Umspannwerke durchgängig Normen-konform entwickeln Booster für den Netzausbau

Eine der bedeutendsten Normen für den Netzausbau ist die IEC 61850, gemeinsam entwickelt von der International Electrotechnical Commission (IEC), Herstellern und Stromversorgern.

Bild: Aucotec
14.09.2022

Heute mehr denn je muss sich der Netzausbau erheblich beschleunigen. Das stellt jedoch höchste Ansprüche an die Anlagenplanung und ihre Software-Systeme, auch in Bezug auf das Umsetzen der aktuellen Standards zur Anlagenbeschreibung und -struktur. Sie sind die Basis für Datenaustausch, Qualität und Effizienz, doch die meisten Engineeringtools scheiterten bislang daran, diese Normen effizient abzubilden. Doch es gibt eine Lösung.

In der Energiewende sind Dezentralisierung, Smart Grids, Digitalisierung und Interoperabilität die großen Themen der Energieversorger. Sie bieten enorme Chancen, sind aber gleichzeitig die größten Herausforderungen für eine Branche, die sich in einem epochalen Transformationsprozess befindet. Doch was ist zu tun und welche Lösungen gibt es?

Normgerechter Digitaler Zwilling

Der Software-Entwickler Aucotec ist seit Jahrzehnten mit dem System Ruplan in Deutschland, Tschechien und der Slowakei der „Platzhirsch“ bei der Erstellung von Schaltungsbüchern, Schaltplänen und Folgedokumenten für die Energieübertragung und -verteilung. Aucotecs Plattform Engineering Base (EB) baut auf diesen Erfahrungen und einer sehr engen Zusammenarbeit mit den Kunden auf, arbeitet aber datenzentriert und geht damit weit über die Möglichkeiten üblicher filebasierter Systeme hinaus.

Sie reicht von der Definition und automatischen Generierung der Datenmodelle primärtechnischer Komponenten über normgerechte Stationsautomatisierung bis zur effizienten Unterstützung von Um- und Ausbauten. Die Folge: Verkürzte Planungsphasen durch Minimieren von Medienbrüchen, Datenübertragungen und Fehlern. Zudem kann EB den digitalen Zwilling einer Schaltanlage über ihren gesamten Lebenszyklus stets aktuell halten und als bislang einziges System Normen wie die IECs 61850, 81346 oder 61355 bis ins Detail effizient umsetzen. Warum ist das so?

Daten statt Dokumente

Mit dokumentenorientierten Systemen werden Primär- und Sekundärtechnik separat erarbeitet. Relevante Daten müssen dann entweder über XLS-Listen oder per Hand übertragen werden. In EB dagegen lassen sich dank Datenzentrierung und Objektorientierung bereits die Primärgeräte anlegen. EBs Anlagenmodell erlaubt das Entwickeln von Objekten, bevor ein Stromlaufplan gezeichnet ist. So entfallen fehlerbehaftete Doppeleingaben; Änderungen sind auch für jeden Sekundärtechniker sofort ersichtlich, genau wie für die Schutz- und Leittechnik.

Ihre Expertinnen und Experten können zudem alle IEC-61850-relevanten Informationen für die Hochspannungsgeräte eingeben. So nutzen Primär-, Sekundär- sowie Schutz- und Leittechnik EBs digitalen Zwilling der Feldgeräte als „Single Source of Truth“, können ihren Planungsstand jederzeit einsehen und weiterbearbeiten.

Neuer Standard zur Standard-Umsetzung

So durchgängig EBs Workflow ist, er wäre nichts ohne die effiziente Umsetzung der relevanten Normen. Ein Beispiel ist die IEC 81346 zur Anlagenstrukturierung und Referenzkennzeichnung. Hier haben vor allem filebasierte Systeme Probleme, die komplette Assoziationsstruktur abzubilden. EB dagegen setzt neue Standards für durchgängige, transparente Objektkennzeichnung nach Orts-, Produkt- und Funktionsaspekt.

Diese dedizierten Informationen werden automatisch an alle untergeordneten Objekte weitervererbt. Das spart Zeit und Fehler. Auch die IEC 61355 ist abbildbar. Ihre tiefe Integration erlaubt es, die Namensgebung der Dokumentenebene an die Aspekte der IEC 81346 zu koppeln, sodass die Dokumentationsbäume jederzeit stimmig sind. Das ist einzigartig.

IEC 61850: neutral = zukunftssicher

Eine der wichtigsten Normen für den Netzausbau ist die IEC 61850, gemeinsam entwickelt von der International Electrotechnical Commission (IEC), Herstellern und Stromversorgern. Als Konsequenz aus der Digitalisierung der Branche mit zunehmender Intelligenz und Komplexität verlangt sie, digitale Umspannwerke einheitlich und herstellerneutral zu beschreiben. Ziel ist eine bessere Interoperabilität sowie Wiederverwendbarkeit von Komponenten in einem durchgängigen Engineering-Prozess.

Aktuell werden jedoch noch immer herstellerspezifische Tools verwendet, die nur eine Systemebene der Stationsautomatisierung abdecken und sich mit der neutralen, vom Standard geforderten Substation Configuration Language (SCL) schwertun. Deshalb müssen Anlagenbauer und -betreiber bislang mit einer Reihe von Tools „jonglieren“ und verlieren viel Zeit mit Daten-Ein- und Übergaben.

