Schützend halten sich die Einwohner ihre Hände vor die Augen: So ein gleißendes Licht haben sie noch nicht gesehen. Es ist der 7. Juni 1882, als Nürnberg die erste dauerhaft betriebene elektrische Straßenbeleuchtung Deutschlands in Betrieb nimmt. Berlin und Hamburg folgten nur wenige Monate später - ein neuer Trend war entstanden.
Seitdem hat sich die Lichttechnik stark weiterentwickelt. So beeindruckend die erste elektrische Straßenbeleuchtung war, so aufregend finden Experten heute die rasanten Entwicklungen in der LED-Technik. Dank technischer Innovationen wird die kleine Diode immer effizienter, haltbarer und lässt sich stufenlos dimmen und fernsteuern. Der Leuchtmittel-Marktanteil von LEDs wird im Jahr 2020 bei rund 70 Prozent liegen, prognostiziert die Unternehmensberatung McKinsey. Diesen Trend unterstützt die Ökodesignrichtlinie. Sie sieht ein Auslaufen aller ineffizienten Leuchtmittel in mehreren Stufen vor. Darunter fällt auch die veraltete Quecksilberdampf-Hochdrucklampe (HQL), die noch zu Millionen Europas Straßen erhellt. Sie wurde bereits im April 2015 am europäischen Markt verboten.
Die Ökodesignrichtlinie und leere Kassen zwingen immer mehr Städte und Kommunen zum Handeln: Beleuchtungsbestände sind veraltet, störanfällig und verbrauchen zu viel Energie. Insgesamt fallen rund 36 Terawattstunden Energie pro Jahr für die Beleuchtung von Straßen und Plätzen in Europa an. Das ist mit der Jahresproduktion von drei bis vier Kernkraftwerken vergleichbar. Entsprechend groß ist das Einsparpotenzial durch LEDs. Ein Blick auf die Zahlen spricht für sich: Eine HQL verschlingt bei gleicher Lichtleistung rund 70 Prozent mehr Strom als eine LED, die bis zu 100.000 Stunden durchhält. Die Lebensdauer einer Leuchtstofflampe beträgt 18.000 Stunden, eine Halogen-Glühlampe schafft 2.000.
LEDs werden aber nicht nur effizienter, sondern auch technisch ausgefeilter. Die Stadt Siegburg in Nordrhein-Westfalen hat bei der Straßenbeleuchtung in LED-Technik sowie in ein webbasiertes Lichtmanagementsystem investiert. „Das vorhandene System ermöglichte keine umfassende Auswertungen der Straßenbeleuchtungsdaten“, sagt Jörg Hartung, Leiter des Bereichs Straßenbeleuchtung bei der Rhein-Sieg Netz. Mit dem System CityTouch von Philips sollten die Datentransparenz, das Störungsmanagement und das individuelle Schalten und Steuern der Leuchten verbessert werden. Insgesamt sorgen rund 4.200 Leuchten für Licht in Siegburg. Die Stadt ersetzte 2.185 HQL gegen energiesparende LED-Leuchten. Dadurch reduzierten sich die Energiekosten und CO2-Emissionen um die Hälfte. Neu sind auch 150 intelligente CityTouch-Ready-Leuchten. Sie sind fernsteuerbar und arbeiten mit einer automatischen GPS-Lokalisierung und Datenübertragung. Durch die Vernetzung behalten sowohl die Stadtverwaltung als auch der Betreiber Rhein-Sieg Netz alle lichtrelevanten Daten im Blick. Das vereinfacht Entscheidungen wie solche zur Reduzierung des Energieverbrauchs oder zu Wartungszyklen.
