Dr. Christiane Schweder, Labom Herausforderung Wasserstoff

LABOM Mess- und Regeltechnik GmbH

Dr. Christine Schweder ist Projektleiterin bei Labom Mess- und Regeltechnik. Als Chemikerin mit beruflichen Stationen in der Forschung – Leibniz Uni Hannover und Max-Planck-Institut – sowie im Anlagenbau, ist sie auch für ungewöhnliche Entwicklungsaufgaben prädestiniert.

Bild: Labom
17.11.2021

Wasserstoff ist das kleinste Molekül überhaupt und durchdringt Metalle. Bei Druckmessgeräten kann dies immer wieder zu Störungen und Messfehlern führen. Aber warum tritt das Problem nur manchmal auf? Welchen Einfluss haben die Prozessbedingungen, wo können Grenzen gezogen werden?

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Ein gern genutztes Tool bei Labom dient zur Berechnung der Standzeit von Druckmessgeräten im Wasserstoffeinsatz. Die Idee dazu entstand in einer Runde im Vertrieb, in der wir uns über Anforderungen von Anwendern austauschten. Mess­technik von Labom, bei Bedarf auch mit Ex- und SIL-Zulassungen, findet unter anderem in Elektrolyseuren, Gasnetzen oder Wasserstofftankstellen Verwendung. Wasserstoff ist ein anspruchsvolles Medium – dazu später mehr. Bei einigen Kunden halten unsere Messgeräte zehn Jahre und länger, ohne Drift, ohne Nullpunktsverschiebung, ohne Ausfall. Andere Kunden berichteten vereinzelt über Ausfälle und bekamen dann besser geeigneten, aber auch höherpreisigen Ersatz. Die Ursache war klar – Wasserstoff ist das kleinste Molekül überhaupt und durchdringt Metalle. Bei Messgeräten mit Druckmittlern kann sich der Wasserstoff in der Füllflüssigkeit des Druckmittlers sammeln, ausperlen und die Messung stören. Aber warum trat das Problem nur manchmal auf? Die Prozessbedingungen hatten definitiv einen Einfluss, doch wir konnten keine genaue Grenze ziehen. Dann fiel in der Runde der Satz „Wir sollten den Effekt mal quantifizieren.“

Wie das mit so kleinen Sätzen manchmal ist – die Umsetzung stellte sich komplexer dar als gedacht. Als erstes galt es, die physikalischen Zusammenhänge zu erfassen und in mathematischer Form abzubilden. Dann mussten die materialspezifischen Parameter bestimmt werden. An einem Punkt stellten wir fest, dass man auch bei Zukunftsthemen auf älteres Wissen zurückgreifen muss. So verbrachte ich einen Nachmittag in der nahen Unibibliothek, strapazierte den Bibliothekar und fand wertvolle Hinweise. Auf der richtigen Spur ging es dann weiter zu modernen Forschungsergebnissen. Nach etlichen Modifikationen waren wir endlich zufrieden: Wir hatten eine Formel, die den Effekt korrekt beschreibt und die Abhängigkeit von Druck und Temperatur darstellt. Mit der Formel haben wir ein Tool zusammengesetzt, mit dem man berechnen kann, wie lange ein Messgerät ohne negative Effekte durch Wasserstoff hält.

Konkret wird berechnet, wie groß die Wasserstoffpermeation durch Edelstahl oder goldbeschichteten Edelstahl ist und wie viel des Wasserstoffs sich in der Füllflüssigkeit löst, bevor er ausperlt. Die starke Temperaturabhängigkeit findet durch den Arrhenius-Ansatz Berücksichtigung. Der durch eine Goldbeschichtung hervorgerufene Unterschied ist frappierend: In einem Rechenbeispiel kann bei einem Messgerät mit einer Edelstahlmembran bei 40 °C und 1 bar Relativdruck nach einem Jahr eine Fehlfunktion durch Wasserstoff auftreten. Mit einer goldbeschichteten Membran beträgt diese Zeitspanne dagegen 50 Millionen Jahre!

Zudem kann das Tool auch genutzt werden, um eine sinnvolle Stärke für Goldbeschichtung festzulegen. Gerade bei Anwendungen mit hohen Temperaturen kann eine dickere Beschichtung die Standzeit entscheidend verlängern. Damit können wir für unsere Kunden Messgeräte auswählen, die genau zu ihren Prozessen passen und ein Optimum zwischen technischen Anforderungen und Preis darstellen. Denn Zukunftstechnologien brauchen physikalisch fundierte Verlässlichkeit.

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