Welche Trends beobachten Sie aktuell in der Lebensmittelindustrie?
Die Lebensmittelindustrie wird immer wichtiger, auch aufgrund der aktuellen politischen Lage. Damit gewinnt auch der Sicherheitsgedanke, vor allem in Richtung Cybersecurity, an Bedeutung. Ein weiterer Trend ist die Entwicklung von Prozessen mit höheren Automatisierungsgrad, um Chargenwechsel schneller und einfacher gestalten zu können.
Wo sehen Sie hier noch Gesprächsbedarf in der Branche?
Das Thema Cybersecurity bedarf auf jeden Fall noch Gesprächen. Die großen Unternehmen am Markt sind hier gut aufgestellt. Aber – wie auch in anderen Branchen – fehlt kleineren Unternehmen die Expertise, wie dieses Thema vernünftig, und vor allem sicher, gehandhabt werden muss. Vor allem die Frage, ob ein Sensor sicherheitsrelevant ist, bedarf sehr vieler Diskussionen. Hier lässt sich allerdings keine pauschale Aussage treffen. Welchen Sicherheitswert der Sensor hat, muss individuell, von Applikation zu Applikation, entschieden werden.
Welche Vorteile hat die Radarmesstechnik im Vergleich zu anderen Messprinzipien?
Klassisch kommt in der Lebensmittelbranche die Druckmesstechnik zum Einsatz. Dies hat den Hintergrund, dass in diesem Sektor lange Zeit für die Ausstattung der Anlagen nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung standen: Druckmesstechnik war lange Zeit einfach die günstigere Variante, um den Füllstand zu messen. Großer Nachteil von Druckmesstechnik ist allerdings die Abhängigkeit vom Medium: Milch hat beispielsweise eine andere Dichte als Wasser – hier muss der Sensor angeglichen werden. Mittlerweile ist der Preisunterschied zwischen beiden Messprinzipien nicht mehr so groß – deshalb setzen sich nun die Vorteile der Radarmesstechnik durch: Unabhängigkeit von Dichte und Temperatur.
Wie spiegelt sich das Verhältnis Drucksensoren zu Radarmesstechnik in Zahlen wider?
60 Prozent der Sensoren in der Lebensmittelindustrie sind Drucksensoren. Radarsensoren sind noch im einstelligen Prozentbereich, allerdings mit Entwicklung nach oben.
Für welche Anwendungen empfehlen Sie Radarsensoren und für welche Applikationen weniger?
Radarsensoren haben den großen Vorteil, dass sie sowohl für Flüssigkeiten als auch für Schüttgüter eingesetzt werden können. Außerdem sind sie – wie ich schon erwähnt habe – unabhängig von der Mediumdichte. In Applikationen, in denen sich die Füllstände sehr schnell verändern, ist ein Drucksensor allerdings immer noch von Vorteil, da Radarsensoren aktuell hierfür eine geringere Reaktionszeit haben.
Dies wird sich in Zukunft bestimmt noch ändern…
Genau. Die Radarmesstechnik hat weiterhin das Potenzial noch besser zu werden. Wir haben mit Einführung der 80-GHz-Frequenz einen großen Meilenstein in der Radartechnologie erreicht. Mittlerweile wissen wir, dass wir hier noch höher gehen können – und damit sind auch präzisere Messungen bei schnell sich ändernden Messständen problemlos möglich.
In der Lebensmittelindustrie ist die Radarmesstechnik erst auf dem Vormarsch. Welche Industrie ist hier schon weiter?
In der Lebensmittelbranche wurde in der Vergangenheit, wie ich schon erwähnt habe, statt auf Radarsensoren auf die günstigere Druckmesstechnik verwendet. Ein ähnliches Bild ist auch in der Wasser-/Abwasserbranche zu beobachten. Ganz anderes Bild hingegen in der chemischen Industrie: Hier sind die Prozesse sehr rau, die Messtechnik muss beständig gegen Chemikalien sein – hier wurde schon immer klassisch auf die Radarmesstechnik gesetzt.
