Viele Jahre lang war es um Wasserstoff verdächtig ruhig. Erst durch die Power-to-Gas-Debatte, die vor knapp fünf Jahren einsetzte und die bis heute mehr und mehr Raum einnimmt, erlebt die Wasserstoff-Thematik neuen Aufschwung. Und zwar in erster Linie als Speichermedium für Wind- und Sonnenstrom, weniger als Kraftstoff für eine klimafreundlichere Mobilität.
Projekte mit Zukunft
Enertrag, Stromlückenfüller Reußenköge, Audi, Etogas, Landwirtschaftszentrum am Eichhof, Hypos und Sunfire Power to Liquids – so heißen einige der innovativen Power-to-Gas-Akteure. Auch der Energiekonzern Eon, der seine fossile Vergangenheit abstreifen möchte, engagiert sich auf diesem Terrain. In Reitbrook, am südöstlichen Stadtrand von Hamburg, nimmt das Unternehmen demnächst einen PEM-Elektrolyseur mit einer Leistung von einem Megawatt in Betrieb (siehe auch Seite 48).
Bettina Donges von der Eon Unternehmenskommunikation ist optimistisch: „Gespräche mit namhaften Herstellern haben ergeben, dass auch Größen im zweistelligen Megawatt-Bereich technisch kurzfristig möglich sind. Die notwendige Wirtschaftlichkeit ist allerdings von der Anwendung abhängig, wobei Power-to-Gas viele Möglichkeiten bietet.“ Im Hinblick auf die Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz geht der Konzern davon aus, dass ein Wasserstoffgehalt im Erdgas im einstelligen Prozentbereich unkritisch ist, wenn technische Restriktionen nachgelagerter Anlagen, wie Erdgastankstellen oder Erdgasspeicher, eingehalten und beachtet werden.
Derweil ist auch in den Reihen der Wind- und Solarindustrie klar, dass die Energiewende ohne Großspeicher nicht funktionieren wird. Viele Unternehmen der erneuerbaren Energieerzeugung verfolgen deshalb aufmerksam, was sich in der Forschungslandschaft tut und welche neuen, marktfähigen Speichertechnologien auf den Markt drängen werden. Umso aufmerksamer war man, als im Herbst 2014 plötzlich die Nachricht „Toyota produziert erstes Wasserstoffauto in Serie“ durch die Medien ging.
Kann Wasserstoff nun doch als ein Standardkraftstoff für eine umweltfreundliche Mobilität von morgen dienen? Erlebt diese schon seit langem von vielen Energieexperten favorisierte Antriebstechnologie nach Jahren des vermeintlichen Stillstandes jetzt, in Zeiten von Fracking und fallenden Ölpreisen, einen Durchbruch? Dr. Ulrich Bünger von der Münchner Ludwig-Bölkow-Systemtechnik, die sich als Beratungsunternehmen mit nachhaltiger Energieversorgung und Mobilität beschäftigt, ist fest davon überzeugt, dass hinter den Kulissen die Automobilhersteller derzeit die Wasserstoffthematik intensiv diskutieren.
„Die Vorgaben der EU, die klimaschädigenden Ausstöße im Mobilitätssektor weiter drastisch zu senken, zwingen die Hersteller zum Handeln“, meint der Wasserstoffexperte. Die angepeilten Emissionswerte seien ohne die Elektromobilität mittel- und langfristig nicht einzuhalten. Dabei begreift Bünger den Wasserstoffantrieb nicht konträr zur Elektromobilität, sondern sieht die Brennstoffzelle an Bord eines Fahrzeugs als integralen Bestandteil einer Elektrifizierung. Ohnehin gilt die Brennstoffzelle gemeinhin als der am besten erforschte alternative Antrieb. Im Übrigen sei Wasserstoff, so Bünger, nicht gefährlicher, als jeder andere Kraftstoff auch.
Stromerzeugende Heizungen
Bünger identifiziert auch in privaten Haushalten große Marktpotenziale für den Einsatz von Brennstoffzellen: Brennstoffzellen in einer Größenordnung von 0,5 bis 1 kW Leistung wären für ihn eine „wunderbare Ergänzung“ im stromgeführten Wärmebereich. Allerdings werde diese Technologie derzeit noch von japanischen Anbietern beherrscht, weil es der hiesigen überwiegend mittelständisch strukturierten Wärmebranche in der Vergangenheit nicht gelang, ihre Kräfte zu bündeln, um die enormen Entwicklungskosten für die Markteinführung einer solchen neuen Technologie bewältigen zu können.
