Technologien zum Klimaschutz CO2-Entnahme hochskalieren: Zwei neue Studien geben Orientierung

Beispiel für eine Technologie zur CO2-Entnahme: Luftfilter, die mit der neuartigen Methode „Direct Air Capture“ arbeiten

Bild: Climeworks
17.11.2023

Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz Ende November stellt sich die Frage: Verbreitet sich Klimatechnologie schnell genug, um die Erderwärmung auf unter 2 und möglichst 1,5 °C zu begrenzen? Was das Feld der CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre angeht, geben zwei neue Studien nun Orientierung.

Die beiden Studien zu Technologien der CO2-Entnahme wurden vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC mitverfasst, geleitet wurden sie von der University of Wisconsin-Madison in den USA. Laut dem ersten Paper, veröffentlicht in Communications, Earth & Environment, entspricht das erforderliche Entwicklungstempo der CO2-Entnahmetechnologien dem Tempo bei vergleichbaren Entwicklungen im letzten Jahrhundert. Das Forschungsteam nutzte erstmals den Datensatz von „Historical Adoption of TeCHnology (HATCH)“, einem Projekt, das viele früher eingeführte Technologien für Landwirtschaft, Industrie und Privathaushalte erfasst und analysiert. Ausgehend davon liefert es Erkenntnisse zur künftigen Ausbreitung von Technologien etwa zur CO2-Entnahme.

Die Studie analysiert zurück bis ins frühe 20. Jahrhundert das Entstehen und das Wachstum von 148 Technologien in elf Kategorien. Sie gleicht das ab mit vom Weltklimarat IPCC erstellten Modellszenarien zu CO2-Entnahmen sowie mit Ankündigungen von Firmen zu Ausbauplänen und Entnahmezielen in politischen Ankündigungen. Demnach liegt das laut der Szenarien erforderliche Ausbautempo solcher Technologien innerhalb der Bandbreite bei früheren Entwicklungen. Ansagen von Wirtschaft und Politik hingegen implizieren viel schnelleres Wachstum, als es die historische Erfahrung hergibt.

Konventionelle Methoden überwiegen deutlich

Die zweite Studie, in Joule veröffentlicht, befasst sich ebenfalls mit der Perspektive des Hochskalierens. Sie resümiert, dass neuartige Technologien zur CO2-Entnahme viel schneller als bisher verbreitet werden müssen, um dem Pariser Abkommen gerecht zu werden. Dazu müssen im Laufe dieses Jahrhunderts hunderte Gigatonnen CO2 entfernt werden. Beispiele für konventionelle Methoden sind Wiederaufforstung, Renaturierung von Feuchtgebieten und bessere Waldbewirtschaftung.

Alle anderen Methoden, bislang nur in kleinem Maßstab angewandt, werden als „neuartiges CDR“ bezeichnet (für carbon dioxide removal, also CO2-Entnahme). Beispiele sind große Luftfilter-Anlagen (Direct Air Capture), die Kombination aus Klimaplantagen und Biomasse-Kraftwerken mit Abscheiden und unterirdischem Verpressen von CO2, ferner das Speichern von CO2 in Biokohle. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit etwa zwei Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr abgetrennt werden, wovon fast alles auf die Forstwirtschaft entfällt und nur 0,1 Prozent auf neuartiges CDR. Aber praktisch alle Szenarien, die die Erderhitzung auf 1,5 oder 2 °C begrenzen, erfordern neuartiges CDR: Im Schnitt erfordern sie einen Anstieg um das 1.300-Fache bis zum Jahr 2050.

CO2-Entnahme klimarelevant machen

Das Forschungsteam befasst sich mit der formativen Phase von Technologien, von der ersten Kommerzialisierung bis zur schnellen Verbreitung. „Wenn Luftfiltersysteme und andere neuartige Methoden der CO2-Entnahme klimarelevant werden sollen, muss die formative Phase ein mindestens so hohes Aktivitätsniveau haben wie bei den schnellsten historischen Pendants“, sagt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und Co-Autor beider Studien. „Dies erfordert ein ernsthafteres Engagement für diese Technologien als derzeit. Das erforderliche Level ist nur erreichbar, wenn wir hier binnen 15 Jahren eine substanzielle Herausbildung der formativen Phase sehen.“

Gregory Nemet, Professor an der La Follette School of Public Affairs an der University of Wisconsin-Madison und Leitautor beider Studien, betont: „Das für die Ziele von 2 und 1,5 °C erforderliche Hochskalieren der CO2-Entnahmen liegt zwar am oberen Ende, aber noch innerhalb der Bandbreite der historischen Erfahrungen. Wir können aus diesen Erfahrungen lernen – um die CO2-Entnahmen in den nächsten drei Jahrzehnten auf eine klimarelevante Größenordnung zu bringen.“

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