Smart Traffic & Mobility Entwicklungspfade für Euro 6c

Neue Zyklen, neues Spiel: Die Anforderungen an die Abgasreinigung steigen.Vergleich NEFZ und CADC: Temperaturprofil und NOx-Rohemissionen

Bild: Umicore
04.08.2014

Steigende Werte für Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen? Schuld sind ein neuer Fahrzyklus und Änderungen bei der Prüfung der Fahrzeugemissionen. Dennoch wachsen die Anforderungen an die Abgasnachbehandlung. Hersteller und Zulieferer verfolgen unterschiedliche Strategien.

Die EU-Abgasgesetzgebung für Pkw sieht ab 2014 eine Reihe von grundlegenden Neuerungen vor. Neben einer deutlichen Absenkung des NOx-Grenzwertes gegenüber Euro 5 von 180 auf 80 mg/km werden neue Messprozeduren vorgesehen. So sollen die Fahrzeugemissionen zusätzlich während realer Straßenfahrten mit mobilen Geräten gemessen werden. Voraussichtlich ab 2017 soll die Einhaltung der Grenzwerte unter realen Fahrbedingungen (RDE, Real Driving Emissions) verbindlich sein (siehe auch Artikel zu RDE in dieser Ausgabe auf Seite 40).

Für diese Messungen während Straßenfahrten sind neue Berechnungsmethoden nötig. Der Hauptgrund liegt in den unterschiedlichen Fahrweisen, mit denen eine definierte Strecke gefahren werden kann. Diese werden durch die persönlichen Eigenschaften des Fahrers selbst, aber auch durch externe Faktoren, wie Witterung, Verkehrsaufkommen und Ampelschaltungen beeinflusst. Aktuell werden zur Datenverarbeitung verschiedene Ansätze diskutiert.

Eine weitere zentrale Fragestellung ist, ob die neuen Grenzwerte gleichermaßen für RDE gelten, oder ob ein Umrechnungsfaktor – der „Compliance Factor“ – eingeführt wird und, falls ja, wie hoch dieser ist. Diese offenen Fragen führen dazu, dass parallel verschiedene Entwicklungspfade verfolgt werden müssen.

Um die aktuellen Euro-6-NOx-Grenzwerte zu erfüllen, haben sich im Pkw zwei Abgasnachbehandlungstechnologien etabliert. Zum einen der NOx-Speicherkatalysator (NSC) [1], der ausschließlich motornah verbaut wird und neben der NOx-Speicherung und -reduktion zusätzlich die Aufgabe hat, Kohlenwasserstoffe (HC) und Kohlenmonoxid (CO) zu Kohlendioxid (CO2) zu oxidieren. Die zweite wichtige Methode der NOx-Reduktion ist der Einsatz von SCR-Katalysatoren. Diese kommen an verschiedenen Positionen zum Einsatz: Auf einem Durchfluss-Substrat im Unterboden hinter einem Vorsystem aus Diesel-Oxidationskatalysator (DOC) und katalytisch beschichtetem Dieselpartikelfilter (cDPF) [2], motornah hinter einem DOC [3] oder, ebenfalls in motornaher Position, als integrierte Lösung auf einem Wandstromfilter [4] hinter einem DOC als sogenannter SDPF. Der SCR reduziert Stickoxide kontinuierlich durch das Einspritzen von Ammoniak in Form einer wässrigen Harnstofflösung (WHL).

Was bedeutet RDE für die Emissionsprüfung?

Aus Sicht der Abgasnachbehandlung unterscheiden sich die Umgebungsbedingungen einer Emissionsmessung bei einer Straßenfahrt vor allem in zwei Punkten vom derzeit für die Zulassung relevanten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf einem Rollenprüfstand. Zum einen ist zu erwarten, dass die Fahrweise von einer deutlich stärkeren Dynamik gekennzeichnet sein wird als das Geschwindigkeitsprofil des NEFZ mit seinen sehr moderaten Beschleunigungen und ausgewiesenen Konstantfahrten. Die Ausprägung der Dynamik wird beeinflusst von der Motorisierung des jeweiligen Fahrzeugs, der Beschaffenheit der Straße und den individuellen Eigenschaften des Fahrers. Starke Beschleunigungen bewirken dabei NOx-Emissionsspitzen, weil die Abgasrückführung bei einem Lastsprung erst mit einer gewissen Verzögerung nachgeregelt werden kann. Zusätzlich kommen äußere Bedingungen wie Witterung, Verkehrsaufkommen und Ampelschaltungen hinzu, die sich negativ auf die Reproduzierbarkeit auswirken.

