Statt der Methode „Versuch und Irrtum“ könnten Laserfusionsexperimente künftig zielgerichteter konzipiert und durchgeführt werden – eine zwingende Voraussetzung für ein kommerzielles Fusionskraftwerk. Neben der Europäischen Union über den „Fonds für einen gerechten Übergang“ ist auch der Freistaat Sachsen an der ROLF-Finanzierung, Gesamtbetrag mehr als 700.000 Euro, direkt beteiligt.
Die benötigten hohen Drücke und Temperaturen für Fusionsprozesse werden durch Kompression einer mit den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium gefüllten – und zunächst sehr kalten – Kapsel erreicht. Auf dem Weg zur Fusionsreaktion befindet sich der Wasserstoff eine Zeit lang in einem besonderen Zustand: den der warmen dichten Materie (WDM).
Dieser Bereich, mit Blick auf Druck und Temperatur etwa zwischen kondensierter Materie und heißem Plasma gelegen, ist Dornheims Spezialgebiet. Über ein kompetitives Verfahren erhielt der Nachwuchsforscher bereits Ende 2022 einen „Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrats in Höhe von fast 1,5 Millionen Euro.
Die Arbeit an dem Vorhaben läuft aktuell: Dornheim und sein Team entwickeln Methoden des maschinellen Lernens, die eine zuverlässige theoretische Beschreibung der warmen dichten Materie ermöglichen sollen. Das Strukturwandelprojekt widmet sich nun einer anwendungsnäheren Herausforderung.
„Ein wesentliches Problem der Laserfusion ist die stabile Kompression durch den Laserbeschuss“, erläutert Dornheim, Leiter der Nachwuchsgruppe „Frontiers of Computational Quantum Many-Body Theory“ am CASUS und ROLF-Projektverantwortlicher. „Die Treibstoffkapsel muss möglichst gleichmäßig, das heißt ohne Instabilitäten, nach innen implodieren, damit so viel Treibstoff wie möglich fusioniert und dementsprechend viel nutzbare Energie frei wird. Dafür müssen wir zunächst besser verstehen, wie sich warme dichte Materie verhält.“
Warme dichte Materie, die es zum Beispiel auch im Inneren von Planeten und Sternen gibt, wird experimentell an Großforschungsanlagen wie der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) am European XFEL und der National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in den USA erforscht.
An diesen Anlagen lässt sich WDM dank kräftiger Laserblitze für Bruchteile von Sekunden erzeugen. Mit beiden Einrichtungen kooperiert Dornheims Team. Eine wichtige experimentelle Analysemethode der Laserfusion ist die sogenannte Röntgenstreuung (X-ray Thomson scattering, XRTS). Hier setzt das neue Projekt ROLF an.
Röntgendiagnostik für alle zugänglich machen
Für die Diagnostik mittels Röntgenstreuung wird eine Röntgenquelle auf eine Probe gerichtet. Aus der Energieänderung der gemessenen Photonen, die in der Probe abgelenkt wurden, können Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Materie gezogen werden.
Die Auswertung der gemessenen Daten basierte bisher zum großen Teil auf einer Reihe von unkontrollierten Näherungen. Vor einem Jahr konnte das CASUS-Team aber zeigen, dass eine präzise Datenauswertung ohne Simulationen und ohne Modelle mit all ihren Näherungen und Annahmen möglich ist.
Dornheim und sein Team greifen dabei auf ein grundlegendes mathematisches Verfahren zurück: die Laplace-Transformation. Innerhalb von ROLF wollen die Forscher ein quelloffenes Softwarepaket schreiben, das zum einen diese Auswertungsmethode allen Fachleuten in der Laserfusion zugänglich machen soll.
Zum anderen wollen sie die Methode selbst weiterentwickeln, um künftig nicht nur die modellfreie, hochgenaue Bestimmung der Temperatur aus der XRTS-Messung zu ermöglichen. Künftig soll auch die Bestimmung anderer relevanter Größen wie Dichte oder Ionisationsgrad der WDM möglich sein.
Mit der neuen Software will das Görlitzer Team anschließend bereits existierende XRTS-Messungen, zum Beispiel vom European XFEL, analysieren, um darauf aufbauend neue Messverfahren der Röntgenstreuung zu erarbeiten und experimentell zu testen. Steht die XRTS-Diagnostik dann auf einem soliden Fundament, sollen die aus der Röntgenstreuung abgeleiteten Erkenntnisse in Simulationen der Laserfusion einfließen.
„Wir gehen davon aus, dass die aus diesen Simulationen abgeleiteten Parameter eine deutlich bessere Kompression der Kapsel ermöglichen werden und eine neue Generation von Fusionsexperimenten einleitet“, gibt Dornheim einen Ausblick.
HZDR kann Beitrag zur Laserfusion leisten
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat jüngst ein Förderprogramm zur Fusionsforschung vorgestellt. Das Ziel ist, beim internationalen Wettstreit zu einem wirtschaftlichen Betrieb eines Fusionskraftwerks entscheidend mitzuwirken. Ein 2023 veröffentlichtes BMBF-Positionspapier hebt dabei die Notwendigkeit von „verfeinerten Diagnostiken zur Validierung von Codes und Modellen“ hervor.
Prof. Sebastian M. Schmidt, Wissenschaftlicher Direktor am HZDR, freut sich außerordentlich über die Förderzusage für das CASUS-Projekt: „Mit der HIBEF, dem CASUS und unseren Hochleistungslasern DRACO und PENELOPE ist das HZDR exzellent aufgestellt, um wesentliche Beiträge zur Laserfusionsforschung zu leisten. Wir können die fundamentalen Prozesse entschlüsseln, die den Weg in die Anwendung ebnen.“