Smart Traffic & Mobility Den Motor mechanisch aufladen

11.09.2013

Um CO 2 -Emissionen von Fahrzeugen weiter zu reduzieren, legen Automobilhersteller ihre Motoren kleiner aus. Das sogenannte Downsizing ist allerdings ohne Motoraufladung kaum vorstellbar. Bei den kleinen Motoraggregaten kann gerade die mechanische Aufladung dafür sorgen, die Fahrbarkeit und das Ansprechverhalten zu optimieren.

Moderne Motoren sind ohne Aufladung heute kaum noch denkbar. Mehr Luft und damit mehr Sauerstoff wird in den Verbrennungsmotor geleitet und dessen Leistung so deutlich gesteigert. Fahrzeughersteller erreichen dadurch mit kleineren Motoren dieselbe Leistung und können die Ziele der Automobilindustrie für Emissionsausstoß und Kraftstoffeffizienz erfüllen. In Europa ist der Turbolader das Aufladesystem mit der stärksten Verbreitung. Kompressoren kämpfen dagegen mit dem Image einer veralteten Technologie zur reinen Leistungsmaximierung, die dem Motor unnötig Energie abzieht - zu Unrecht. Denn deutlich verbesserte Wirkungsgrade haben den Kompressor inzwischen zu einer ernstzunehmenden Alternative werden lassen. Eaton, Hersteller von Kompressor-Technik, beobachtet in diesem Zusammenhang eine steigende Nachfrage nach mechanischen Ladern.

Turbolader versus Kompressor

Kompressor und Turbolader erfüllen den gleichen Zweck. Sie führen dem Motor mehr Luft zu, der dadurch mehr Drehmoment und Leistung liefert. Beide Systeme haben durch ihre unterschiedliche Antriebsart jedoch spezifische Vor- und Nachteile. Während der Abgasturbolader (ATL) das Abgas als Antriebsenergie nutzt, wird der Kompressor direkt durch einen Riemen vom Motor angetrieben. Aus energetischer Sicht ist Abgas als Antriebsenergie sehr sinnvoll. Bei näherer Betrachtung ist allerdings nicht die gesamte Abgasenergie - wie häufig behauptet - frei verfügbar. Der Motor muss den erhöhten Gegendruck ausgleichen und das kostet Energie. Lediglich die für den ATL ebenfalls benötigte thermische Energie wird quasi kostenlos geliefert. Abgas zur Antriebsunterstützung ist daher sowohl die größte Stärke als auch die größte Schwäche des Turbos. Ist die Abgastemperatur niedrig, spricht der Motor nicht sofort an und der Fahrer spürt das sogenannte Turboloch. Der Kompressor ist mit seinem mechanischen Antrieb dagegen unabhängig von Faktoren wie Abgasdruck und -temperatur. Er kann die Luft sehr gleichmäßig fördern und stellt sie dem Motor unmittelbar zur Verfügung. So bleiben auch Downsizing-Motoren gut fahrbar, und der Fahrer spürt das direkte Ansprechverhalten durch den unmittelbar vorhandenen Ladedruck. Durch die sofortige Versorgung mit zusätzlicher Luft, sorgt der Kompressor auch im niedrigen Drehzahlenbereich für eine Leistungssteigerung des Motors. Das sogenannte Downspeeding hilft wiederum den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Weitere Vorteile der Kompressortechnologie sind beim Einsatz in modernen Motoren mit Start-Stopp-Systemen, bei Hybridfahrzeugen und Range-Extendern erkennbar. Um hier die Turboaufladung nutzen zu können, bedarf es Maßnahmen, um ausreichend hohe Abgastemperaturen zu erhalten. Insbesondere bei häufigen Start-Stopp-Zyklen wirkt sich das negativ auf das Einhalten von Emissionsgrenzwerten aus. Generell werden bei modernen, emissionsarmen Motoren niedrige Abgastemperaturen angestrebt. Um hier das für Katalysator und Abgasreinigung notwendige Temperaturfenster einhalten zu können, eröffnet der Einsatz eines Kompressors neue Freiräume, da dieser dem Abgas nicht die benötigte Wärmeenergie entzieht. Ein weiterer Vorteil ist die harmonische Luftförderung während der Aufheizphasen - hier haben Motorversuche gezeigt, dass die Partikel und Stickoxidemissionen um bis zu 50 Prozent gesenkt werden können. Der Kompressor kann somit einen bedeutenden Beitrag zum Einhalten heutiger und zukünftiger Emissionsgrenzen liefern.

