Abbauprozesse unter der Lupe Warum auch bioabbaubare Kunststoffe in großen Mengen der Umwelt schaden

Ein Jahr lang beobachteten Forscher den Abbau biobasierter PBSA-Folien unter aktuellen und künftigen Klimabedingungen. Hier zu sehen sind die Reste nach über 240 Tagen.

Bild: Dr. Witoon Purahong, UFZ
21.09.2021

Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind – klingt zunächst einmal gut. Bodenökologen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung haben nun aber in zwei Studien gezeigt, dass auch Biokunststoffe durchaus problematisch sein können. Das hat im Wesentlichen mit den am Abbauprozess beteiligten Mikroben zu tun.

Kunststoff, der in Böden, Ozeanen oder Binnengewässern landet, schadet dort lebenden Organismen und führt zu teils langfristigen Störungen in Ökosystemen. Ein vermehrter Einsatz biologisch abbaubarer Kunststoffe rückt daher immer mehr in den Fokus von Industrie und Privatpersonen. „Doch trotz ihres positiven Images wissen wir im Grunde noch sehr wenig darüber, wie sie im Boden wirken und wie sie abgebaut werden“, sagt Prof. François Buscot, Bodenökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).

Ein Forscherteam um Buscot ging deshalb in einer kürzlich erschienenen Studie folgenden Fragen nach:

  • Wie schnell wird biologisch abbaubarer Kunststoff abgebaut?

  • Welche Mikroorganismen sind beteiligt und wie interagieren sie?

  • Welche Bedingungen können den Abbauprozess fördern, welche hemmen ihn?

„Zudem wollten wir wissen, wie sich die durch den Klimawandel verändernden Temperaturen oder Niederschlagsmengen auf die Abbaubarkeit der Kunststoffe auswirken“, ergänzt Dr. Witoon Purahong, ebenfalls Bodenökologe am UFZ und Erstautor der Studie.

Tests mit Mulchfolien auf Pflanzenbasis

Um ihre Fragen zu klären, führten die Wissenschaftler Versuche in der Global Change Experimental Facility (GCEF) in Bad Lauchstädt durch, dem derzeit flächenmäßig größten Freiland-Klimaexperiment weltweit. Dort lassen sich die Folgen des Klimawandels auf Landnutzung und Ökosysteme untersuchen. Im Fokus des UFZ-Teams standen Mulchfolien, die in der Landwirtschaft und im Gartenbau zur Abdeckung des Bodens dienen und im Regelfall bislang aus Polyethylen (PE) bestehen.

Technologisch bedingt bleiben oft Reste dieser Folien im Boden zurück und führen mittelfristig zu Verunreinigungen durch Mikroplastik. Ein Umschwenken auf biologisch abbaubare Alternativen wäre hier also grundsätzlich sinnvoll. Doch hat ihr Einsatz vielleicht auch Nebenwirkungen?

Plastikabbau von Klimawandel anscheinend nicht betroffen

Über ein Jahr lang untersuchten die Forscher, wie die auf der Basis von Pflanzen hergestellte Mulchfolie PBSA (Polybutylensuccinat-Co-Adipat) auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche biologisch abgebaut wird. Sie unterschieden dabei zwischen heutigen Klimabedingungen und simulierten auch solche, wie sie für Mitteldeutschland um das Jahr 2070 prognostiziert werden.

Anhand moderner molekularbiologischer Methoden (Next Generation Sequencing) ließ sich dabei ermitteln, welche Mikrobengemeinschaft sich auf dem Kunststoff selbst und im Boden um ihn herum angesiedelt hat. „Wir konnten zeigen, dass bereits nach knapp einem Jahr rund 30 Prozent des PBSA abgebaut waren – das ist unter den klimatischen Bedingungen, wie sie in Deutschland derzeit herrschen, eine ganze Menge“, berichtet Purahong. Die Hauptakteure seien dabei Pilze, die durch eine vielfältige Bakteriengemeinschaft und einige weitere Mikroorganismen unterstützt werden. Darunter sind etwa Bakterien, die die Pilze mit dem im Kunststoff raren Stickstoff beliefern, oder Bakterien und Archaeen, die giftige Abbauprodukte verwerten.

„Auf und um den Kunststoff herum bildet sich eine intelligente Abbau- und Verwertungsgemeinschaft“, veranschaulicht Purahong, „und das tatsächlich auch unter den simulierten zukünftigen Klimabedingungen mit ähnlicher Abbaurate.“ Das veränderte Klima schadet den PBSA-abbauenden Pilzen also offenbar nicht. Die Mikrobengemeinschaft um sie herum ist zwar eine etwas andere, doch das Abbauergebnis ist ähnlich. „Das ist eine wirklich gute Nachricht, mit der wir in der Form nicht gerechnet hätten“, sagt Purahong.

Mehr Biokunststoff, weniger Pilze

In einer weiteren Studie nahmen die UFZ-Forscher die Gemeinschaft der Mikroorganismen unter verschärften Bedingungen unter die Lupe. Sie untersuchten, wie sich die Gemeinschaft verändert, wenn zum einen große Mengen PBSA in den Boden gelangen und zum anderen hohe Konzentrationen Stickstoffdünger ausgebracht werden.

„Durch große Mengen PBSA wird die Mikrobengemeinschaft im Boden tatsächlich eine ganz andere“, sagt Doktorandin Benjawan Tanunchai und Erstautorin der Studie. Bei einer Zunahme von sechs Prozent PBSA im Boden ging die Vielfalt an Pilzarten um 45 Prozent zurück, die der Archaeen um 13 Prozent. Die Düngung der Fläche in Kombination mit einer hohen PBSA-Belastung führte sogar dazu, dass sich mit Fusarium solani ein weit verbreiteter pflanzenschädigender Pilz stark vermehrte.

Eine gute und eine schlechte Nachricht

Aus beiden Studien ergibt sich somit eine gute und eine weniger gute Nachricht: Der Kunststoff PBSA kann im Boden vergleichsweise schnell und auch unter zukünftigen Klimabedingungen effizient abgebaut werden. Kommt er allerdings in großen Mengen und zusammen mit hohen Konzentrationen stickstoffhaltigem Dünger vor, kann sich der PBSA-Abbau aufgrund einer gestörten Mikrobengemeinschaft und dem vermehrten Vorkommen von Schädlingen negativ auf die landwirtschaftliche Produktion auswirken.

„Gelangen große Mengen an Kunststoff in die Umwelt, ist das nie gut – auch nicht, wenn es sich um einen biologisch abbaubaren Kunststoff handelt“, bilanziert Buscot. „Am besten wäre es, wenn wir den Plastikeintrag ganz vermeiden würden. Da das bislang unrealistisch ist, sollten wir deshalb zumindest überall, wo es möglich ist, auf biologisch abbaubare Kunststoffe setzen und unser Wissen in Bezug auf ihre Abbaubarkeit und ihre Folgen erweitern.“

Bildergalerie

  • Versuchsfläche in Bad Lauchstädt: Hier wurden die PBSA-Proben in der Mitte der Parzelle platziert.

    Versuchsfläche in Bad Lauchstädt: Hier wurden die PBSA-Proben in der Mitte der Parzelle platziert.

    Bild: Dr. Witoon Purahong, UFZ

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