Das Projekt „Digital services connected rail traffic“, an dem die TU Ilmenau und die Funkwerk Systems GmbH beteiligt waren, nahm die Grenzen der Leistungsfähigkeit derzeit auf Lokomotiven verbauter Antennen in den Blick. Eine sichere, effiziente und komfortable Mobilität ist im Zeitalter der Digitalisierung das Gebot der Stunde. Dabei sind Automatisierung und Vernetzung die Schlüsselbegriffe – nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch im Schienenverkehr beim Fahren und Manövrieren. Die 5G-Wende hin zur Digitalisierung im Schienenverkehr heißt FRMCS – Future Railway Mobile Communication System, zu Deutsch: Kommunikationssystem der Zukunft für den Schienenverkehr.
Digitale Sicherheit
In einem europaweiten Netzwerk wird FRMCS, Nachfolger des bis heute verwendeten GSM-R-Standards, als vollständige Neuentwicklung den Zugfunk sowohl in der Sprachkommunikation als auch in der Datenkommunikation revolutionieren. Damit soll der Zugbetrieb weitgehend automatisiert und höchste Sicherheit der drahtlosen Übertragungsnetze gegen Cyber-Attacken und Datendiebstahl gewährleistet werden.
Das Herzstück eines flächendeckenden Einsatzes vernetzter und automatisierter Schienenfahrzeuge sind Antennen zur drahtlosen Datenübertragung. Die Anforderungen der Bahnbetreiber nach sicherer Kommunikation und Signalisierung und der Wunsch der Bahnreisenden nach einer vernetzten Umgebung an Bord lassen die Zahl und die Qualität der dafür auf Schienenfahrzeugen erforderlichen Antennen rapide steigen. Vor ihrem Einsatz muss die Funktion der Antennen in der Praxis bewertet und abgesichert werden.
Herausforderungen angehen
Bei Entwurf, Entwicklung und Test neuer Antennen für Schienenfahrzeuge ergeben sich besonders anspruchsvolle Herausforderungen: Um die notwendigen Messungen im Labor vorzunehmen, sind die Loks mit ihren 20 bis 30 m Länge und 60 bis 90 t Masse viel zu groß und zu schwer. Andererseits werden Messungen auf einem Eisenbahnbetriebsgelände durch die Umgebung, etwa Gleisanlagen oder Wartungshallen, verfälscht. Das Thüringer Innovationszentrum Mobilität (ThIMo) an der TU Ilmenau und die Funkwerk Systems, ein auf Bahntechnik spezialisiertes Industrieunternehmen aus dem thüringischen Kölleda, arbeiten daher seit zwei Jahren mit Hochdruck an leistungsfähigen Lösungen dieses Problems.
Bevor sie in der Praxis eingesetzt werden können, müssen die neuen Antennen, die künftig im Zugverkehr für eine sichere und robuste Funkkommunikation eingesetzt werden sollen, in ihrem endgültigen Einbauzustand zuverlässig getestet werden. Das hochmodern ausgestattete Labor, in dem solche Messungen vorgenommen werden können, steht mit der „Virtuellen Straße – Simulations- und Testanlage VISTA“ am ThIMo an der TU Ilmenau bereit. Um Antennen auf Lokomotiven im Labor vermessen zu können, wurde das Modell eines weit verbreiteten Lok-Typs im Maßstab 1:3 exakt der Realität nachgebildet.
Nach umfangreichen Messungen am Modell und numerischen Simulationen des digitalen Zwillings fehlten zu guter Letzt noch – unverzichtbare – Vergleichsmessungen an dessen realem Gegenstück. Diese Messungen wurden jüngst gemeinsam von ThIMo und Funkwerk auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks Weimar mit Unterstützung des Thüringer Eisenbahnvereins durchgeführt. Dazu stand eine Elektrolok vom Typ AEG 12X zur Verfügung, die dem kleinen Modell in den wesentlichen Details sehr genau entspricht.
Für die Durchführung der wichtigen Vergleichsmessung an der realen Lok mit dem dreimal kleineren Labormodell nutzten die Ingenieure eine 25 Meter hohe Arbeitsbühne, um die Funkwellen von den zuvor auf der Lokomotive angebrachten Antennen mit hochgenauen Positionssensoren dreidimensional und zentimetergenau abzutasten, während die 84-Tonnen schwere Lokomotive auf einer Drehscheibe um 360 Grad gedreht wurde.
Schneller Abschluss
Innerhalb von nur zwei Tagen schloss das fünfköpfige Forscherteam um den Direktor des ThIMo und Leiter des Fachgebiets der TU Ilmenau Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik, Prof. Dr. Matthias Hein, und den Entwicklungsleiter von Funkwerk, Dr. Uwe Stöpel, die umfangreichen Messungen erfolgreich ab. Beide lobten anschließend die hervorragende Zusammenarbeit.
Hein resümiert: „Mit diesen Messungen konnten wir mit großem Erfolg und in beispielhafter Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft eine wichtige technologische Lücke schließen, die die künftige Entwicklung von Antennen für Schienenfahrzeuge erheblich beschleunigt und einen Anschluss an die etablierten Methoden im Automotive-Bereich nahebringt.“
Ähnlich sieht es Stöpel: „Diese Freifeldmessungen waren ein glanzvoller Abschluss einer erfolgreichen professionellen Zusammenarbeit in einem äußerst anspruchsvollen gemeinsamen Forschungsprojekt über mehr als zwei Jahre hinweg. Die Ergebnisse dieses Projektes liefern wichtige Grundlagen für die weitere Produktentwicklung der Funkwerk Systems GmbH in dem neuen Technologiefeld FRMCS.“