Smart Traffic & Mobility Die Energiewende im Tank

Audi A3 g-tron: Mobilität mit synthetischem Methan aus Power-to-Gas

Bild: Audi
12.06.2014

Elektrisch angetriebene Autos verursachen weniger Treibhausgas-Emissionen – doch nur, wenn der Strom aus regenerativen Quellen stammt. Das ist meist jedoch nicht der Fall. Power-to-Gas könnte eine Lösung sein – für E-Autos und Erdgasfahrzeuge.

Schon heute lässt sich ein Elektroauto regenerativ mit Ökostrom betreiben. Doch noch ist der Strom-Mix in Europa überwiegend fossil. Und der Ausbau erneuerbarer Stromquellen gerät bereits ins Stocken. Neue Stromleitungen, so sie denn gebaut werden, können helfen, genauso wie ein verfeinertes Lastmanagement („Smart Grid“), bei dem auch Elektroautos einbezogen werden können. Doch diese Maßnahmen haben ihre Grenzen, und Studien zeigen, dass sie die ansteigenden Differenzen zwischen Stromangebot und -nachfrage nur zu einem kleinen Teil werden dämpfen können.

Eine Lösung mit größerem Potenzial könnte die Speicherung erneuerbarer Energien mittels Power-to-Gas (P2G) sein. Denn die Energieträger Methan und – bei Vorhandensein einer entsprechenden Infrastruktur – Wasserstoff können für viele Energieanwendungen eine überzeugende Antwort bieten. Für Methan stellt das existierende Erdgasnetz in Europa und vielen anderen Märkten bereits heute eine Versorgungsbasis für Strom, Wärme und Mobilität. Und Gaskraftwerke sind wegen ihrer hohen Dynamik und Skalierbarkeit (Stichwort: dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung) die idealen Backup-Partner für die erneuerbaren Energien. Eine ähnliche universelle Funktion hat auch das Stromnetz selbst. Über die P2G-Technologie können beide Netze miteinander verbunden werden und synergetisch zusammenwirken, und das Stromnetz gewinnt eine essentielle Funktion dazu, die heute fast vollständig fehlt: Die Fähigkeit zur Energiespeicherung.

Erneuerbare speichern

Power-to-Gas-Anlagen speichern anfallende Energiemengen, deren Nutzen im Stromnetz gering ist, in Form genau derjenigen Energieträger, mit denen die Anforderungen aller genannten Sektoren und die allgemeinen Systemanforderungen hervorragend erfüllt werden können: Wasserstoff und Methan. Welcher der beiden Energieträger letztlich beim Endkunden Verwendung findet, ist aus Systemsicht sekundär. Das wird letztlich der Markt entscheiden. Die Power-to-Gas-Anlage von Audi in Werlte beispielsweise kann beide Energieträger liefern und ist damit auch offen für ein Szenario, in dem Wasserstoff eine größere Rolle im Energie- und Mobilitätssektor spielt.

Eigentlich hätte man die erste industrielle P2G-Anlage aufgrund der zukünftigen Notwendigkeit für das regenerativ geprägte Energiesystem der Zukunft von einem Energiedienstleister erwartet. 2009 hatten das ZSW (Zentrum für Solarenergie- und Wasserstoffforschung), das Fraunhofer IWES und das kleine Start-up-Unternehmen Solarfuel (heute: Etogas) die P2G-Grundidee und einen ersten Machbarkeitsnachweis in Form einer 25-kW-Demonstrationsanlage vorgestellt.

Doch aus rein energiewirtschaftlicher Sicht war die Motivation für die Investition in eine vollfunktionale P2G-Anlage offenbar nicht ausreichend. Denn der Pfad Power-­to-­Gas-­to-Power, also die Rückverstromung der eingespeicherten Energie, erschien noch zu weit von einer Wirtschaftlichkeit entfernt. Die Perspektive im Bereich der Mobilität war und ist anders: Immer mehr Kunden, darunter viele Flottenbetreiber, wollen ihren CO2-Fußabdruck verringern und setzen sich ehrgeizige Ziele. Große Summen werden in – wegen ihres großen Flächenbedarfs umstrittene – Biokraftstoffe investiert, um die extreme Abhängigkeit des Sektors vom Erdöl zu verringern. Generell steht das Auto – vermutlich weil es sich im öffentlichen Raum bewegt – weit mehr im Fokus von Politik und Gesellschaft als andere Treibhausgasemittenten. Und auch das Elektroauto ist wegen der ungeklärten Herkunft des Stroms in der Kritik einiger Umweltverbände. Fazit: Der Handlungsdruck zur CO2-Reduzierung im Bereich Mobilität ist besonders hoch.

Da sich Audi bei der Beurteilung der Umwelteigenschaften von Fahrzeugen auf umfassende Lebenszyklusbilanzierungen stützt, erschien der ganzheitliche P2G-Ansatz, der eine verbesserte Treibhausgasbilanz von Elektro- sowie CNG-Fahrzeugen ermöglicht, als zielführend im Sinne der von Audi verfolgten Vision der CO2-neutralen Mobilität.

Power-to-Gas im großen Stil

Im Juni 2013 wurde die weltweit erste industrielle P2G-Anlage im niedersächsischen Werlte vom Anlagenbauer Etogas fertiggestellt. Der Regelbetrieb in Abhängigkeit der Situation im Stromnetz begann Ende 2013. Drei alkalische, drucklose Elektrolyseure à 2 MW elektrischer Eingangsleistung produzieren pro Stunde bis zu 1300 Nm3 Wasserstoff. In einem Rohrbündelreaktor der Firma MAN reagieren die H2-Moleküle mit dem CO2 aus dem Abgasstrom der benachbarten Abfallbiogasanlage des Energieversorgers EWE zu synthetischem Methan, dem sogenannten Audi e-gas. Es wird energiesparend in das Mitteldrucknetz der Gemeinde Werlte Werlte oder – bei zu geringer Gasnachfrage vor Ort - in das Transportnetz eingespeist.

