Wissenschaftler haben sich bei der Entwicklung von Computersystemen schon lange vom Gehirn inspirieren lassen. Einige Forscher sind kürzlich sogar noch weiter gegangen und haben Computerhardware mit einer gehirnähnlichen Struktur entwickelt.
Diese „neuromorphen Chips“ haben sich bereits als sehr vielversprechend erwiesen, aber sie verwenden herkömmliche digitale Elektronik, was ihre Komplexität und Geschwindigkeit einschränkt. Je größer und komplexer die Chips werden, desto mehr stauen sich die Signale zwischen den einzelnen Komponenten wie Autos auf einer verstopften Autobahn, so dass die Berechnungen ins Stocken geraten.
100.000 Mal schneller als Menschen
Jetzt hat ein Team des National Institute of Standards and Technology (NIST) eine Lösung für diese Kommunikationsprobleme gefunden, die es künstlichen neuronalen Systemen eines Tages ermöglichen könnte, 100.000 Mal schneller zu arbeiten als das menschliche Gehirn.
Das menschliche Gehirn besteht aus einem Netzwerk von etwa 86 Milliarden Zellen, den so genannten Neuronen, von denen jede Tausende von Verbindungen (so genannte Synapsen) mit ihren Nachbarn haben kann. Die Neuronen kommunizieren untereinander mit kurzen elektrischen Impulsen, den so genannten Spikes, und erzeugen so reichhaltige, zeitlich variierende Aktivitätsmuster, die die Grundlage der Kognition bilden. In neuromorphen Chips fungieren elektronische Komponenten als künstliche Neuronen, die Spike-Signale durch ein gehirnähnliches Netzwerk leiten.
Unter Verzicht auf die herkömmliche elektronische Kommunikationsinfrastruktur haben die Forscher Netzwerke mit winzigen Lichtquellen an jedem Neuron entwickelt, die optische Signale an Tausende von Verbindungen senden. Dieses System kann besonders energieeffizient sein, wenn supraleitende Geräte verwendet werden, um einzelne Lichtteilchen, so genannte Photonen, zu erkennen – das kleinstmögliche optische Signal, das zur Darstellung eines Spikes verwendet werden könnte.
Biologische Synapse
NIST-Forscher haben nun zum ersten Mal einen Schaltkreis entwickelt, der sich ähnlich wie eine biologische Synapse verhält, jedoch nur einzelne Photonen zum Senden und Empfangen von Signalen verwendet. Ein solches Kunststück ist mit supraleitenden Einzelphotonendetektoren möglich.
Die Berechnung in der NIST-Schaltung findet dort statt, wo ein Einzelphotonendetektor auf ein supraleitendes Schaltungselement, einen so genannten Josephson-Übergang, trifft.
Ein Josephson-Übergang ist ein Sandwich aus supraleitenden Materialien, die durch eine dünne Isolierschicht getrennt sind. Wenn der Strom durch das Sandwich einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, beginnt der Josephson-Übergang, kleine Spannungsimpulse, so genannte Fluxons, zu erzeugen. Wenn der Ein-Photonen-Detektor ein Photon entdeckt, wird der Josephson-Übergang über diesen Schwellenwert hinaus geschoben und die Fluxons werden als Strom in einer supraleitenden Schleife akkumuliert.
Die Forscher können die Strommenge, die der Schleife pro Photon zugeführt wird, einstellen, indem sie eine Vorspannung (eine externe Stromquelle, die die Schaltkreise versorgt) an einen der Übergänge anlegen. Dies wird als synaptisches Gewicht bezeichnet.
Hardware an Probleme anpassbar
Dieses Verhalten ähnelt dem von biologischen Synapsen. Der gespeicherte Strom dient als eine Art Kurzzeitgedächtnis, da er aufzeichnet, wie oft das Neuron in der nahen Vergangenheit einen Spike produziert hat. Die Dauer dieses Gedächtnisses wird durch die Zeit bestimmt, die der elektrische Strom braucht, um in den supraleitenden Schleifen abzufallen, und die, wie das NIST-Team gezeigt hat, von Hunderten von Nanosekunden bis zu Millisekunden und wahrscheinlich darüber hinaus variieren kann.
Das bedeutet, dass die Hardware an Probleme angepasst werden könnte, die auf vielen verschiedenen Zeitskalen auftreten – von industriellen Hochgeschwindigkeits-Kontrollsystemen bis hin zu gemächlicheren Gesprächen mit Menschen.
Die Möglichkeit, durch Änderung der Vorspannung an den Josephson-Übergängen unterschiedliche Gewichte einzustellen, ermöglicht ein längerfristiges Gedächtnis, das genutzt werden kann, um die Netzwerke programmierbar zu machen, so dass ein und dasselbe Netzwerk viele verschiedene Probleme lösen könnte.
Kombination mit Halbleiterlichtquellen
Synapsen sind eine entscheidende Rechenkomponente des Gehirns, so dass diese Demonstration supraleitender Einzelphoton-Synapsen ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Verwirklichung der Vision des Teams von supraleitenden optoelektronischen Netzwerken ist. Doch das Ziel ist noch lange nicht erreicht. Der nächste Meilenstein des Teams wird darin bestehen, diese Synapsen mit Lichtquellen auf dem Chip zu kombinieren, um vollständig supraleitende optoelektronische Neuronen zu demonstrieren.
„Wir könnten das, was wir hier demonstriert haben, zur Lösung von Berechnungsproblemen verwenden, aber der Umfang wäre begrenzt“, sagte NIST-Projektleiter Jeff Shainline. „Unser nächstes Ziel ist es, diesen Fortschritt in der supraleitenden Elektronik mit Halbleiterlichtquellen zu kombinieren. Das wird es uns ermöglichen, die Kommunikation zwischen viel mehr Elementen zu erreichen und große, folgenreiche Probleme zu lösen.“
Das Team hat bereits Lichtquellen demonstriert, die in einem vollständigen System verwendet werden könnten, aber es sind weitere Arbeiten erforderlich, um alle Komponenten auf einem einzigen Chip zu integrieren. Die Synapsen selbst könnten durch die Verwendung von Detektormaterialien verbessert werden, die bei höheren Temperaturen arbeiten als das derzeitige System, und das Team erforscht auch Techniken zur Implementierung der synaptischen Gewichtung in größeren neuromorphen Chips.