Smart Traffic & Mobility Das Beste aus zwei Welten?

29.01.2014

Plug-in-Hybridfahrzeuge scheinen für die Autobranche die ideale Lösung, um die strengeren CO2-Grenzwerte ab dem Jahr 2020 zu erfüllen. Was als Übergangstechnologie verkauft wird, könnte womöglich von Dauer sein.

Die Geschichte beginnt an einem schönen Spätsommertag im Jahr 2009. Die automobile Welt durchlebt gerade eine schwere Absatzkrise. Den Sportwagenhersteller Porsche trifft sie kaum, aber die Stimmung ist im Entwicklungszentrum Weissach trotzdem schlecht: Gerade ist die Übernahmeschlacht gegen Volkswagen verloren, der langjährige Vorstandschef Wendelin Wiedeking zurückgetreten. Der Entwicklungsvorstand Wolfgang Dürheimer will der Traditionsmarke in der schwierigen Situation zu neuem Selbstbewusstsein verhelfen. Und vielleicht auch den neuen Hausherren aus Wolfsburg zeigen, wie wichtig die technische Kompetenz der Porsche-Entwickler für den Konzern ist.

Dürheimer holt Gernot Döllner zu sich, einen seiner besten Ingenieure. Der hatte das Konzept für den Panamera entwickelt und bewiesen, dass er Neuland erobern kann. Doch dieses Mal schien der Auftrag unmöglich: Er solle einen Sportwagen bauen, der auf dem Nürburgring schneller wäre als jedes andere. Der solle weniger als drei Liter auf 100 Kilometer verbrauchen, nicht auf der Rennstrecke, aber im Normzyklus. Zum Genfer Automobilsalon müsse eine fahrbereite Konzeptstudie fertig sein. „2011?“ fragt Döllner. Nein, 2010, sagt der Vorstand.

In etwas mehr als einem halben Jahr entstand die Studie des 918 Spyder. Und damit nicht nur ein atemberaubend schöner Zweisitzer, sondern auch ein Antriebskonzept, das die automobile Welt verändern sollte. Denn um die Quadratur des Kreises zu ermöglichen, setzt Döllner auf einen Plug-in-Hybridantrieb: Zwei Elektromotoren – anfangs sogar drei – und ein Verbrennungsmotor teilen sich die Antriebsarbeit, die Batterie ist anders als bei bisherigen Hybridfahrzeugen an der Steckdose aufzuladen. Döllners Arbeit überzeugt. Nicht nur, weil Porsche sich aufgrund positiver Kundenreaktionen entscheidet, eine exklusive Serie – 918 Stück – des Supersportwagens zu bauen. Sondern weil die Technik im Volkswagen-Konzern, zu dem Porsche mittlerweile gehört, immer mehr Freunde findet. Bis schließlich der Vorstandvorsitzende Martin Winterkorn nach einigen Erprobungsfahrten erkennt, dass keine andere Technik soviel Potenzial bietet, um die Kundenforderung nach Fahrspaß mit den immer strikteren CO2-Grenzwerte zu verbinden. Auf dem Wiener Motorensymposium 2011 verkündet er: „Der Plug-in-Hybrid verbindet das Beste aus zwei Welten.“

Strategisches Instrument

Volkswagen war nicht der erste und nicht der einzige Hersteller, der auf Plug-in-Hybride setzte. So stellte die mittlerweile untergegangene Ex-GM-Marke Saab 2006 ihr „BioPower Hybrid“-Konzept vor, das mit Null CO2-Emissionen auskommen sollte. Der Verbrennungsmotor wurde dafür mit 100-prozentigem Bioethanol betankt, eine externe Ladevorrichtung für die Batterie war vorgesehen. Und auch Hybridpionier Toyota war mit der Entwicklung einer Plug-in-Variante des Prius schon weit vorangeschritten, als die Porsche-Ingenieure erste Konzeptentscheidungen trafen. Der Unterschied liegt in der strategischen Wucht, mit der der Volkswagen-Konzern auf eine neue Technologie setzt, deren Akzeptanz noch weitgehend unbekannt ist. Die Automänner in Wolfsburg, denen man Benzin im Blut nachsagt, haben erkannt: Sie müssen auch ökologisch an die Weltspitze, wenn sie spätestens 2018 ökonomisch führen wollen. „Ohne wenn und aber“ (O-Ton Winterkorn) ja zur 95-Gramm-Regelung kann aber nur sagen, wer auch künftig große und sportliche Fahrzeuge mit hoher Reichweite verkaufen darf, ohne den Imageschaden, der durch Strafzahlungen für die Überschreitung der Flottengrenzwerte entstünde.

