„Was muss mein MES können?“ Auswahlkriterien für ein Manufacturing Execution System

Der Anbietermarkt für fertigungsoptimierende Software ist alles andere als durchsichtig, welche Auswahlkriterien entscheidend sind erfahren Sie hier.

Bild: iStock, axel2001
01.05.2019

Eine zentrale Rolle auf dem Weg zu Industrie 4.0 spielen die eingesetzten Software-Systeme, die den Produktionsablauf, und viel mehr noch die gesamte Wertschöpfungskette produzierender Unternehmen digitalisieren sollen. Manufacturing Execution Systems (MES) rücken hier immer öfter in den Mittelpunkt. Dementsprechend groß und schwer überblickbar ist heute der Anbietermarkt für die fertigungsoptimierende Software. Die Definitionen zum Begriff MES werden immer vielfältiger – die Grenzen verschwimmen.

Betrachtet man die Systemarchitektur eines produzierenden Unternehmens als Pyramide, in der das MES als Bindeglied zwischen Automatisierungsebene und übergeordnetem ERP-System dient, so ist es kaum verwunderlich, dass mittlerweile von mehreren Seiten versucht wird, in den MES-Markt vorzudringen. ERP-Anbieter einerseits, die mit ihrem Grobplanungshintergrund versuchen, auch Feinplanungsthemen zu bedienen und ihre Vorzüge darin begründen, eine kombinierte Lösung zu liefern. Andererseits die Anlagenbauer, die die direkte Kopplung zwischen eigenem MES und ihren Anlagen hervorheben.

In der Praxis gilt es aber vor allem, den Spagat zwischen möglichst wenigen Software-Systemen und maßgeschneiderten, integrierten Lösungen zu finden. Die standardisierte Konnektivität zwischen den Systemen ist damit weniger ein einzigartiger Vorteil gegenüber dem Wettbewerb, als vielmehr die grundlegende Voraussetzung auf dem Weg zu einer Industrie 4.0-Fertigung. Was trennt nun aber am MES-Markt die Spreu vom Weizen?

Standard trifft Individualprogrammierung

Betrachtet man die Automatisierungsebene, so zeigt sich, dass diese sehr stark von Individuallösungen geprägt ist. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Automatisierer mit ihren (MES-)Systemen eng und nahezu kompromisslos an die Maschinenebene und ihre Anlagen anpassen. Ein modernes MES muss sich jedoch der Verantwortung als zentrale Datendrehscheibe stellen. Es benötigt eine vereinheitlichende Schicht über alle Anlagen – das Credo lautet hier: Standards anstelle individueller Programmierungen. Nur so können Daten zentral erfasst, verwaltet, aufbereitet und beispielsweise an das ERP-System weitergegeben werden.

Hilfreich ist hier vor allem der Einsatz von Technologien wie OPC-UA, zur standardisierten Maschinenkommunikation. Ein übergeordnetes, von der Automatisierungsebene losgelöstes MES, wird durch die Einhaltung von Standards, redundanzfreier Stammdatenhaltung und einem möglichst geringen Aufkommen von Schnittstellen zum zentralen Datendreh- und Angelpunkt für die Fertigung.

Die Wertschöpfungskette im Blick

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, wie ein MES mit der digitalen Transformation entlang der gesamten Wertschöpfungskette umgehen kann. Effizienz ist eine der großen Maximen von Industrie 4.0-Bemühungen. Um diese Effizienz auch wirklich erreichen zu können, muss ein MES-Anbieter über den Tellerrand blicken und Anknüpfungspunkte zu fast allen Unternehmensbereichen finden.

Die effiziente Vereinigung von betriebswirtschaftlichen und maschinennahen Prozessen kann nur von einem Software-System bewältigt werden, das auch zwischen diesen Ebenen agiert – was weder für ein ERP noch für die Automatisierungsebene zutreffend ist. Der Blick eines MES auf die gesamte Wertschöpfungskette hat einen weiteren positiven Effekt zur Folge. Die erfassten Daten bilden die Grundlage für operative Business-Intelligence-Maßnahmen, die dabei helfen können, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu unterstützen und die gewünschte Effizienz damit auf ein neues, ungeahntes Level zu heben.

Fertigungsumgebung und Software im Einklang

Bei und vor der Implementierung eines MES kommt es vor allem auch darauf an, sich einen Partner ins Boot zu holen, der die eigenen Produktionsabläufe versteht und den gesamten Wertschöpfungsprozess in seine Überlegungen miteinbezieht. Um Fertigungsumgebung und Software perfekt in Einklang bringen zu können, benötigt es fundiertes Know-how in beiden Bereichen. Ein Benefit daraus ist, dass der MES-Anbieter schon in der Planungsphase festlegen kann, welche Daten er in welcher Form von der Maschinenebene und den Anlagenbauern beziehungsweise Automatisierern benötigt, um diese mit möglichst wenig Aufwand in sein System integrieren zu können.

Blickt man in Richtung Spitze der Automatisierungspyramide ist es besonders wichtig, saubere Abläufe und eine hohe Qualität im Datentransfer zwischen ERP und MES zu schaffen. Ein kompetenter MES-Anbieter verfügt üblicherweise über bewährte und oftmals auch zertifizierte Standard-Schnittstellen zu allen namhaften ERP-Anbietern.

Der effiziente Einsatz eines MES sollte unabhängig von der restlichen Systemarchitektur sein. Es sollte keine Rolle spielen, welches ERP oder welche Maschinen aktuell im Einsatz sind – ein professioneller MES-Anbieter muss mit ihnen allen kommunizieren und interagieren können. Bei seinen Überlegungen muss er daher einen generellen Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens wahren und zudem ein fundiertes Fachwissen über Fertigungsabläufe besitzen. Nur so kann ein MES seine wahren Stärken ausspielen – als Kernkompetenz.

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