Steuerung per Funk
In der Kleinstadt Abensberg in Bayern startete Anfang 2015 ein ähnliches Projekt mit CityTouch. Bei dem Pilotprojekt soll die Kombination von LED mit einer bedarfsgerechten Steuerung in der Nacht eine maximale Energieeffizienz erreichen. Es wurden neun Leuchtstoffröhren und 18 HQL durch intelligente LEDs ersetzt. Jede umgerüstete Leuchte besitzt eine SIM-Karte und ist über das GPRS-Funknetz einzeln ansteuerbar. Zudem werden Störungen und der Bearbeitungsstand direkt sichtbar. Das neue System ermöglicht auch die Programmierung von Lichtintensität und mehreren Dimmstufen nach vorgegebenen Fahrplänen. So regelt sich die Straßenbeleuchtung ab 22 Uhr, wenn weniger Aktivität auf den Straßen herrscht, von 72 Watt auf 51 Watt herunter. Ab 1 Uhr leuchten die Lampen nur noch mit 39 Watt, bis sie morgens stufenweise wieder hochgeregelt werden. LEDs und intelligente Steuerung sorgen zusammen für einen um 76 Prozent niedrigeren Energieverbrauch. Insgesamt spart Abensberg damit rund 15.700 Kilowattstunden Strom.
Auf eine Lichtregelung mit Sensoren setzt dagegen das bayerische Dorf Kirchham. Sie bietet neben der planmäßigen Nachtabsenkung auch die Reaktivierung des Lichts bei Bedarf. Die Steuerung erfolgt mit dem Owlet System vom Beleuchtungsunternehmen Schréder. Die Kommunikation läuft über Zig-Bee-Funktechnik mit einem zentralen Segmentcontroller. Er verbindet sich über GPRS mit dem Internet und der Steuerungssoftware. Erfasst ein Sensor ein vorbeifahrendes Auto, einen Radfahrer oder einen Fußgänger, erhellen sich innerhalb einer Sekunde alle Leuchten der Hauptstraße für zirka eineinhalb Minuten. „Im Wohngebiet ist das nicht nötig, da haben wir ein mitlaufendes Licht eingerichtet“, berichtet Johann König, Leiter Straßenbeleuchtung bei Bayernwerk. Dort regelt der Sensor innerhalb von einer Sekunde jeweils drei Leuchten für knapp eine Minute auf 100 Prozent hoch. „Die Umrüstung auf LED, Sensor und Fernsteuerung ist nur der erste Schritt“, so König. „Möglich wären auch ein Wlan-Anschluss, eine Bestückung mit Kameras zur Überwachung sozialer Brennpunkte oder eine automatische Parkplatzerkennung.“ Das sei aber nur in größeren Städten angebracht. In Großstädten sei der Einsatz einer Sensorbeleuchtung wie im Dorf Kirchham dagegen nur in Bereichen mit geringem Verkehrsaufkommen sinnvoll.
Mietkonzept senkt Kapitaleinsatz
Nicht nur Gemeinden rüsten auf LED um, auch die Industrie folgt dem Trend, denn zahlreiche Hallenbeleuchtungen sind veraltet. Noch scheuen viele Unternehmen die Investition. Doch neue Finanzierungsmodelle machen auch die Umrüstung effizienter. Ein Beispiel: In der Werkstatthalle der Neusser Simpex Hydraulik hingen rund zwanzig Jahre lang gelblich leuchtende Quecksilberdampflampen. Statt Kapital für eine Anschaffung zu binden, entschied sich das Unternehmen, LED-Lampen mit einem maßgeschneiderten Lichtkonzept zu mieten. Im Rahmen des Mietvertrages konzipierte das Beleuchtungstechnik-Unternehmen Deutsche Lichtmiete die neue LED-Beleuchtungsanlage für die speziellen Anforderungen der Montagehalle und übernahm sämtliche Kosten. Die in der Halle im oberen Bereich umlaufende Fensterreihe spendet Tageslicht, das nun vom neutralweißen Licht neuer LED-Deckenstrahler ergänzt wird. Neben dem Stromverbrauch reduziert sich mit den langlebigen LEDs auch die Wartung. „Vorher mussten wir oft bis zu fünf Mal im Jahr defekte Strahler ersetzen. Diesen Aufwand können wir uns nun sparen“, sagt Heinz-Jakob Hendricks, Geschäftsführer von Simpex. Dank der LED-Hallendeckenstrahler spare das Unternehmen nach Abzug der Mietrate noch 15 bis 35 Prozent der bisherigen Gesamtkosten für die Beleuchtung.
Ob bei Energieeffizienz, Lebensdauer oder Steuerung: Für Experten hat die LED noch viel Potenzial. Mit den kleinen Dioden werden immer mehr Städte und Gebäude deutlich heller – was auch bereits die erste elektrische Straßenbeleuchtung in Nürnberg erreichte.