Tatsächlich haben die Japaner, allen voran die Unternehmen Toshiba und Panasonic, im Segment der stationären Brennstoffzellenheizgeräte gegenwärtig die Nase vorne. In Japan gibt es mittlerweile schon 80.000 Geräte in Privathaushalten, die diese mit Strom und Wärme versorgen.
Auch deutsche Heizungsbaufirmen wie Buderus, Bosch Thermotechnik, Vaillant oder Viessmann sehen diese Technologie positiv. „Stromerzeugende Heizungen wie Brennstoffzellenheizgeräte lassen sich hervorragend in zukunftsfähige Systeme einbinden“, bekundet beispielsweise Andreas Rembold vom Hersteller Bosch Thermotechnik, der mit seinem Vorserienmodell Carpower FC10 am europäischen Mikro-Brennstoffzellen-Demonstrationsprojekt „ene.field“ teilnimmt.
Aber unabhängig davon, welche Modelle mit welchen Herstellern sich am Ende durchsetzen werden oder ob doch Batteriesysteme und Wärmepumpen die häusliche Energieversorgung in Zukunft dominieren werden, sicher ist eines: Die Forschungsbemühungen in Deutschland auf dem Gebiet der Wasserstofftechnologien sind weiterhin ungebrochen hoch. Wissenschaftler am Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung etwa arbeiten seit Jahren an Festoxid-Brennstoffzellen. So gibt es einen Langzeitversuch mit einer Festoxid-Brennstoffzelle, die schon seit sieben Jahren ohne Unterbrechung Energie erzeugt.
Ob dies nun wirklich Weltrekord ist, wie die Jülicher vorgeben, ist nicht wichtig, dafür aber die Botschaft, die im Langlaufversuch steckt: Die Brennstoffzelle ist technisch reif für die praktische Anwendung. „Zellen dieses Typs könnten in Blockheizkraftwerken etwa private Haushalte oder auch industrielle Betriebe mit Strom und Wärme versorgen“, schreibt die KlimaExpo.NRW und sieht darin einen „Fortschrittsmotor des Klimaschutzes“.
Wasserstoff und die Energiewende
Neben der Produktion von Wasserstoff (H2) gewinnt die anschließende Aufbereitung zu Methan (CH4) weiter an Bedeutung. Obwohl dies momentan noch unwirtschaftlich zu sein scheint, beschäftigen sich Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) seit längerem mit Effizienzsteigerungen bei der Umwandlung von Strom in Gas.
„Im Erdgasnetz stecken Speicherkapazitäten, die Strommengen aus mehreren Monaten Wind- und Sonnenstrom entsprechen“, unterstreicht Dimosthenis Trimis vom KIT den Vorteil bei der Methanerzeugung. Er koordinierte das von der EU geförderte Projekt Helmeth, bei dem mittels Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt und der Wasserstoff wiederum mit Kohlendioxid oder Kohlenmonoxid zu Methan umgewandelt wurde, um es problemlos in die bestehende Erdgasinfrastruktur einspeisen zu können. „Elektrolyse und Methanisierung betrachtet man bisher oft nur getrennt“, richtet Trimis deshalb den Fokus auf das Zusammenwachsen dieser Technologien. Darin liegen aus seiner Sicht große Chancen: So gebe es große Potenziale in der Nutzung der Prozesswärme aus der Methanisierung, um den Wärmebedarf bei der Elektrolyse zu decken.
Am Ende wird Wasserstoff kommen. Die Frage ist nur, wie grün dieses Medium – ganzheitlich betrachtet – sein wird. Darüber werden die gewählten Standorte und die Betriebsarten der Elektrolyseure entscheiden, sagt der Physiker Frank Merten, Projektleiter beim Wuppertal Institut. Standorte jenseits der Netzengpässe werden allerdings kaum zu einer verringerten Abregelung von Windenergieanlagen und damit zu einer besseren Integration von Strom aus erneuerbaren Quellen beitragen, so Merten. „Hohe Laufzeiten sind zwar wirtschaftlich wichtig, bedeuten aber auch, dass der Wasserstoff eben auch aus Grau- oder Kohlestrom erzeugt werden würde.“
Dennoch: Mit den ersten Elektrolyseuren und deren Wasserstoffproduktion ist ein wichtiger Brückenschlag zwischen grüner Stromproduktion und Gaswirtschaft gelungen. Um Fortschritte bei Wasserstoff und Brennstoffzellen wird es auch auf der diesjährigen Hannover Messe gehen, wo mehr als 150 Unternehmen aus 22 Ländern ihre Lösungen zeigen. Gemeinsam mit den Ausstellern der MobiliTec sind es 300 Unternehmen, die Produkte zum Thema alternative Mobilität und Speicher vorstellen werden.