Der andere wesentliche Unterschied ist die variable Außentemperatur. Diese kann sich, je nach Jahreszeit, deutlich von der Temperatur bei Rollenprüfstandsmessungen unterscheiden. Die derzeitige Gesetzgebung definiert für das Typgenehmigungsverfahren Umgebungstemperaturen in einem Bereich von 20 bis 30 °C für die Emissionsmessung auf dem Rollenprüfstand [5]. Geringere Umgebungstemperaturen bewirken eine Verringerung der Abgas- und Katalysatortemperaturen.

Aus den oben beschriebenen Gründen ist eine vergleichende Bewertung von einzelnen Komponenten oder des gesamten Abgasnachbehandlungssystems unter realen Fahrbedingungen zeitaufwändig und meist schlecht reproduzierbar. Nicht zuletzt ist die Auswertung der gewonnenen Messdaten anspruchsvoll in der Interpretation. Es ist daher naheliegend, im Rahmen der Entwicklungsarbeit existierende Fahrzyklen auf dem Rollenprüfstand zu nutzen, die sich zur Simulation von Straßenfahrten eignen. Ein solcher Fahrzyklus ist unter anderem der „Common Artemis Driving Cycle“ (CADC). Er wurde 2004 im Rahmen des Artemis-Projektes entwickelt.

Bei Untersuchungen im Unternehmen Umicore wurden zwei Serienfahrzeuge der Mittelklasse mit EU6-Zertifizierung auf dem Rollenprüfstand im NEFZ und CADC vermessen. Eines der Fahrzeuge ist mit einem motornahen Stickstoffspeicherkatalysator (NSC), das andere mit einem SCR-System im Unterboden ausgerüstet. Die zeitlichen Anteile der Abgastemperaturen und NOx-Massenströme vor dem NSC und vor dem SCR-System wurden in den beiden Zyklen analysiert. In den kalten Abgastemperaturen im NEFZ erkennt man deutlich die Auswirkungen der vielseitigen Maßnahmen zur Verbrauchsminderung. Im Vergleich dazu verschieben sich im CADC die zeitlichen Anteile aufgrund des größeren Antriebsleistungsbedarfs in Richtung höherer Temperaturen und die Temperaturfenster erstrecken sich über einen breiteren Bereich. Aus Sicht der Abgasnachbehandlung ist das zwar vorteilhaft, jedoch nehmen im CADC auch die Rohemissionen und damit der Reduktionsmittelbedarf oberhalb von 200 °C stark zu.

Systeme für Euro 6c

Die Abgasnachbehandlung für Pkw mit Euro 5 bestand nahezu ausschließlich aus Systemen mit einem oder zwei DOC und einem DPF. Bis auf wenige Ausnahmen entschieden sich die meisten Fahrzeughersteller für rein motorische Maßnahmen zur Einhaltung der NOx-Grenzwerte. Mit der Serienentwicklung für Euro 6b nimmt Komplexität der Abgaskonzepte deutlich zu. Nun ist in nahezu allen Fahrzeugsegmenten eine NOx-Nachbehandlung zur Einhaltung der Grenzwerte nötig.

Wie bereits beschrieben, ist die Einführung von Euro 6c mit der Herausforderung verbunden, Abgassysteme mit einer hohen Leistungsfähigkeit in einem weiten Temperaturbereich zu implementieren. Die weitere Verbesserung durch Forschung und Entwicklung auf der Materialseite ist dabei eine wichtige Säule. Auf der Systemseite liegt ein naheliegender Ansatz in der Kombination der NSC- und SCR-Technologien. Heutige NSC-Systeme könnten durch zusätzliche aktive oder passive SCR ergänzt, SCR-Systeme durch den Austausch des DOC durch einen NSC aufgerüstet werden.

Der Ersatz des DOC durch einen NSC ist eine wirkungsvolle Möglichkeit, die NOx-Konvertierung in einem SDPF- oder SCR-System im Tieftemperaturbereich zu verstärken. Der Kraftstoffverbrauch steigt zwar durch die nun nötige NSC-Regenerierung leicht an, im Gegenzug muss aber weniger Harnstofflösung dosiert werden, weil geringere Mengen an NOx durch den SDPF oder SCR umgesetzt werden. Durch die NSC-Regenerationen steigen auch die HC- und CO-Roh­emissionen an. Dies kann jedoch durch das ausgezeichnete HC- und CO-Anspringverhalten aktueller NSC-Technologien beherrscht werden.

