Smart Traffic & Mobility Composites für den Leichtbau

11.09.2013

Automobiler Leichtbau ist ein wichtiges Thema, wenn es um Ressourcenschonung rund ums Fahren geht. Mit bekannten faserverstärkten Thermoplast-Werkstoffen wie Polyamid und PBT, die als Granulat im Spritzguss verarbeitet werden, sind inzwischen jedoch erste Grenzen erreicht. Composites, also thermoplastische Verbundwerkstoffe wie Laminate und Tapes, bieten neue Zugänge.

Mit Fasern verstärkte thermoplastische Werkstoffe haben einen sehr großen Anteil am modernen Leichtbau. Mit ihrer Hilfe konnten zahllose, ehemals metallische Bauteile im Großserienmaßstab durch ebenso leistungsfähige Kunststoffbauteile ersetzt werden. Speziell für die hohen thermischen Belastungen, denen ein Kunststoff rund um die Abgasrückführung ausgesetzt ist, gibt es beispielsweise von BASF das mit kurzen Glasfasern verstärkte Ultramid Endure, das hitzebeständigste auf Polyamid basierende Spritzgussmaterial, das zurzeit auf dem Markt verfügbar ist. Mittlerweile hat das Unternehmen auch eine Blasformtype von Ultramid Endure im Sortiment, mit der sich im Blasformverfahren Rohre für den Ladeluftbereich im Fahrzeug herstellen lassen. Allerdings sind die Grenzen für solche kurz- oder langfaserverstärkten technischen Thermoplaste wie Polyamid schon in Sicht. Die größte Herausforderung beim Leichtbau mit faserverstärkten Kunststoffen besteht darin, großflächige Karosseriebauteile wie Türen, Dachmodule oder Heckklappen und Strukturbauteile wie B-Säule, Schweller oder Unterboden mit der geforderten mechanischen Leistungsfähigkeit großserienfähig, also schnell und kostengünstig herzustellen. Mit Endlosfaserverstärkung von spritzgegossenen Strukturen, also mit thermoplastischen Verbundwerkstoffen (Composites), kann dies gelingen.

Laminat- und Tape-Halbzeuge

So umfasst beispielsweise Ultracom von BASF ein Paket aus drei Komponenten: endlosfaserverstärkte Halbzeuge, angepasste Spritzgießmassen und die notwendige Unterstützung beim Engineering. Die Neuheit sind dabei die Halbzeuge, also Laminate aus Fasergeweben und -gelegen und unidirektionale Tapes. Zudem beinhaltet das Paket die individuell auf diese Laminate abgestimmten Umspritz-Materialien aus dem Polyamid- und PBT-Sortiment. Mit ihrer Hilfe lassen sich im Spritzguss zusammen mit den Laminaten und Tapes komplexe Bauteile fertigen, die an genau definierten Stellen über eine sehr hohe mechanische Verstärkung durch Endlosfasern verfügen und die durch das Umspritzen gleichzeitig spezifisch funktionalisiert werden können.

Optimierte Prozesse

Um zusammen mit dem Kunden Erfahrungen zu sammeln, wird des Weiteren ein umfangreicher Service für die Anwendungsentwicklung angeboten. Dazu gehört nicht nur die Unterstützung bei der Auslegung am Computer mithilfe des Simulationsinstruments Ultrasim, sondern ebenso die Betreuung bei der Werkstoffverarbeitung und Bauteilherstellung. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen seinen Maschinenpark um eine serienfertigungsnahe Spritzgieß-Pilotanlage mit automatisierter Laminat-Zuführung erweitert. Seit März 2013 stellt BASF in dieser Fertigungsanlage multifunktionale Composite-Testkörper nach dem Inmold-Forming-Overmolding-Verfahren her und gewinnt so die Expertise, um Kunden bei der Bauteilentwicklung unterstützen zu können. Dieses Verfahren ist eines der erfolgversprechendsten für die Fertigung von Strukturbauteilen aus Laminaten und Spritzgießmassen. Der Prozessablauf in der neuen Composite-Fertigungszelle mit ihrem zentralen Sechsachs-Roboter ist stark parallelisiert und die Zykluszeit daher kurz (Abbildung oben). Zu diesem Zweck werden für die Laminat-Positionierung in der Zelle drei Spannrahmen gleichzeitig genutzt. In umfangreichen Versuchen wurde nachgewiesen, dass sich mit dieser Fertigungszelle Zykluszeiten von einer Minute erreichen lassen, die einem Standard-Spritzgießprozess entsprechen. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz des Verfahrens in der Großserie erfüllt.

Composite-Auslegung mit Simulationswerkzeug

Auch das Simulationswerkzeug wurde so erweitert, dass sich das Verhalten von Bauteilen aus thermoplastischen Laminaten mit Glasfasergewebe oder Tapes und umspritztem, kurzglasfasergefülltem Polyamid rechnerisch durch Methoden der integrativen Simulation zuverlässig vorhersagen lässt. Dieses Engineering ist nicht, wie in bisherigen Leichtbauprojekten, nur eine Option, die sich bei Bedarf nutzen lässt: Sie ist essentieller Bestandteil für alle Kundenprojekte. Ohne die Möglichkeit, die Verbundwerkstoffe und die daraus gefertigten Bauteile vor ihrer Herstellung zu optimieren und sie ebenso gut wie klassische kurz- und langfaserverstärkte Thermoplaste numerisch per integrativer Simulation zu beschreiben sowie am Computer auslegen zu können, wird der Markteintritt auf breiter Basis nur schwer gelingen.

Produktion automatisieren

Die größte technologische Hürde ist zurzeit die Entwicklung und Umsetzung von hochautomatisierten und robusten Prozesstechnologien mit allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette und daraus resultierend eine Absenkung der Prozesskosten. Noch sind weder Spritzgießmaschinen noch Werkzeuge, weder Fixierautomaten noch Heizstationen als durchgängige Systeme von der Stange zu haben oder aufeinander abgestimmt. Wenn sie zur Verfügung stehen, lässt sich mit endlosfaserverstärkten thermoplastischen Verbundbauteilen in naher Zukunft die bestmögliche Kombination aus Gewichtsverminderung, Kosteneffizienz und Leistungsfähigkeit für Bauteile in der Karosserie und im Chassis erreichen. In den nächsten drei Jahre möchte sich BASF daher zusammen mit den Kunden in der Automobilbranche fertige Großserienkonzepte für endlosfaserverstärkte thermoplastische Verbundbauteile in Karosserie und Chassis entwickeln. Alle Industriepartner müssen hier gemeinsam Knowhow aufbauen, um die Materialien, die Verarbeitungstechnologie und den Markt zusammenzuführen.

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