Wie sieht die richtige Kennzeichnung von Gasflaschen aus?
Henke:
Gasflaschen unterliegen einer vorgegebenen Kennzeichnung. So hat jede Flasche die für das enthaltene Gas spezielle Schulterfarbe, damit Rettungskräfte im Notfall sofort erkennen, mit welchem Gas der Betroffene zu tun hatte. Im Lebensmittelbereich ist weiter die Chargennummer für ein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem, das jederzeit rückverfolgt werden kann, wichtig. Außerdem müssen wir die Gasflaschen mit genau den Daten kennzeichnen, die wir von einer Käseverpackung oder Mineralwasserflasche kennen: Dazu zählen Angaben zum Hersteller mit Adresse und Anschrift sowie die Eigenmarke des Gases – bei uns beispielsweise das Lebensmittelgas Biogon. Der Laie kann in der Regel mit der Bezeichnung aber nur wenig anfangen. Deshalb schreibt der Gesetzgeber vor, dass die Flasche zusätzlich mit der landläufigen Bezeichnung des Gases gekennzeichnet ist.
Gasflaschen werden aber auch mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen, oder?
Henke:
Genau, dies ist etwas kurios. Der Gesetzgeber fordert ein Mindesthaltbarkeitsdatum, obwohl das Gas nicht verderben kann. Die Mitglieder des Industriegaseverbands haben sich deshalb darauf geeinigt, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum auf drei Jahre festgelegt wird. Aber natürlich gibt es hier immer wieder Nachfragen von Kunden.
Wofür werden Ihre Gase in der Lebensmittelbranche verwendet?
Henke:
Wir fokussieren uns mit unseren Gasen auf die komplette Lebensmittelbranche. Unser Kerngeschäft liegt – neben der Getränkeproduktion – dabei auf drei Bereichen: Frosten und Kühlen, Verpackungen sowie die Transportkühlung. Viele Lebensmittel werden mit Stickstoff (N2) oder Kohlendioxid (CO2) schockgefrostet; dafür liefern wir neben den eingesetzten Gasen auch das Anwendungsequipment wie beispielsweise Frosteranlagen. Unsere Gase und Gasgemische kommen außerdem bei unter Schutzatmosphäre verpackten Lebensmitteln zum Einsatz, um diese haltbar zu machen. Und in dem Bereich Transportkühlung sind wir durch unser Trockeneis vertreten, das für den Prozess und Versand benötigt wird.
Gase, die als Lebensmittelzusatzstoffe dienen, müssen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Welche Kriterien müssen erfüllt werden?
Henke:
In der Verordnung für Lebensmittelzusatzstoffe – und darunter fallen Kohlendioxid, Stick- und Sauerstoff – ist eindeutig geregelt, welche Reinheit die Gase aufweisen müssen und welche sonstigen Nebenbestandteile, beispielsweise Wasser, zulässig sind. Alles, was in der Verordnung nicht aufgeführt ist, ist damit automatisch verboten.
Sperger:
Einsatz finden Gase auch in der Getränkeindustrie, beispielsweise in der Gastronomie, aber auch im gesamten Wassersprudler-Sortiment. Hier geht es nicht nur um das Produkt selbst, also um das Aufsprudeln, sondern auch um das Befördern von Getränken aus einem Fass in ein Glas. Mehr und mehr steht hier auch das Thema Nachhaltigkeit im Mittelpunkt, für das wir bei der Firma Unterbichler Gase als hundertprozentige Linde-Tochter einen signifikanten Beitrag leisten. So werden beispielsweise nach Berechnungen Ende dieses Jahres in Deutschland etwa 200 Millionen PET-Flaschen vermieden – unter anderem durch den Einsatz von Wassersprudlern.
Nachhaltigkeit ist derzeit in aller Munde. Seit wann ist das Thema bei Ihnen im Unternehmen präsent, Herr Sperger?
Sperger:
Das Thema rückt seit drei bis vier Jahren immer mehr in den Mittelpunkt. Die Wachstumsraten im Bereich Home-Sparkling zeigen uns, dass wir mit unseren Produkten viele Haushalte in Deutschland erreichen. Deutlich wird dies auch an den Reaktionen der Einzelhändler, bei denen mittlerweile fast überall CO2-Flaschen und Sprudler gelistet sind. Auch leitungsgebundene Karbonisatoren, die klassisch in vielen Büros stehen, verzeichnen in den letzten Jahren immer höhere Wachstumsraten.
Frau Henke, der Geschäftsbereich Frosten und Kühlen ist bei Linde das Hauptgeschäft. Wie hat sich dieser Sektor in seinen Ursprüngen verändert?
