Wirtschaftlicher Schaden für Deutschland Hohe Gas- und Strompreise: Gefahr für Wirtschaftsstandort Deutschland

Damit Deutschland international nicht abgehängt wird, ist eine konsequente Handlung der Regierung notwendig.

Bild: iStock, Vladimir Zapletin
20.09.2022

Hohe Energiepreise nagen schon seit Längerem an der Industrie, nun kommen auch noch gestiegene Gaspreise, Inflation und Lieferkettenprobleme dazu. All diese Signale deuten in eine negative Richtung, welcher schnell entgegengesteuert werden muss.

Der VIK (Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft) sieht die wirtschaftliche Entwicklung mit größter Sorge. Neben der Sicherheit der Gasversorgung im Herbst und Winter 2022/23 belasten die schon seit einem Jahr bemerkenswert hohen Energiepreise Industrie und industriellen Mittelstand in einer Weise, die jetzt die Substanz des Standorts Deutschland angreift.

Immer schneller um sich greifende Stilllegungen und Kürzungen der Produktion sowie in der Folge Knappheiten von bestimmten Stoffen sind Alarmsignale, die rasches Gegensteuern erfordern. Sogenannte „Gaseinsparungen“ im Industriebereich sind oft nur ein Zeichen dieser Entwicklung. Gemeinsam mit hoher Inflation und Lieferkettenproblemen entwickelt sich ein gefährlicher „perfekter Sturm“, der langfristige Schäden am wirtschaftlichen Potential Deutschlands verursachen könnte.

„Diese Belastungen schädigen den industriellen Kern unserer Volkswirtschaft nachhaltig. Wir raten der Politik dringend zu entschiedenem Handeln, damit der Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa international nicht vollkommen abgehängt wird“, sagt Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK. Seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine hat die Bundesregierung in teils sehr kurzer Frist Maßnahmen in die Wege geleitet, um die Versorgungssicherheit mit Erdgas und Strom zu gewährleisten. Dieses Handeln erkennen wir an. Die Anstrengungen reichen aber nicht aus. Deutschland hat ein Gas- und ein Stromproblem. Neben hohen Preisen drohen im Winter „Brown Outs“, also Abschaltungen der Stromversorgung, wenn nicht entschiedener gegengesteuert wird.

Alle Potentiale im Strommarkt mobilisieren und Erdgas einsparen

Der VIK fordert seit März 2022, dass „Kohlekraftwerke aus den Reserven und Bereitschaften befristet für die Dauer der Krise aktiviert werden. Weitere Stilllegungen konventioneller Kapazitäten sind zu überprüfen, gegebenenfalls Wiederinbetriebnahmen ins Auge zu fassen.“ Bedauerlicherweise wurden die Wiederinbetriebnahmen durch teils sehr hohe Hürden (zum Beispiel Kohlevorrat für 30 Tage erforderlich, enge Befristung der maximal erlaubten Betriebsperiode) nicht immer befördert.

In Bezug auf regelbare, gesicherte Stromerzeugungskapazität fordert der VIK erneut von der Bundesregierung die Grundlagen zu schaffen, dass alle verfügbaren Kapazitäten in den Markt zurückkehren oder im Markt verbleiben können. Vor dem nahenden Winter muss die Devise gelten: „Whatever it takes!“ Zugleich ist die reine Verstromung von Erdgas durch geeignete Maßnahmen endlich auf das absolut nötige Mindestmaß zu reduzieren. Seyfert fügt hinzu: „Wenn jede Kilowattstunde zählt, können wir es uns nicht erlauben, weiter in dem aktuellen Ausmaß Erdgas allein für die Stromerzeugung zu verbrennen.“

Keine neuen Belastungen

Die Gasumlage soll Importeure und Lieferanten von Erdgas schützen. Dieses Ziel unterstützen wir. Der nun gewählte Weg verlagert das Problem der sprunghaft gestiegenen Preise aber lediglich in die industriellen Wertschöpfungsketten. Viele Unternehmen, die bereits unter den hohen Energiepreisen leiden, können diese Belastungen nicht weitergeben. Mit der kurzfristig nachgeschobenen Mehrwertsteuersenkung werden zudem im Wesentlichen nur private Endverbraucher entlastet.

Der VIK fordert daher zum Schutz von Importeuren und Lieferanten von Erdgas zunächst die Mobilisierung von alternativen Finanzierungsquellen und die entsprechende, spürbare Reduzierung der Gasumlage auf das Mindestmaß. Geeignet wären zum Beispiel sogenannte „Windfall Profits“ von Energieerzeugern, staatliche Steuermehreinnahmen durch die hohen Energiepreise oder das hohe Guthaben auf dem EEG-Konto von allein derzeit 17 Milliarden Euro.

Zudem fordert der VIK die Aussetzung der sogenannten 7.000-Stunden-Regel für die Netzentgelte, die viele Unternehmen durch die erzwungenen Produktionsminderungen 2022 nicht erfüllen können. Mehraufwendungen entstehen dem Staat hierdurch nicht, für Unternehmen droht allerdings eine empfindliche neue Belastung.

Weiter Unklarheit zu drohender Gasmangellage für Unternehmen

Auch mehr als ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn ist immer noch unklar, was eine Gasmangellage für die deutsche Wirtschaft bedeutet. Bereits im Juli 2022 hat der VIK hierzu Hinweise gegeben, die wir hiermit bekräftigen. Außerdem muss endlich hinsichtlich der Ergebnisse der großen Unternehmensumfrage der Bundesnetzagentur zu diesem Thema Klarheit und Transparenz geschaffen werden. Es ist unverständlich, warum es hier immer noch keine Informationen gibt.

Deutschland befindet sich einer Phase, in der kurzfristig alles getan werden muss, um die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie zu gewährleisten. Das dient auch dem langfristigen Ziel der industriellen Transformation zur Klimaneutralität, das selbstverständlich gültig bleibt, und nicht zuletzt dem Erhalt von Wohlstand und sozialem Zusammenhalt. Allen drei Zielen fühlen wir uns uneingeschränkt verpflichtet.

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