EB dagegen minimiert als Single Source of Truth solche Systembrüche. Zudem „spricht“ die Plattform SCL und speist damit das Substation Configuration Tool (SCT) des langjährigen Aucotec-Partners und SCL-Experten H+S. Schon seit Jahren ist das komfortable Erstellen von Single-Line-Diagrammen mit bidirektionalem Austausch der Hochspannungsgeräte-Daten zwischen SCT und Engineering möglich.

Mit einer jetzt äußerst weit in die Anlagenstruktur vertieften Kopplung erkennt EB auch die Intelligent Electronic Devices (IEDs). Sie brauchen nur grafisch mit den einzelnen Geräten verbunden zu werden, dann generiert EB automatisch die normgerechten IID-Files (Instantiated IED Description), die zur Konfiguration der Leitebene notwendig sind, und stellt sie nahtlos zur Bearbeitung im SCT zur Verfügung.

Das spart nicht nur beim Planen viel Zeit, sondern bei jedem Geräteaustausch, von denen es im Laufe eines Anlagenlebens etliche gibt. Welches Gerät auch immer durch welchen Hersteller auch immer ersetzt wird, die Dokumentation ist schnell und konsistent aktualisiert, inklusive Schutz- und Leitkonzept. Kein mühsames Zusammensuchen von Datenpunktlisten mehr, keine Redundanzen und fehleranfälligen Datenübergaben. Auch XML- oder IEC-61850-Expertenwissen ist nicht erforderlich.

Typicals effizient managen

Eine Schlüsselfunktion im Workflow hat naturgemäß die Anlagen-Modellierung. Hier verkürzt EB Durchlaufzeiten mit funktionsorientierten Standardbausteinen (Typicals), die hohe Datenqualität gewährleisten. Das Typical enthält nicht einzelne Geräte, sondern ganze Funktionen samt zugehöriger Blätter, Geräte, Kabel, Drähte und Logiken. Es wird jetzt auch in EBs Advanced Typical Manager „am Stück“ gehandhabt.

Da Optionen separat als Teilschaltungen in der Datenbank liegen, ebenso wie alle machbaren Varianten, verringert sich die Typical-Menge um rund zwei Drittel. Die üblichen „Kopierprojekte“, von denen es Hunderte geben kann, sind passé; Kontrollaufwände und Fehler sind deutlich minimiert, und die Anlage lässt sich quasi per Klick konfigurieren. Das hat bei einem Netzbetreiber zu fast 75 Prozent Zeitersparnis geführt.

Um- und Ausbauten leicht gemacht

50 „Lebens-“Jahre sind für ein Umspannwerk gang und gäbe, meist geprägt von zahlreichen Um- und Ausbauten. Die Aktualität der Dokumentation ist dabei eine riesige Herausforderung. Hierfür hat Aucotec eine Reihe von Assistenten entwickelt, die aufgrund von EBs zentraler Datenbank, die als Drehscheibe für alle Informationen sämtlicher Beteiligter dient, eine außergewöhnliche Konsistenz schaffen. Dort ist jeder Artikel der Anlage durch genau ein Objekt im Datenmodell repräsentiert. Daher zeigen sich Änderungen unmittelbar in jeder Ansicht des Objekts, ob in Explorer, Tabelle oder Grafik.

Datenqualität für Jahrzehnte gesichert

All dies verkürzt nicht nur Projektzeiten, sondern verbessert auch die Datenqualität. Doch EB geht noch einen Schritt weiter. Mit QS-Tools, deren Automatismen Wochen an händischer Prüfarbeit sparen und gleichzeitig gewährleisten, dass die Anlagendokumentation inklusive Richtlinieneinhaltung fehlerfrei ist. Sie helfen in der Planungsphase, bei Dokumentationsübergaben an die Betreiber und später nach Umbauten im Betrieb.

Auf Knopfdruck liefert EB ein Zertifikat, das Betreibern auf den ersten Blick die Datenqualität anzeigt. Gleichzeitig ist über die IEC 61850 die Qualität der neutralen Anlagendaten für Jahrzehnte gesichert. So lässt sich, zusammen mit dem durchgängigen Engineering-Prozess sowie dem einfachen Datenaustausch zwischen Anlagenbauern, -betreibern und Zulieferern, der Netzausbau signifikant „boostern“.

Bildergalerie

  • Die Plattform Engineering Base (EB) soll den digitalen Zwilling einer Schaltanlage über ihren gesamten Lebenszyklus stets aktuell halten und als bislang einziges System Normen wie die IECs 61850, 81346 oder 61355 bis ins Detail effizient umsetzen.

    Die Plattform Engineering Base (EB) soll den digitalen Zwilling einer Schaltanlage über ihren gesamten Lebenszyklus stets aktuell halten und als bislang einziges System Normen wie die IECs 61850, 81346 oder 61355 bis ins Detail effizient umsetzen.

    Bild: Aucotec

  • Eine Schlüsselfunktion im Workflow hat die Anlagen-Modellierung. Hier verkürzt EB Durchlaufzeiten mit Standardbausteinen, die hohe Datenqualität gewährleisten.

    Eine Schlüsselfunktion im Workflow hat die Anlagen-Modellierung. Hier verkürzt EB Durchlaufzeiten mit Standardbausteinen, die hohe Datenqualität gewährleisten.

    Bild: Aucotec

  • Michaela Imbusch, Produktmanagerin im Bereich PTD (Power Transmission and Distribution) bei Aucotec

    Michaela Imbusch, Produktmanagerin im Bereich PTD (Power Transmission and Distribution) bei Aucotec

    Bild: Autotec AG

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