Synthetische Kraftstoffe Warum sich E-Fuels nicht für den großflächigen Einsatz eignen

Nicht nur die aktuell noch recht teure Herstellung spricht gegen den Einsatz von E-Fuels im Verkehrssektor.

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20.04.2023

Ein neues Diskussionspapier des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI legt eine Reihe von Gründen vor, die gegen den Einsatz von E-Fuels bei Pkw und Lkw sprechen. Damit nimmt es kritisch Stellung zur jüngsten Entscheidung der Bundesregierung, E-Fuels eine wichtige Rolle beim Klimaschutz einzuräumen.

Günstigere Alternativen, hoher Energiebedarf bei der Herstellung, fragwürdige Umweltbilanz und mögliches Hindernis für die Verkehrswende: Das alles sind Gründe, die gegen einen großflächigen Einsatz von mit Strom hergestellten synthetischen Kraftstoffen im Verkehrswesen sprechen. In Deutschland wird seit mehreren Monaten über das Thema diskutiert, weil sich durch E-Fuels Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotoren klimaneutral fortbewegen und gleichzeitig die Klimaziele im Verkehrsbereich erreicht werden könnten.

In ihrem kürzlich veröffentlichten Modernisierungspaket hat die Bundesregierung nun auch offiziell verkündet, die Produktion und Nutzung klimafreundlicher E-Fuels künftig für den Straßenverkehr zu fördern. Gleichsam wurde auf europäischer Ebene bewirkt, dass ausschließlich mit E-Fuels betankte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 in der EU zugelassen werden können.

Wie sinnvoll der Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr aus ökonomischer und ökologischer Sicht ist, hinterfragt das neue Diskussionspapier des Fraunhofer ISI. Es will einen Beitrag zur kontroversen Debatte über synthetische Kraftstoffe leisten und dabei wissenschaftliche Forschungserkenntnisse einfließen lassen. Betrachtet werden Kraftstoffe, die auf Basis erneuerbaren Stroms hergestellt wurden.

Argumente gegen E-Fuels

Die Autoren des Diskussionspapiers kommen zu dem Schluss, dass der kurz- und mittelfristige Einsatz von strombasierten E-Fuels im Straßenverkehr nach derzeitigem Wissensstand aus folgenden Gründen wenig Sinn ergibt:

  • Die weltweite erneuerbare Stromproduktion müsste im Vergleich zum heutigen Stand fast verdoppelt werden, um im Jahr 2050 einen weltweiten Anteil von zehn Prozent an grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen einschließlich E-Fuels zu erreichen – letztere werden daher noch lange knapp und teuer sein.

  • Der Einsatz von grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen sollte sich auf Anwendungsbereiche konzentrieren, in denen keine anderen wirtschaftlichen Alternativen zur Erreichung der Treibhausgasneutralität zur Verfügung stehen, wie im Stahlsektor, der Grundstoffchemie, Raffinerien und dem internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Alleine auf diese Anwendungen entfallen rund 15 Prozent des Endenergiebedarfs Deutschlands im Jahr 2045. Für den Straßenverkehr verblieben dann kaum nutzbare Mengen.

  • Eine großflächige Nutzung von E-Fuels bei Pkw und Lkw ist ökonomisch nicht zielführend. Die Umwandlungsverluste sind enorm, und Alternativen wie die direkte Elektrifizierung sind auf die Stromnutzung bezogen bis zu fünfmal effizienter. E-Fuels sind dagegen teuer und können von einkommensschwächeren Haushalten in Zukunft kaum bezahlt werden. Studien gehen nach Erreichung von signifikanten Kostensenkungspotenzialen für 2050 noch von einem Preis zwischen 1,20 und 3,60 Euro pro Liter für E-Fuels aus – zuzüglich Steuern, Abgaben, Gewinnmargen, Vertriebsausgaben sowie Forschungs- und Entwicklungskosten. Allein Steuern und Abgaben dürften den Literpreis schon um einen Euro verteuern. Zum Vergleich: Der Literpreis für fossile Kraftstoffe ohne Steuern und Abgaben liegt aktuell bei circa 0,60 bis 0,70 Euro pro Liter.

  • In Sachen Kosten für den Klimaschutz liegen die CO2-Vermeidungsskosten bei Pkw mit E-Fuels in 2030 bei rund 1.000 Euro pro Tonne CO2 und damit um ein Vielfaches über denen der Elektromobilität oder anderer Klimaschutzmaßnahmen. Somit gibt es aus heutiger staatlicher Sicht hinsichtlich einer Klimaschutzstrategie nur wenig Gründe, aktuell E-Fuels bei Pkw und Lkw zu fördern.

  • Die Umweltbilanz von E-Fuels ist problematisch: Bei ihrer Verbrennung im Motor fallen NOx, Kohlenmonoxid und Feinstaub an. Zudem ist der Gesamtwirkungsgrad gering, der Energiebedarf für die Herstellung hingegen hoch. Der dafür erforderliche starke Ausbau an Stromerzeugungskapazitäten ist unter anderem mit einem enormen Flächen- und Ressourcenbedarf an kritischen Rohstoffen verbunden, der sich auf die Ökobilanz von E-Fuels negativ auswirkt.

  • Die kurzfristige Markteinführung von E-Fuels ist aus Sicht der Technologieoffenheit nicht notwendig. Nach heutiger Planung sollen E-Fuels die heute gültigen Kraftstoffnormen erfüllen, sodass motorseitig sowie bei den Tankstellen keine weiteren Entwicklungen notwendig sind. Somit geht es um die Herstellung von synthetischen Brenn- und Kraftstoffen und dem Produktionshochlauf, die die Technologieoffenheit bestimmen. Da diese aber für andere Anwendungsfelder wie den internationalen Flugverkehr notwendig sein werden, ist davon auszugehen, dass die Entwicklung von E-Fuels unabhängig vom Straßenverkehr voranschreiten wird. Sollten sich die heutigen wissenschaftlichen Prognosen für E-Fuels wider Erwarten als zu pessimistisch erweisen, so könnte ihr Einsatz für den Straßenverkehr noch später stärker erwogen werden.

Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI und Mitautor des Diskussionspapiers, weist zudem auf mögliche Gefahren für die gesamte Verkehrswende hin: „Aus Sicht der heutigen Studienlage könnte sich die Förderung von E-Fuels im Straßenverkehr negativ auf die Verkehrswende auswirken, da ihr Einsatz und ihre Verfügbarkeit derzeit wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend sind. Aus Innovationssicht könnten notwendige Initiativen in Richtung Elektromobilität oder andere alternative Mobilitätsformen verlangsamt werden – denn zum Gelingen der Verkehrswende braucht es auch klare Signale sowie Planungs- und Erwartungssicherheit.“

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