Henke:
Carl von Linde hat vor 140 Jahren ursprünglich mit Kältetechnik angefangen. Folglich sind wir stolz darauf, dass der Bereich noch immer ein großes Steckenpferd für uns ist. Allerdings sind wir hier mittlerweile deutlich moderner unterwegs. Frosten- und Kühltechnologie von Linde gibt es heute nur noch mit technischen Gasen als Kältemittel. Früher gab es von Linde auch die sogenannte weiße Ware, sprich Kühlschränke. Das Geschäft haben wir vor vielen Jahren abgestoßen; wir konzentrieren uns hier nun komplett auf das Frosten mit kryogenen Gasen, umgangssprachlich auch Schockfrosten genannt. Da wir tiefkalt verflüssigte Gase verwenden, können wir Produkte schneller und somit in einer viel besseren Qualität haltbar machen – und dies ist ein deutlicher Unterschied zu der Kältetechnik, mit der Carl von Linde begonnen hat.
Beim Umgang mit Gasen spielt auch der Gesundheitsschutz der Menschen eine große Rolle. Welche Sicherheitsvorkehrungen müssen Sie im Unternehmen hierbei erfüllen, Frau Henke?
Henke:
Gase werden, wie erwähnt, als Lebensmittelzusatzstoffe hergestellt, folglich müssen wir wie jedes andere Lebensmittelunternehmen eine Gefahrenanalyse, ein HACCP-Konzept, nachweisen. Weiter stattet uns die Lebensmittelüberwachung unangekündigte Kontrollbesuche ab, und in Audits überprüft ein unabhängiger Dritter, in unserem Fall ist dies TÜV Süd, ob wir die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Folglich überprüfen wir alles in der Spezifikation Geforderte, und zwar für jeden Lkw, der unser Werk verlässt. Denn ein Tankwagen mit tiefkalt verflüssigtem Gas darf erst auf die Straße, wenn alle Kriterien als erfüllt bewertet sind. Dies wird in einem Abnahmeprüfzeugnis festgehalten. Außerdem nehmen wir auch mikrobiologische Kontrollen der Behälter – von Gasflaschen und Tanks – vor. Wir sind aber in der glücklichen Lage, dass unsere Gase ein lebensunfreundliches Umfeld darstellen, sodass wir mit Mikroorganismen keine Probleme haben.
Kommen wir zur Getränkeindustrie, Herr Sperger. Welche Gase können hier verwendet werden, inwiefern unterscheiden sie sich?
Sperger:
Für Wassersprudler kommt natürlich nur CO2 zum Einsatz. Das Wasser wird so prickelnd und spritzig und enthält eine leichte Säure. In der Gastronomie verwendet man als Schankgas hingegen entweder CO2 oder Mischgase, also ein Gemisch aus CO2 und Stickstoff. Dies beeinflusst einerseits die Förderbarkeit des Getränks aus einem Fass über den Zapfhahn ins Glas, andererseits die Spritzigkeit sowie die Schaumkrone beim Bier, die in erster Linie natürlich der Präsentation des Produkts dient: Ein Bier ohne Blume wird in unserer Hemisphäre – ganz anders als in England – als unattraktiv wahrgenommen. Dementsprechend kommt bei uns verhältnismäßig viel CO2 zum Einsatz. Um allerdings ein Aufkarbonisieren des Getränks zu vermeiden, setzt man bei verschiedenen Bedingungen wie zum Beispiel der Ausschankhäufigkeit und der Länge der Bierleitung im Restaurant auch auf Mischgase.
Das bedeutet, dass die eingesetzten Schankgase von Land zu Land verschieden sind?
Sperger:
Nicht notwendigerweise, aber zum Teil ja. In England wird meist Reinstickstoff verwendet, um die Flüssigkeit mittels Drucks zu transportieren. Das habe ich in Deutschland noch nicht erlebt – nicht einmal in einem Irish Pub.
Was muss man beim Handling von Gasflaschen berücksichtigen?
Sperger:
In der Lebensmittelbranche steht Sicherheit im Mittelpunkt. Nehmen wir beispielsweise das Produkt CO2: Kohlendioxid ist ein erstickungsgefährdendes Gas. Folglich ist es wichtig, das Gas richtig zu transportieren und zu lagern. Unsere Mitarbeiter haben deshalb beispielsweise darauf zu achten, dass in Lagerräumen der Gastronomien keine gefährlichen Konzentrationen von CO2 entstehen können. Wir bieten hier verschiedene Sicherheitssysteme, wie CO2-Warnsysteme, an.
Sicherheitssysteme sind nicht zwingend überall vorgeschrieben. Wann ist die Installation Pflicht?
Sperger:
Eine nicht vorhandene Gaswarnanlage beschränkt die Menge an Kohlendioxid, die in einem Raum gelagert werden darf. Ein klassisches Beispiel hierfür sind kleine Büroküchen, ausgestattet mit Wassersprudlern. Sobald Fenster und Tür geschlossen werden können, dürfen dort keine großen CO2-Flaschen gelagert werden. Deshalb gibt es von Seiten der Sprudlerhersteller eine Gefährdungsbeurteilung, die die CO2-Menge in den Räumen regelt, damit im Falle eines Gasaustritts keine kritische Konzentration erreicht werden kann. Wenn mehr Kohlendioxidflaschen gelagert werden sollen, ist ein CO2-Warnsystem Pflicht.