Vega stellt Radarfüllstandsensoren seit über 30 Jahren her. Was hat sich in diesen Jahrzehnten verändert, welche großen Meilensteine gab es?
Vor 30 Jahren war Radarmesstechnik noch eine Messtechnik für sehr spezielle Anwendungen. Der erste große Meilenstein war, dass wir die Radarsensoren deutlich kleiner konstruiert haben und die Integration in den Prozess vereinfacht haben. Mit dem zweiten Meilenstein, unseren Plics-Sensoren, haben wir uns in unseren Entwicklungen mehr an dem Kunden orientiert – bis hierhin war bei den Anwendern sehr viel Know-how im Umgang mit Radarsensoren gefragt. Der nächste große Meilenstein war die Einführung der eben schon erwähnten 80-GHz-Technologie. Und mit dem Universalsensor 6X haben wir unseren jüngsten Meilenstein erreicht – mit Entwicklung eines eigenen Radar-Chips, der für eine höhere Messleistung und Sicherheit sorgt.
Wohin geht die Reise in Zukunft?
Eine einfache Bedienung der Radarsensoren für den Anwender wird weiter in den Fokus rücken. Dafür werden wir im Bestellprozess bei Bedarf Parameter abfragen, damit wir dem Sensor voreingestellt dem Kunden zur Verfügung stellen können, sodass er so wenig Zeit wie möglich an der Anlage verbringen muss. Damit einhergehend spielt mit hinein, dass der Kunde nicht mehr aus einem großen Blumenstrauß an in Frage kommenden Möglichkeiten seinen passenden Sensor aussuchen muss.
Welche Trends sehen Sie in der Lebensmittelbranche in den kommenden etwa fünf Jahren?
Neben der Cybersecurity wird die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln immer mehr in den Fokus rücken, sodass der Verbraucher nicht nur Informationen darüber erhält, wo das Nahrungsmittel zuletzt produziert worden ist, sondern die gesamte Prozesskette im Blick haben wird – also vom Feld bis auf den Teller.
In der Pharma- und Chemiebranche ist die Rückverfolgbarkeit ja schon länger Thema. Welche Gründe spielen in der Lebensmittelbranche für das vermehrte Interesse an Track & Trace – Produktpiraterie?
Genau, Produktfälschungen sind ein Grund, warum die Lebensmittelbranche sich immer mehr dem Thema Rückverfolgbarkeit annimmt. Ein weiterer Grund ist das verstärkte Interesse der Verbraucher an der Herkunft und Qualität der Lebensmittel. So hat beispielsweise in den letzten Jahren die Bio-Qualität einen starken Aufschwung erlebt, allerdings wird mit den Bio-Siegeln auch viel Schmu getrieben. Mit Track & Trace lässt sich die Lieferkette zertifiziert nachweisen.
Großes Thema in der Lebensmittelbranche ist auch Hygienic Design. Eigentlich ein Thema, das überall angekommen sein sollte. Beobachten Sie hier trotzdem noch Nachholbedarf, weil Hygienic Design dann doch nicht 100prozentig umgesetzt wird?
In der Lebensmittelindustrie wird wegen der Hygiene sehr stark darauf geachtet, welche Material eingesetzt werden. Dies ist auch in entsprechenden Zulassungen, wie der EG 1935/2004, hinterlegt. Allerdings stellen wir immer wieder fest, dass zwar auf die richtigen Materialien geachtet werden, aber nicht auf das hygienische Design. Da werden beispielsweise Sensoren verwendet, die zwar aus den passenden Materialien gefertigt sind, aber nicht nach Hygiene-Design-Richtlinien gebaut sind. In Europa sind wir hier war sehr weit, aber im nicht-europäischen Markt ist hier noch Nachholbedarf.
Stellt dies für den Verbraucher ein Problem dar?
Nein. Diese Anlagen werden mit sehr hohen Reinigungstemperaturen und viel Reinigungsmittel steril gehalten. Mit Blick auf den Energieverbrauch wäre es aber natürlich anders besser: Eine Anlage mit hygienischem Design benötigt kürzere Reinigungs- und Sterilisationszyklen mit weniger Reinigungsmittel und kleineren Temperaturen.