Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das dem Bundeskanzler wenige Wochen nach Beginn der neuen Legislaturperiode übergeben wurde, beschäftigt sich unter anderem mit digitalen Plattformen von Unternehmen für Unternehmen, sogenannten Business-to-Business-(B2B-)Plattformen.
Wertschöpfungspotenziale digitaler B2B-Plattformen
Weitläufig bekannt sind die großen US-amerikanischen Plattformunternehmen Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook) und Microsoft, die hinsichtlich ihres Börsenwerts zu den wertvollsten Unternehmen der Welt zählen. Diese Big-Tech-Firmen koordinieren vor allem Interaktionen zwischen anbietenden Unternehmen und Konsumentinnen beziehungsweise Konsumenten auf digitalen Plattformen, sogenannten Business-to-Consumer-(B2C-)Plattformen.
Dabei entwickeln sie, nicht zuletzt auf Basis der auf ihren Plattformen entstehenden Daten, innovative Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle, verändern Wertschöpfungsketten und erlangen dominante Marktpositionen. Neben diesen im B2C-Bereich aktiven Plattformunternehmen gibt es reine B2B-Plattformen, die sich in der Regel auf spezifische Branchen oder Anwendungen fokussieren.
„Auch B2B-Plattformen verändern Wertschöpfungsketten, schaffen neue Geschäftsmodelle und generieren neue Produkte und Dienste. Unternehmen, die digitale B2B-Plattformen nutzen, sehen viele Vorteile für die eigene Innovationsaktivität, beispielsweise durch einen vereinfachten Zugang zu Daten oder die Einbindung von externen Partnern in den Innovationsprozess“, betont Prof. Dr. Katharina Hölzle vom Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam und stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission.
Das Wertschöpfungspotenzial durch die Nutzung von B2B-Plattformen im Allgemeinen und durch die Nutzung datenbasierter Plattformen im industriellen Bereich im Besonderen schätzt die Expertenkommission als hoch ein. „Das Wertschöpfungspotenzial von B2B-Plattformen basiert auf dem hohen branchen-spezifischen Wissen und dem Innovationspotenzial, das sich durch den Zugang zu umfangreichen Produktions- und Maschinendaten deutscher Unternehmen ergibt“, erläutert Katharina Hölzle.
Schätzungen zufolge ist im Zeitraum von 2018 bis 2024 mit einer Verdopplung des Beitrags digitaler B2B-Plattformen zur Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes zu rechnen. Diese enormen Innovations- und Wertschöpfungspotenziale gilt es nach Ansicht der Expertenkommission rasch zu heben, doch stehen dem einige Hemmnisse entgegen.
Zentrale Entwicklungshemmnisse
„Viele Unternehmen haben bei der Nutzung von B2B-Plattformen Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes sowie der IT-Sicherheit und fürchten den Abfluss von innovations- und wettbewerbsrelevantem Wissen“, erklärt Prof. Dr. Irene Bertschek, Forschungsbereichsleiterin am ZEW Mannheim und Mitglied der Expertenkommission. Um diesem Problem zu begegnen, schlägt die Expertenkommission vor, die Rahmenbedingungen für Datenintermediäre, also für neutrale Datenmittler und -treuhänder, zu verbessern.
Weitere Hemmnisse stellen mangelndes wechselseitiges Vertrauen zwischen den über die Plattform vernetzten Unternehmen sowie die Befürchtung vor einseitigen Abhängigkeiten dar. Gemeinsam betriebene B2B-Plattformen, bei denen Unternehmen Plattformbetreiber und -nutzer zugleich sind, können hier Abhilfe schaffen. Diesbezügliche Gründungen gilt es zu fördern.
Anpassung und Impulse
Um günstige Bedingungen für die Entwicklung von B2B-Plattformen in der deutschen und europäischen Wirtschaft zu schaffen, sind Anpassungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen sowie gezielte Impulse der öffentlichen Hand notwendig. Hierzu zählt neben einer EU-weit einheitlichen Plattformregulierung auch der Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, sicheren und vertrauens-würdigen Dateninfrastruktur. GAIA-X kann hierbei eine wichtige Rolle einnehmen und ist daher konsequent umzusetzen.
Insgesamt ist nun schnell zu handeln, „um einen Abfluss der Wertschöpfung deutscher Unternehmen an die etablierten B2C-Plattformen aus den USA und China, die zunehmend auch in den B2B-Bereich vordringen, zu vermeiden“, fordert Irene Bertschek.