Der Wirkungsgrad der Anlage von Strom zu Methan liegt bei rund 54 Prozent. Allerdings wird die Abwärme konsequent in den Wärmesenken der Biomethananlage genutzt, die dadurch bei Betrieb der P2G-Anlage kein Rohbiogas mehr für die Biogasaufbereitung, die Hygienisierung der Abfälle und die Beheizung der Fermenter verbrennen muss. Insgesamt ergibt sich so voraussichtlich ein Wirkungsgrad von rund 65 Prozent. Als Zielwert für weitere Anlagen mit verbesserter Elektrolysetechnik werden 70 Prozent und mehr angepeilt. Optimierungen an der Anlagentechnik und am Gesamtsystem Power-to-Gas werden unter Federführung von Audi im Rahmen eines vom Bund geförderten Forschungsprojekts (Wombat) untersucht.

Die Anlage in Werlte erfüllt die sogenannten Präqualifikationskriterien für Regelenergiebezug. Sie kann daher innerhalb von 30 Sekunden auf ein Regelbedarfssignal des Stromnetzbetreibers reagieren und binnen fünf Minuten ihre komplette Leistung von 6 MW abrufen. Damit stellt sie neben ihrer prinzipiellen Fähigkeit, klassische Stromüberschüsse zu speichern, auch ein stabilisierendes Element im Stromnetz dar. Denn durch Prognoseungenauigkeiten und kurzfristige Nachfrageschwankungen entsteht auch kurzfristig der Bedarf, Stromspitzen aus dem Netz wegzuregeln. Im Stromnetzgebiet von Werlte sind schon heute nach Aussagen des Netzbetreibers rund 80 Prozent der Strommengen regenerativen Ursprungs. Und in der gesamten Regelzone ist ein hoher Regelleistungsbedarf zu erwarten.

Durch diese Funktion, negative Regelleistung aufzunehmen, ist es nach aktuellen Prognosen auch heute schon möglich, eine P2G-Anlage mit sehr niedrigen Strompreisen mehrere tausend Stunden im Jahr systemdienlich zu betreiben. Je nach Nachfrage- und Stromsituation erwarten die Ingenieure in Werlte eine Jahresproduktion von bis zu 1000 Tonnen synthetischem Methan. Mit dieser Menge können über 1500 CNG-Fahrzeuge vom Typ Audi A3 g-tron rund 15.000 Kilometer im Jahr betrieben werden. Allerdings steht einem solchen Betrieb noch die Gesetzgebung entgegen. Da bisher P2G-Anlagen nur im Falle einer Rückverstromung von Letztverbraucherabgaben befreit werden, bewirkt jede zusätzliche Betriebsstunde zusätzliche Verluste für den Betreiber.

Der Audi A3 g-tron

Der Audi A3 Sportback g-tron ist das erste CNG-Serienfahrzeug der Marke Audi. Im Prinzip handelt es sich um ein konventionelles Erdgasfahrzeug, aber durch eine Vielzahl von Optimierungen und spezifischen Anpassungen an den Kraftstoff Erdgas konnte die Effizienz auf ein im CNG-Bereich bisher unerreichtes Niveau gebracht werden. Mit einem Normverbrauch von 3,2 bis 3,3 kg/100 km (je nach Getriebe) und entsprechenden CO2-Emissionen von 88 bis 92 g/km bewegt sich das Fahrzeug in Verbrauchsregionen, die bisher allein Kleinstwagen vorbehalten waren. Im reinen Erdgasbetrieb sind Reichweiten von über 400 Kilometern möglich.

In Deutschland können Besitzer des A3 g-tron eine Tankkarte dazubestellen, mit der bilanziell das in Werlte eingespeiste synthetische Gas bezogen werden kann. Audi registriert alle mit dieser Karte bezahlten Erdgasmengen und stellt sicher, dass genau so viel synthetisches Methan aus der P2G-Anlage ins Erdgasnetz eingespeist wird. Somit fährt der Audi A3 g-tron-Kunde nahezu klimaneutral.

Ausblick

Mit der Power-to-Gas-Anlage in Werlte und dem Energievektor hin zum Fahrzeug ist es erstmals gelungen, Strom- und Gasnetz bidirektional miteinander zu verbinden. Stromüberschüsse und Regelenergie können im Erdgasnetz gespeichert werden und stehen unterschiedlichen Verwendungen zur Verfügung. Die Mobilität mit ihrem hohen CO2-Vermeidungsdruck ist bei dieser Technologie zunächst die „Lokomotive“ der weiteren Entwicklung. Wichtig sind jetzt überfällige Weichenstellungen in der Politik, damit Power-to-Gas in Deutschland in der Praxis erprobt und zur Reife gebracht werden kann. Denn gebraucht werden kann diese Speichertechnologie in fast allen Ländern, die umfassend auf erneuerbare Energien setzen. Ganz nebenbei könnte sie ein wichtiger Türöffner für eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft sein. Heute schon sind CNG-Fahrzeuge hervorragende, weil langstreckentaugliche Ergänzungen zu elektrisch angetriebenen Autos. Denn sie nutzen den universellen Energieträger Methan.

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