Beobachtung eines molekularen Bebens Was genau passiert im Moment der Protonenfreisetzung?

Die Studie wurde erst möglich durch die neuen Laserlabore im Forschungsbau Zemos, in denen sämtliche äußeren Störsignale minimiert werden.

Bild: RUB, Marquard
12.04.2023

Mit einer neuen Technik konnten Forschende live beobachten, was in der ersten Pikosekunde passiert, wenn ein Proton sich nach Lichteinstrahlung von einem Farbstoff löst.

In bestimmten Molekülen, den sogenannten Fotosäuren, kann durch die Anregung mit Licht lokal ein Proton freigesetzt werden. In der Lösung kommt es zu einer plötzlichen Änderung des pH-Wertes – eine Art schneller Schalter, der für viele chemische und biologische Prozesse bedeutend ist.

Bisher war allerdings noch unklar, was eigentlich genau im Moment der Protonenfreisetzung passiert. Genau das konnten Forschende im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation RESOLV der Ruhr-Universität Bochum jetzt mittels neuer Technik experimentell beobachten. Sie sahen ein winziges Beben, das nur drei bis fünf Pikosekunden lang andauert, bevor sich das Proton löst.

Bisher standen Farbstoff oder Base im Mittelpunkt

Eine der meistuntersuchten sogenannten Fotosäuren ist Pyranin, der fluoreszierende Farbstoff, der zum Beispiel in gelben Textmarkern verwendet wird. „Trotz einer Fülle von experimentellen Untersuchungen wurde der Prozess, der ganz am Anfang bei der Ablösung des Protons steht, immer noch kontrovers diskutiert“, berichtet Prof. Dr. Martina Havenith, Sprecherin von RESOLV.

Der gesamte Ablösungsprozess findet allerdings auch auf einer Zeitskala von nur 90 Pikosekunden (ps) statt. Eine Pikosekunde entspricht einem Millionstel von einer Millionstelsekunde.

Während bisherige Studien sich vor allem auf die Änderung des Farbstoffs nach der Lichtanregung konzentrierten, konnte das Team erstmals die Änderung des Lösungsmittels, in diesem Fall des Wassers, während dieses Vorgangs beobachten. Das gelang mithilfe einer neu entwickelten Technik, der „Optical Pump THz Probe Spektroskopie“.

Ultraschnelle Energieübertragung

„Wir konnten dabei verfolgen, wie es am Anfang zu einer Oszillation kommt, die dann in der Folge abklingt“, beschreibt Martina Havenith. „An der Grenze zwischen Fotosäure und Wasser wird unmittelbar nach der Lichtanregung ein Beben ausgelöst, das etwa 3 bis 5 ps lang anhält, bevor sich das Proton löst.“ Die ursprüngliche ultraschnelle Energieübertragung innerhalb von weniger als 1 ps führt zu einer Umstrukturierung der Wassermoleküle in unmittelbarer Umgebung und eröffnet den Weg für die nachfolgende Protonabwanderung.

Die Detektion wurde möglich durch die neuen Laserlabore im Forschungsbau Zemos. Dort werden alle äußeren Störsignale, etwa durch elektromagnetische Strahlung, Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen, minimiert. Erst dadurch wird es möglich, selbst winzigste Beben in einem Wasserstrahl mit dem Farbstoff nachzuweisen.

Kooperationspartner

Die begleitenden Simulationen wurden an der University of California in Berkeley in der Arbeitsgruppe von Martin Head-Gordon durchgeführt. Sie gehört zu Calsolv, dem Schwesterinstitut von Resolv.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation, Förderkennzeichen EXC 2033-390677874-Resolv, sowie durch den Europäischen Forschungsrat im Rahmen des ERC Advanced Grant 695437 (THz Calorimetry) und das Mercator Research Center Ruhr im Rahmen einer Professur der Universitätsallianz Ruhr.

Bildergalerie

  • Claudius Hoberg und Martina Havenith (rechts) führten die Untersuchungen im Forschungsbau Zemos durch.

    Claudius Hoberg und Martina Havenith (rechts) führten die Untersuchungen im Forschungsbau Zemos durch.

    Bild: RUB, Marquard

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