesellschaft im Umfeld der Städte und im ländlichen Raum lassen sich langfristig stabilisieren, indem ihre Resilienz gestärkt wird. Von herausragender Bedeutung ist dafür eine wirksame kommunale Infrastruktur.

Die Zuwanderung von Menschen in Städte hat weltweit ein bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Mehr als 50 Prozent der Erdbevölkerung lebt heute bereits in Städten. Die Rede ist von mehr als 3,5 Milliarden Menschen. Bis zum Jahr 2050 wird eine Steigerung bis über 70 Prozent erwartet. Getrieben wird diese Wanderungsbewegung durch die Hoffnung vor allem junger Menschen auf eine höhere Lebensqualität in Form von besserem Einkommen, Karrierechancen, allgemeiner Versorgungssicherheit und Unterhaltungsangeboten. Dafür nehmen die Zuwanderer Anonymität, Vereinsamung und den Verlust an „Heimat“ in Kauf. Das bedeutet, dass die Heimatländer verarmen, die Städte dagegen aus allen Nähten platzen. Oft gelingt es nur schwer, den Mangel an sauberem Trinkwasser und menschenwürdiger Sanitärtechnik zu beheben. Die Kriminalität nimmt vielerorts beängstigende Ausmaße an.

Lösungskonzept

Um den Zuwanderungsdruck und die damit einhergehenden Destabilisierungstendenzen abzumildern, gibt es eine klare Antwort: Es gilt, die Attraktivität des peri-urbanen (stadtnahen) und ländlichen Raums zu steigern. Dieses Konzept hat sich in der Vergangenheit in Deutschland (insbesondere in Baden-Württemberg und in Bayern) als tragfähig erwiesen und könnte so als Modell für Stadtumlandgebiete weltweit dienen. Angesichts der Vielgestaltigkeit der ländlichen Regionen kann es allerdings keine universal anwendbaren Rezepte und Normen geben. Da sich unsere Welt von Anfang an in einem kontinuierlichen Wandlungsprozess befindet, ist eine dynamische Anpassung aller Einzelmaßnahmen an den Wandel der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Gegebenheiten zwingend notwendig. Die Resilienz-Theorie (siehe Kasten) bietet dazu einen beachtenswerten Handlungsrahmen [1].

Handlungsempfehlungen

Um die Attraktivität einer stadtnahen Region zu steigern, ist es zunächst notwendig, ihre Eigenheit und somit ihre Identität zu erkennen: Traditionen, kultureller, auch religiöser Hintergrund, Sprache und Dialekt, lokale Fertigkeiten, Besonderheiten der Landschaft sowie gewachsener sozialer Beziehungen spielen da eine wichtige Rolle.

Darauf aufbauend gilt es praktikable Entscheidungen zu treffen. Ebenso gilt es, Offenheit für Änderungen insbesondere bei Unternehmen zu wecken. Dies kann durch eine kontinuierliche Aufklärung und Vermittlung von Wissen gelingen.

Parallel dazu brauchen regionale Entscheidungsträger mehr Verantwortung und Befugnisse, so dass sie einen größeren Spielraum für Entscheidungen erhalten. Wer Chancen erkennt und den Mut aufbringt, sie zu ergreifen, kann die Resilienz seiner Region erhöhen und Entwicklungen nachhaltig vorantreiben. Ähnlich wie in Ökosystemen kann davon ausgegangen werden, dass eine Vielfalt von Einzellösungen und die Konkurrenz zwischen den Einzellösungen die Verletzlichkeit der Region vermindert und somit ihre Integrität steigert.

Flankierend dazu sind Infrastrukturmaßnahmen in Angriff zu nehmen, die zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in den Grenzen der ortstypischen Identität und ohne Verlust an Integrität führt. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass eine fortschrittliche kommunale Infrastruktur dabei eine Schüsselfunktion spielt. Dazu gehört die sichere Versorgung mit Trinkwasser und elektrischer Energie ebenso wie die Entsorgung und nachhaltige Behandlung von Abwasser und Abfall, eine moderne Verkehrserschließung und der Zugang zu schnellem Internet. Eine Region, die einen sauberen Eindruck vermittelt, zieht Investitionen an, eine schmuddelige stößt dagegen ab.

Ein fachübergreifender Diskurs ist notwendig

Im Rahmen eines Symposiums, das am 6. Mai 2014 am Rande der Messe IFAT im Münchner Internationalen Konferenz-Zentrum (ICM) stattfinden wird, soll der Frage nachgegangen werden, ob das Resilienz-Konzept für die Attraktionssteigerung stadtnaher Gebiete geeignet ist, und welche konkreten Maßnahmen sich im Einzelfall in der Praxis anbieten, um einer weiteren Abwanderung entgegenzuwirken. Speziell wird die Frage aufgeworfen, ob durch Dezentralisierung ein Schub zu mehr Resilienz erzielt werden kann.

Veranstaltet wird das Symposium von der am Institute for Advanced Study der TU München angesiedelten Expertengruppe IESP. Unterstützt wird das Vorhaben vom Bayerischen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, der Chinesischen Forschungsakademie für Umweltwissenschaften sowie von der Messe München.

Weitere Informationen

[1] Walker B. and Salt D.: Resilience Thinking – Sustaining Ecosystems and People in a Changing World, Island Press, Washington D.C. 2006

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