Die Kombination eines motornahen NSC und mit einem aktiven SCR bietet ein sehr hohes NOx-Reduktionspotenzial, wenngleich dieses System hinsichtlich der Integration und Applikation einen relativ großen Aufwand darstellt. Man verfolgt mit diesem Konzept das Ziel, die Entstickung so weit wie möglich unabhängig von Motorlast- und Abgastemperatur zu gestalten. Bei geringen Temperaturen, zum Beispiel nach einem Kaltstart und bei geringen Motorlasten im Stadtbetrieb, kann die NOx-Minderung am besten durch den motornah platzierten NSC erfolgen. Bei höheren Abgastemperaturen kann der NSC als reiner DOC, also ohne Regeneration betrieben werden; die Entstickung erfolgt nur durch den SCR bei optimalen Bedingungen. Durch diese Betriebsweise lässt sich auch der Verbrauch der Harnstofflösung vermindern. Bei Bedarf ließen sich natürlich auch NSC und SCR parallel betreiben, um die maximale NOx-Minderung zu erreichen.

Bei Untersuchungen wurde ein DOC-SDPF-System einem NSC-SDPF-System im WLTC-Zyklus gegenübergestellt. Anzumerken ist, dass der NSC hier so betrieben (regeneriert) wird, als sei kein aktives SCR-System nachgeschaltet. Dabei zeigte sich der deutliche Vorteil des Einsatzes eines NSC. Die gesamte Umsatzrate stieg deutlich an, wobei der NSC etwa die Hälfte der NOx-Rohemissionen umsetzt und der nachfolgende SDPF weitere 25 Prozent. Die gesamte NOx-Umsatzrate steigt auf etwa 75 Prozent.

Eine Vielzahl der EU6-Fahrzeuge ist mit dem bereits beschriebenen motornahen NSC-cDPF-System ausgerüstet, das seine Stärken besonders im innerstädtischen Bereich zeigt. Bei der NSC-Regeneration entsteht auch Ammoniak, ein nicht erwünschtes Reaktionsprodukt. Durch Erweitern des Systems um eine nachgelagerte SCR-Komponente macht man sich die Ammoniakbildung des NSC zunutze, um den NOx-System­umsatz zu erhöhen. Die Ammoniakbildung über den NSC und die Abgastemperatur an der entsprechenden Position sind dann die limitierenden Faktoren. Der klare Vorteil liegt in der passiven Nutzung des SCR-Bausteins ohne zusätzliche Sensoren, Injektoren, Mischer oder Tank. Bei höheren NOx-Massenströmen und Temperaturen im außerstädtischen Betrieb muss der NSC entsprechend häufiger regeneriert werden, um eine gute NOx-Gesamtkonvertierung zu gewährleisten. Durch die häufigeren Regenerationen steigt das Ammoniakangebot für den SCR, mit der Folge, dass sich sein Beitrag zum NOx-Umsatz erhöht. Bei gleicher Regenerationsstrategie, also kraftstoffneutral, kann der NOx-Umsatz unter CADC-Bedingungen um 30 Prozent gesteigert werden.

Neue Katalysatoren notwendig

Die aktuell diskutierte Verschärfung der Flottenverbrauchsgrenzwerte wird in Verbesserungen des Motor- und Antriebsstrang-Wirkungsgrades sowie in die Reduktion von Fahrwiderständen münden. Daraus werden sinkende Abgastemperaturen resultieren. Die Lastkollektive des Verbrennungsmotors (Drehmoment und Drehzahl) bei RDE-Messungen erstrecken sich über einen, im Vergleich zum NEFZ, weitaus größeren Teil des Kennfeldes. Es werden Katalysatorsysteme benötigt, die hohe Umsätze über einen weiten Temperaturbereich ermöglichen und gleichzeitig durch minimalen Gegendruck zur Erreichung der CO2-Ziele beitragen. Die Nachbehandlung darf dabei der Forderung nach Verbrauchsminderung nicht im Wege stehen. Ferner werden motorseitig Maßnahmen nötig sein, die die Rohemissionen im gesamten Motorkennfeld senken, um die Grenzwerte zu erfüllen. Dabei werden die beiden heute bereits etablierten Technologien, SCR und NSC, unverzichtbar sein und in unterschiedlichen Ausprägungen und Kombinationen, je nach Fahrzeugklasse, zum Einsatz kommen.

Weitere Informationen

[1] Rohr, F. et al.: New efficient NOx-storage catalyst systems for the Euro 6 launch of the BMW330d. 17. Aachener Kolloquium, 2008

[2] Braun, T. et al.: Challenges for future emission control technologies of Diesel engines in vehicles in tension between legislation and customer benefits. Konferenz 6th Emission Control, Dresden, 2012

[3] PSA (Hrsg.): Qualité de l’air. Pressemappe, April 2013

[4] Lörch, H., et al.: The New EU6 R4 and V6 TDI Engines from Volkswagen and Audi: Integration of SCR Functionality in a Close-Coupled Diesel Particulate Filter. 22. Aachener Kolloquium, 2013

[5] United Nations ECE Regulation No. 83, Revision 4: Uniform provisions concerning the approval of vehicles with regard to the emission of pollutants according to engine fuel requirements, 26. April 2011

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