Mechanische Aufladung im Detail

Der Kompressor basiert auf dem Roots-Prinzip: Ein Roots-Gebläse ist ein Drehkolbenlader, der pro Umdrehung eine bestimmte Luftmenge transportiert. Die Luft wird zwischen den Flügeln der beiden ineinander greifenden Rotoren und dem Gehäuse eingeschlossen. Entscheidend ist, dass der Verbrennungsmotor für die Verwendung eines Kompressors angepasst wird. Um bestmögliche Ergebnisse bei Kraftstoff- und Emissionsreduzierung zu erzielen, wird der mechanische Lader bereits in die Konzeptphase des Motors miteinbezogen und beide Systeme aufeinander abgestimmt. Dies sorgt dafür, dass der Kompressor - entgegen der herkömmlichen Annahme - nur so wenig Energie vom Motor abzieht, dass sich diese auf rein mechanische Verluste beschränkt. Der Wirkungsgrad des mechanischen Laders kann mit der Anzahl der Rotor-Flügel und ihrer Verdrillungswinkel verändert werden. Eaton hat zwei verschiedene Kompressor-Varianten im Portfolio. Der TVS verfügt über um 160 Grad gedrehte Vierflügel-Rotoren. Der vierte Flügel und der veränderte Winkel erzeugen in Verbindung mit den neu ausgeführten Ansaug- und Auslasskanälen einen gleichmäßigeren und sehr effektiven Luftstrom in den Motor. Darüber hinaus sorgt die Technologie für verbesserte Geräusch- und Schwingungseigenschaften. Neuestes Entwicklungsmodell ist die TVS-V-Baureihe. Sie wird aus zwei Rotoren mit drei Flügeln bestehen, die jeweils um 90 Grad verdrillt sind. Mit dieser Auslegung wird die Leistung im unteren Drehzahlbereich verbessert. Die TVS-V-Baureihe eignet sich damit für den Einsatz in sequentiell mehrstufigen Aufladesystemen, bei denen sowohl der Kompressor als auch der Turbolader zum Einsatz kommen. Mit diesen mehrstufigen Systemen lassen sich Kraftstoffverbrauch und Emissionsausstoß sowohl in Benzin- als auch in Dieselmotoren von Pkw und Nutzfahrzeugen weiter verringern.

Kombination von Kompressor und Turbolader

Bei der mehrstufigen Aufladung ergänzen sich die beiden unterschiedlichen Auflade-Technologien. Der Kompressor übernimmt dabei in der Regel den Aufbau des gewünschten Drehmoments im unteren Drehzahlenbereich - also genau dann, wenn die Abgasenergie den Turbolader noch nicht ausreichend antreiben kann. Bei mittleren Motordrehzahlen sorgen dann beide Systeme gemeinsam für den Aufbau des Ladedrucks, während im hohen Drehzahlbereich meist der Turbolader ausschließlich zum Einsatz kommt. Der Kompressor kann mithilfe einer Kupplung von der Kurbelwelle abgekoppelt und bei Bedarf wieder dazu geschaltet werden. Für die Kombination von Kompressor und Turbolader gibt es zwei verschiedene Anordnungen: Kompressor-Turbolader oder Turbolader-Kompressor. Die Wahl der richtigen Variante hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab wie der Auslegung beider Aufladesysteme und der spezifischen Motorgestaltung. Beide Anordnungen verfügen über Vor- und Nachteile. So erzielt die Kompressor-Turbolader-Variante einen höheren Gesamtdruck, während die Turbolader-Kompressor-Anordnung Vorteile bei Akustik und Abgasrückführung bietet. Ein aktuelles Beispiel für die mehrstufige Aufladung ist der 1,4-Liter-Vierzylinder TSI Twincharger von Volkswagen. Der VW-Twincharger kombiniert einen Gen-V-Kompressor von Eaton mit einem einstufigen Turbolader und erhöht auf diese Weise PS und Drehzahl bei gleichzeitigem Senken des Kraftstoffverbrauchs. Der Motor wird im Golf, Jetta, Scirocco, Touran, Tiguan und dem Seat Ibiza Cupra eingesetzt und hat mehrere internationale Auszeichnungen erhalten, darunter wiederholt „International Engine of the Year“.

Erhöhte Nachfrage

Die mechanische Aufladung ist eine effiziente Alternative zum Turbolader, die Kraftstoffverbrauch und Emissionsausstoß deutlich reduzieren kann und somit Motor-Downsizing und -speeding ermöglicht. Eaton geht daher von einer erhöhten Nachfrage nach seinen Kompressoren aus und hat bereits seine Produktionsvolumina erhöht sowie den Aufbau einer Forschungs- und Entwicklungseinrichtung für Kompressoren in Rastatt bei Baden-Baden begonnen. Ziel ist es, in Zukunft auch den Auflademarkt bei Dieselmotoren zu bedienen, bei denen heute noch ausschließlich Turbolader verwendet werden. Dafür wird derzeit ein Diesel-Supercharger entwickelt.

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