Kontrollierte Nutzung von Terahertz-Hochfrequenzsignalen Quantenfilm auf Kunststoff

Der nichtlineare Hall-Effekt in Bismut-Dünnschichten kann durch die Geometrie der mikrogefertigten bogenförmigen Kanäle gesteuert werden.

Bild: B. Schröder/HZDR
05.03.2024

Ein Forschungsteam des HZDR und der Universität Salerno in Italien hat entdeckt, dass dünne Filme aus Bismut den sogenannten nichtlinearen Hall-Effekt aufweisen. Dieser Effekt könnte in Technologien zur kontrollierten Nutzung von Terahertz-Hochfrequenzsignalen auf elektronischen Chips bedeutsam sein. Bismut vereint gleich mehrere vorteilhafte Eigenschaften, die in dieser Kombination in anderen Systemen bisher nicht gefunden wurden. Der Quanteneffekt wird sogar bei Raumtemperatur beobachtet. Die dünnen Schichten lassen sich zudem auf Kunststoffsubstrate aufbringen und könnten daher für moderne Hochfrequenztechnik-Anwendungen in Frage kommen.

„Wenn wir durch bestimmte Materialien einen Strom schicken, können sie eine Spannung senkrecht zum Stromfluss erzeugen. Wir Physiker nennen dieses Phänomen den Hall-Effekt, der eigentlich ein Sammelbegriff für Effekte ist, die die gleiche Wirkung haben, sich aber durch die zugrunde liegenden Mechanismen auf Elektronenebene unterscheiden. Typischerweise ist die registrierte Hall-Spannung linear von der angelegten Stromstärke abhängig“, sagt Dr. Denys Makarov vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR.

Die meisten dieser Effekte sind auf den Einfluss von Magnetfeldern oder Magnetismus im Material zurückzuführen. Im Jahr 2015 entdeckte ein Forschungsteam jedoch, dass der Hall-Effekt auch ohne den Einfluss von Magnetismus auftreten kann. „Wir erreichen das mit Materialien, deren kristalline Anordnung Hall-Spannungen ermöglicht, die nicht mehr linear mit dem Strom zusammenhängen“, ergänzt Prof. Carmine Ortix vom Fachbereich Physik der Universität Salerno. Dieser Effekt ist von großem Interesse, weil er neuartige Bauteile für die Hochgeschwindigkeits-Elektronik ermöglicht.

Die beiden Forscher haben sich auf die Suche nach geeigneten Materialien und möglichen praktischen Anwendungen dieses sogenannten nichtlinearen Hall-Effekts gemacht. Während Ortix ein theoretischer Physiker ist, bringt Makarov das experimentelle Know-how ein – und die Verbindung zu anderen Instituten am HZDR, die mit ihrer Expertise maßgeblich an den Arbeiten beteiligt sind. „Wir haben uns mit Kolleginnen und Kollegen aus dem ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlungsquellen, dem Hochfeld-Magnetlabor und dem Institut für Ressourcenökologie zusammengeschlossen. Das gemeinsame Ziel: ein geeignetes Material zu finden, bei dem dieser Quanteneffekt bei Raumtemperatur kontrolliert auftritt und das zudem einfach zu handhaben und ungiftig ist“, beschreibt Makarov den Ausgangspunkt der gemeinsamen Arbeit.

Vertrautes Material, neue Eigenschaften

Mit elementarem Bismut hat das Team einen Kandidaten gefunden, der diese Eigenschaften aufweist. Bismut ist für seinen starken klassischen Hall-Effekt bekannt, der im massiven Material beobachtet wird. Die Forschenden haben nun entdeckt, dass an der Oberfläche des Elements jedoch Quanteneffekte dominieren, die den Stromfluss bestimmen – selbst bei Raumtemperatur.

Ein großer Vorteil dieses Merkmals besteht darin, dass die dünnen Schichten mit Quanteneigenschaften auf eine Vielzahl für elektronische Anwendungen geeignete Substrate wie Siliziumwafer und sogar Kunststoff aufgebracht werden können. Die Kontrolle des Quanteneffekts erreicht das Team durch eine ausgeklügelte Mikrofabrikation: Die Ströme lassen sich über die Geometrie der Kanäle auf dem Chip direkt beeinflussen.

Neue Quantenmaterialien mit technologischer Relevanz

Andere Teams hatten bereits eine Reihe von Materialien entwickelt, die den nichtlinearen Hall-Effekt aufweisen, aber nicht alle wünschenswerten Eigenschaften in sich vereinen. Graphen zum Beispiel ist umweltverträglich und sein nichtlinearer Hall-Effekt lässt sich gut kontrollieren, allerdings nur bei Temperaturen unter etwa -70 °C. Das heißt, wenn die Forschenden den Effekt nutzen wollen, müssen sie das Material mit flüssigem Stickstoff kühlen. Bei anderen Verbindungen müssten sie sogar noch niedrigere Temperaturen anwenden.

Derzeit konzentriert sich die Forschung auf die Suche nach geeigneten Materialien, doch das Team aus Rossendorf und Salerno denkt bereits weiter. „Technologisches Potenzial für unsere Dünnschichtmaterialien sehen wir vor allem in der Umwandlung von elektromagnetischen Terahertz-Wellen in Gleichstrom. Damit werden neue Komponenten für die Hochfrequenz-Kommunikation möglich“, sagt Ortix. Um deutlich höhere Datenübertragungsraten zu gewährleisten, müssen künftige drahtlose Kommunikationssysteme die Trägerfrequenz über 100 GHz hinaus in den Terahertz-Bereich erweitern, was mit heutigen Technologien nicht möglich ist.

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