Fachbeitrag Die Kunst der Gebäudetechnik


Neue Ausstellungshalle: 195 Oberlichter versorgen den unterirdischen Raum im „Städel Museum“ mit natürlichem Licht und strukturieren die Gartenfläche.

01.10.2013

In einem Kunstmuseum zählt nicht nur die Alarmanlage - überlebenswichtig für die Kunstschätze sind die richtigen klimatischen Bedingungen und damit die Klimatechnik. Der „Louvre von Frankfurt“ macht vor, was Gebäudetechnik heute leistet.

Als das „Städel Museum“ vor fünf Jahren die größte Erweiterung in seiner fast 200-jährigen Geschichte plante, war den Verantwortlichen klar, dass neben den hohen Ansprüchen an die Architektur die einmalige Chance bestand, die Gebäudeleittechnik (GLT) auf den modernsten Stand zu bringen. Die neue Ausstellungshalle unter dem Städel-Garten schafft 3000 m 2zusätzliche Ausstellungsfläche. Parallel zur Errichtung des Neubaus wurde auch der gesamte Altbau ertüchtigt.

Klimatechnik an erster Stelle

Die klimatischen Bedingungen standen im Mittelpunkt der Planungen, außerdem sollte das Städel ein „Green Building“ werden. Der Energiebedarf sollte also möglichst gering sein und aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Die unterirdische Platzierung des Erweiterungsbaus, die kompakte Bauweise sowie die Gebäudespeichermasse hielten die Wärmeverluste und die äußeren Einflussfaktoren im Vergleich zu oberirdischen Museumsbauten im Rahmen. Für die Erzeugung der Restenergie wurde beim Städel-Erweiterungsbau auf den Einsatz von Erdwärme und -kälte (Geothermie) gesetzt. Ein sogenannter Erdpendelspeicher aus 35 Erdsondenbohrungen, macht die Wärme- und Kälteenergie aus dem Erdreich nutzbar. Darin erwärmt sich zunächst das Wasser, das durch die Erdbohrungen zirkuliert das die Wärmepumpe auf ein für Heizzwecke erforderliches Temperaturniveau bringt. Die Wärmeverteilung erfolgt über Rohrmäander im Fußboden. Im Sommer führen Betondecke und Fußboden die überschüssige Wärme an das Erdreich ab. Die Leittechnik des gesamten Baus sollte nach Fertigstellung zentral und auch über das Internet bedien- und beobachtbar sein. Zudem sollte die neue Steuerung an die bestehende Infrastruktur auf der Basis von BACnet angebunden werden. Das Unternehmen Tec-Control bot die GLT auf der Basis von Komponenten der Saia Burgess Controls (SBC) an. So konnte man ohne Rücksichten auf veraltete Technik ein völlig neues, homogenes und flexibles System planen. Die Steuerung von Heizung, Lüftung und Sanitär ermöglichen heute zwölf programmierbare Steuerungen vom Typ PCD3. Die GLT-Anlage verarbeitet die Daten von 1062 Datenpunkten, die über den S-Bus direkt an die Steuerungen angeschlossen sind und 562 Datenpunkte über andere Busverbindungen.Dazu gehören beispielsweise die elektrischenHeizbänder an den 195 Oberlichtern der Gartenhalle, die die Schwitzwasserbildung verhindern sollen, oder die Wandheizungen in den älteren Ausstellungsräumen, um den Taupunkt nach außen zu verschieben. Die Anlage kann zudem auf die in den verschiedensten Bauteilen verteilte Feuchtesensoren sowie auf die Temperaturfühler von Depot und Ausstellungsräumen zugreifen und historische Trends speichern. Die Steuerungen kommunizieren dabei in einem eigenen Glasfasernetzwerk. Die PCD3Power-CPU mit vier Gigabyte erlaubt es, die komplette GLT ohne PC-Technik und gesonderter Leitsystemsoftware zu erfassen und zu überwachen, zu archivieren und steuern.

Bauen im Bestand

Das 52-Millionen-Euro-Projekt konnte im vergangenen Jahr der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine Herausforderung dabei war das Bauen und Erneuern im Bestand. So sollte beispielsweise die Bestandsverkabelung, soweit es ging, weiter verwendet werden, was aufgrund der unvollständigen Dokumentation nicht einfach war. Die PCD-Steuerungen verfügen dank ihres schnellen Prozessors und der üppigen Systemressourcen über genügend Leistungsreserven für die Bearbeitung der anspruchsvoller Steuerungs- und Kommunikationsaufgaben im Museum. Eine PCD bietet bis zu 1023 Ein-/Ausgänge, ist aber auch dezentral erweiterbar mit Remote I/Os. Eine USB- und Ethernet-Schnittstelle gehört zur Grundausstattung, darüber hinaus können bis zu 13 Kommunikationsschnittstellen und zwei Ethernet-Schnittstellen gesteckt werden. Der große Onboard-Speicher bietet eine 2-MB-Kapazität für Programme und Daten mit einem 128-MB-Dateisystem. Wichtig war dabei der Automation-Server für die Integration in Web-/IT-Systeme. So können etwa die Restauratoren des Hauses per Internet auf die Klimadaten zugreifen, denen ihre Kunstwerke ausgesetzt sind. Die Raumtemperierung ergänzt zusätzlich eine Lüftungsanlage. Sie ist für die erforderliche Be- und Entfeuchtung der Halle konzipiert und mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung ausgerüstet. Sie nutzt die Energie der Abluft, um die frische Zuluft zu temperieren. Die modulare Energie- und Klimatechnik ist die Voraussetzung für ein optimales Raumklima mit minimalem Energieaufwand. Die architektonischen Bedingungen und die schnelle Regelung sorgen dafür, dass starke Temperaturschwankungen erst gar nicht auftreten.

Wohlfühlklima für Kunstwerke

Vor allem Lufttemperatur und Luftfeuchte beeinflussen das Klima eines Raumes, aber auch Tageslichteinfall und die Kunstlichtleistung. Die baulichen Gegebenheiten, sowohl in der neu entstandenen Gartenhalle als auch in den „klassischen“ Räumen, ja sogar die Museumsbesucher selbst (Körperwärme, nasse Kleidung) spielen dabei eine Rolle. Weil es keinen allgemein gültigen Klimawert gibt, ist ein Kompromiss zu finden. Dieser Kompromiss liegt nach allgemeinen Empfehlungen bei 45 bis 55 Prozent relative Luftfeuchte bei einer Temperatur von 18 bis 22 °C. Bei Leihgaben zählen die bisherigen Klimabedingungen der Kunstwerke. Die GLT von SBC bietet die Möglichkeit, die Ausstellungsräume nach diesen Bedingen auszurichten und die Vorgaben der Leihgeber zu erfüllen. Auch in den Depots, in denen über 100.000 Gemälde, Graphiken, Zeichnungen, Fotoarbeiten und Skulpturen untergebracht sind, gilt: Das Umgebungsklima eines Museumsobjektes sollte möglichst konstant sein, besonders während und nach einem Ortswechsel. Die Temperatur in den Depoträumen bestimmt sich allein aus konservatorischer Sicht, da sich dort weder Museumsmitarbeiter noch Besucher lange aufhalten. Auch hier messen zahlreiche Sensoren an vielen Stellen die Luftfeuchte.

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