100 Prozent erneuerbar und trotzdem stabil So soll das Stromnetz der Zukunft aussehen

Das Netz stabil zu halten ist aktuell ziemlich teuer und macht einen großen Teil des Strompreises aus.

Bild: iStock, Fahroni
09.04.2021

Immer mehr Produzenten in Deutschland speisen erneuerbare Energien in das Stromnetz. 2020 betrug ihr Anteil 45 Prozent. Für das Stromnetz eine Herausforderung: Denn die Stromproduktion ist abhängig von Sonne, Wind und Regen und auf tausende Einspeiser verteilt statt auf wenige Kraftwerke. Wie kann ein Stromnetz unter diesen Bedingungen stabil bleiben – und wie kann dies dann gelingen, wenn die Energie irgendwann zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt?

Der Frage, wie das Stromnetz auch mit 100 Prozent erneuerbaren Energien stabil gestaltet werden kann, geht seit März 2018 das europaweite Forschungsprojekt EASY-RES nach. Mit ersten Ergebnissen geht das Projekt nun in die finale Phase, in der ein Forschungsteam der Universität Passau eine zentrale Rolle einnimmt.

„Damit ein Stromnetz stabil ist, muss nicht nur genug eingespeist werden“, sagt Prof. Dr. Hermann de Meer, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnernetze und Rechnerkommunikation der Universität Passau und Leiter des Passauer Forschungsteams. „Es braucht zusätzliche Dienstleistungen: Beispielsweise muss jemand die Stromfrequenz im Netz konstant halten und das Netz muss träge sein, also kleine Schwankungen automatisch abfedern.“

Heute kommt fast die Hälfte des Stroms von kleinen Anbietern, die Stabilisierung des Netzes erfolgt aber noch zentral. „Das ist ineffizient und instabil“, sagt de Meer. Wenn eine Solarfarm auf dem Land einspeise, warum müsse der Ausgleich vom Kraftwerk hundert Kilometer entfernt kommen? „Fast ein Drittel des Stroms im Netz wird nur für die verschiedenen Stabilisierungsdienste benötigt. Das braucht aufwändige Infrastruktur wie zusätzliche Leitungen oder sogar Großkraftwerke. Dabei entstehen große Übertragungsverluste und es belastet die Umwelt.“

Energien intelliegnt zwischenspeichern

Ein Ziel von EASY-RES ist daher: Wer einspeist, soll zur Stabilisierung vor Ort beitragen können. Die Forschenden entwickeln eine Plattform, über die sich tausende kleine und mittlere Einspeiser intelligent vernetzen können. Das Ergebnis: Ein virtuelles Kraftwerk, das nicht nur Strom liefert, sondern das Netz auch stabilisiert, indem es beispielsweise erneuerbare Energien intelligent zwischenspeichert.

Das wird sich auch finanziell für die kleineren Einspeiser lohnen. „Das Netz stabil halten, ist aktuell ziemlich teuer und macht einen großen Teil des Strompreises aus“, sagt de Meer. Dementsprechend viele Leistungen fallen darunter: „Frequenzglättung, Bereitstellung von Momentanreserve, verschiedene Reserveenergien zur Frequenzhaltung oder die Spannungshaltung mittels Blindleistungsmanagement zählen dazu.“

Erster Meilenstein erreicht

Die ersten Projekt-Meilensteine haben die Forschenden abgeschlossen: So wurden inzwischen die meisten Messungen an den intelligenten Konvertern gemacht, über die Produzenten später Energie ins Netz einspeisen. „Diese Daten sind die Grundlage für unsere Arbeit“, sagt de Meer. Sein Lehrstuhl arbeitet an der Plattform mit, die später die Einspeiser vernetzen soll. „In Passau befinden wir uns gerade mitten in der spannendsten Phase“, so de Meer.

Die Anforderungen an die Software-Plattform sind denkbar hoch: Sie muss den Zugriff von tausenden Geräten koordinieren können, muss sicher funktionieren, auch wenn fehlerhafte Daten gemeldet werden und vor allem: Sie darf nicht ausfallen und nicht manipulierbar sein.

„Wenn jemand Strom einspeist und das Netz stabilisiert, muss das abgerechnet und bezahlt werden können. Diese Abrechnungen müssen fälschungssicher sein und vor Gericht standhalten können“, betont de Meer.

Kooperationspartner

An dem Projekt beteiligen sich Informatiker und Ingenieure aus mehreren Firmen und Stromversorgen in Europa sowie Forschungseinrichtungen aus Griechenland, Spanien, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland. EASY-RES ist Teil des EU-Programms „Horizon2020“ und wird mit insgesamt 4,5 Millionen Euro gefördert. Weil sich aufgrund der Covid-19-Pandemie viele Labor-Tests verzögerten, wurde das Projekt um ein halbes Jahr verlängert – bis Ende 2021.

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