Dass der Plug-in-Hybrid zunehmend in der gesamten Autobranche als Schlüsseltechnologie begriffen wird, ist der Gesetzgebung zu verdanken. Genauer der ECE-Richtlinie 101. Sie definiert, wie die Emissionsmessung von Elektro- und Hybridfahrzeugen zu erfolgen hat. Demnach sind Plug-in-Hybridfahrzeuge grundsätzlich zweimal zu testen: Einmal mit vollständig aufgeladener Batterie und dann noch einmal mit entladenem Energiespeicher. Zunächst durchfährt das Fahrzeug den NEFZ also mit vollem Akku – und zwar so lange, bis dieser vollständig entleert ist. Reicht die elektrische Leistung, um die im Zyklus geforderten Beschleunigungen und auch die Maximalgeschwindigkeit von 120 km/h zu erreichen, fährt das Auto in diesem Teil rein elektrisch, was mit 0 g CO2/km bewertet wird. Im zweiten Teil der Prüfung durchfährt der Plug-in-Hybrid den Zyklus einmal mit entladener Batterie, was dazu führt, dass ein wesentlicher Teil der virtuellen Strecke mit dem Verbrennungsmotor bestritten wird. Es ergibt sich ein Emissionswert in g CO2/km. Abschließend werden die beiden Werte unter Berücksichtigung der separat ermittelten elektrischen Reichweite zueinander ins Verhältnis gesetzt. Je weiter ein Fahrzeug mit voll geladenem Akku elektrisch fahren kann, desto niedriger ist der Gesamt-CO2-Emissionswert. Auch große und sportliche Fahrzeuge können bei richtiger Auslegung als Plug-in-Hybrid zweistellige CO2-Werte erreichen. So kommt der Porsche Panamera E-Hybrid auf einen Normwert von 71 g CO2 auf 100 km, trotz beeindruckender Systemleistung von 306 kW und einer Spitzengeschwindigkeit von 270 km/h. Oder die neue Mercedes-Benz S-Klasse: Als Plug-in-Hybrid weist sie nominal einen von Kleinstwagen kaum zu erreichenden Verbrauch von 3,0 Liter aus.

Saubere Sache?

Die Physik ist trotzdem natürlich nicht überlistet: Eine zwei Tonnen schwere S-Klasse verbraucht bei Tempo 200 nicht doppelt soviel Energie wie ein Kleinwagen bei 100 km/h, sondern ein Vielfaches, schon wegen des mit der Potenz drei steigenden Luftwiderstandes. Der Trick besteht darin, dass elektrische Energie mit Null Gramm CO2 angesetzt wird. Kritiker verweisen darauf, dass der durchschnittliche CO2-Wert für eine Kilowattstunde Strom in Deutschland 2012 bei zirka 576 g/kWh lag [1]. Mit einer Kilowattstunde kommt ein Panamera bei normaler Fahrweise gerade mal fünf Kilometer weit. Das ist das einerseits.

Das andererseits vertritt Ulrich Eichhorn, Technik­geschäftsführer des VDA (Verband der Automobilindustrie), der als Bentley-Chefentwickler früher selbst Luxusautos auf die Straße brachte: „Die Berechnung mit Null Gramm CO2 ist korrekt“, argumentiert er. Denn die Emissionen aus der Stromerzeugung seien bereits durch die europäischen CO2-Emissionsrechte reguliert. Sprich: Auch wenn mehr Strom erzeugt wird, darf die Summe der CO2-Emissionen in Europa nicht steigen. Eichhorn verweist darauf, dass fast alle Elektrofahrzeuge – zu denen er die Plug-in-Hybride zählt – mit Grünstromvertrag verkauft werden.

Übergangstechnologie – ja oder nein?

Die nähere Zukunft gehört ungeachtet solcher Diskussionen dem Plug-in-Hybrid. Die renommierte Studie „Global Automotive Executive Survey“, die jährlich unter 200 Topmanagern der Branche durchgeführt wird, weist Plug-in-Hybride als die elektrische Antriebstechnik mit der höchsten Marktrelevanz aus. 35 % der Befragten halten Plug-in-Hybride für sehr attraktiv, für batterieelektrische Fahrzeuge sagen das nur 14 % [2]. Auf den meisten Powerpoint-Folien, die Automanager auf internationalen Kongressen zeigen, führt der Plug-in-Hybrid trotzdem ein unangenehmes Dasein. Meist wird er als Übergangstechnologie dargestellt, bis eines Tages bessere Akkus vorhanden sind oder Brennstoffzellen die Vorherrschaft übernehmen.

Kann sein, dass es so kommt. Oder auch nicht. Denn noch ist ungewiss, ob langzeitstabile Metall-Luft- oder zumindest Lithium-Schwefel-Akkus die Hürde in eine Serienproduktion überspringen können. Und auch die Brennstoffzelle muss sich als Fahrzeugantrieb noch beweisen. Zwar ist es durch intensive Forschung in den letzten Jahren gelungen, den Gehalt an teurem Platin mehr als zu halbieren – für eine 100-kW-Einheit werden nur noch 40 g des Edelmetalls benötigt. Aber die Herstellung und Distribution großer Wasserstoffmengen aus fluktuierendem, regenerativ erzeugtem Strom ist vorerst ungelöst. Nicht auszuschließen also, dass das Saab-Konzept auf lange Sicht das Mittel der Wahl sein wird: Flüssige Kohlenwasserstoffe, regenerativ erzeugt, sorgen für die Reichweite, Strom aus erneuerbaren Quellen für die Fortbewegung im Alltag. Saab hatte schon zuvor einen wichtigen Zukunftstrend gesetzt: Den aufgeladenen Ottomotor. Und ist trotzdem vom Markt verschwunden – denn Autos werden nicht allein wegen ihres Motors gekauft.

Weitere Informationen

[1] Bundesumweltamt (Hrsg.): Entwicklung der spezi- fischen Kohlendioxid- Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2012. Berlin, 2013
[2] KPMG (Hrsg.): KPMG’s Global Automotive Executive Survey 2014

Bildergalerie

  • Dialoge - Das Audi-Technologiemagazin 01/2014

    Dialoge - Das Audi-Technologiemagazin 01/2014

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