Nahtlose Kommunikation Smart Factory wird Realität

Die TSN-Netzwerkkarte von Kontron ermöglicht einen leichten Einstieg ins Time-Sensitive-Networking (TSN).

Bild: Kontron S&T
25.09.2018

Unter 100 Nanosekunden genau ist die Synchronisation verteilter Systeme im TSN-Netzwerk und ermöglicht damit eine schnelle Datenübertragung als grundlegende Technik für die Industrie 4.0. Gemeinsam mit dem OPC-UA-Standard wird die Smart Factory so zur Realität.

OPC UA ermöglicht eine nahtlose Kommunikation zwischen Geräten verschiedener Hersteller. Allerdings war das herstellerunabhängige Protokoll überall dort, wo zeitkritische Prozesse in der Industrie relevant sind, also beispielsweise bei der Maschinensteuerung, bislang wegen der fehlenden Echtzeitfähigkeit nicht einsetzbar. OPC UA über TSN erfüllt – dank garantierter Latenz und Quality of Service (QoS) – alle Anforderungen, um den bestehenden Feldbussen speziell in der Controller-Controller-Kommunikation ernsthaft Konkurrenz zu machen und sie mittelfristig sogar zu ersetzen.

Die Vernetzung ist das oberste Gebot, wenn man wettbewerbsfähig bleiben will. Das bedeutet auch, dass die Software-technischen Voraussetzungen hierzu geschaffen werden müssen, damit viele Geräte und Komponenten reibungslos zusammenarbeiten. Mit der Verbreitung des Internet of Things, wird in naher Zukunft die Anzahl vernetzter Sensoren und Maschinen drastisch zunehmen.

Gemäß einer Schätzung des Industrial Internet Consortium (IIC) werden in absehbarer Zeit rund 50 Milliarden Geräte im industriellen Einsatz sein. Um alle Daten, die in Unternehmen anfallen, unter einen Hut zu bekommen und um sie in weiterer Folge auch sinnvoll nutzen zu können, bedarf es einer Verschmelzung der klassischen Informationstechnologie (IT) mit der Betriebstechnik (OT) zu einem gemeinsamen physikalischen Netzwerk. Wichtig hierbei ist, dass auch wenn das Datenvolumen des IT-Bereichs das Netzwerk stark vereinnahmt, der OT-Betrieb ohne Beeinträchtigung weiterläuft. Dies kann nur mit entsprechenden Spezifikationen beziehungsweise Mechanismen, wie beispielsweise der IEEE 802.1 TSN Standards als Toolbox, geschehen.

TSN für Echtzeitfähigkeit

TSN ermöglicht konvergente Ethernet-basierende Netzwerke, auf denen parallel zum IT-Datenverkehr auch zeitsynchronisierte, deterministische Kommunikation möglich ist, wie sie bei zeitkritischen Maschinensteuerungen und Prozessen unabdingbar sind. Die IEEE 802.1-TSN-Spezifikationen, wie Timing und Synchronisation, Time Aware Traffic Scheduling, Frame Preemption, Seamless Redundancy, Time Aware Shaping, Policing und weitere, sorgen dafür, dass Datenpakete auf einem Standard-Ethernet-Netzwerk nach Bedarf garantiert zeitgerecht und hoch verfügbar zugestellt werden.

Im industriellen Umfeld kann Ethernet TSN mit garantierter Latenz und Quality of Service (QoS) mit Zeitsynchronisation proprietäre Feldbussysteme beispielsweise bei der Maschinensteuerung in der Fertigung ergänzen sowie mittelfristig sogar ersetzen und gleichzeitig nahtlos bis in die IT-Ebene kommunizieren.

In das IIoT-Umfeld integrieren

Nicht nur der TSN-Standard an sich ist interessant, sondern auch die Art, wie daran gearbeitet wird. Hier spielen Organisationen beziehungsweise Zusammenschlüsse von Herstellern eine wichtige Rolle, die die jeweiligen Standards vorantreiben. Prominentes Beispiel für einen solchen Zusammenschluss ist das Industrial Internet Consortium (IIC), das 2017 den „Testbed Showcase Award“ gewonnen hat. Zusammen mit 23 Mitgliedern und Teilnehmern (Stand April 2018) bildet das IIC eine industriell konfigurierte Umgebung nach – ein sogenanntes TSN Testbed. Dieses wird bereits seit 2015 betrieben und bildet die Realität der Industrie möglichst genau nach, sodass der TSN-Standard vorab auf Markttauglichkeit getestet werden kann.

In dieser Testumgebung prüfen die Hersteller ihre Komponenten gemeinsam auf Interoperabilität und Perfor­mance. Dabei geht es zum Beispiel darum, High-Performance-Anwendungen mit latenzempfindlichen Applikationen auf einem einzigen Netzwerk, einem konvergenten Ethernet, zusammenzuführen. Auch kritische und Best-Effort-Datenflüsse werden kombiniert. Im Rahmen des Testbeds ist es auch möglich, Schnittstellen für Edge- beziehungsweise Cloud-­Managementsysteme auszuloten, damit diese in das IIoT-Umfeld integriert werden können. Ebenso lässt sich die M2M-Ebene (etwa OPC UA pub/sub Kommunikation) in das System implementieren.

Die durch das TSN-Testbed für IIoT gewonnenen Erkenntnisse sind für Anwendungen in diversen Branchen und ihren jeweiligen Testbeds wertvoll, etwa in der Fabrikautomatisierung, der Versorgungswirtschaft, im Bereich Transportation oder Automotive. Diese pragmatische, kooperative Form der Zusammenarbeit zwischen Technologieherstellern ist neu in der Industrie. Durch die Teilnahme am Testbed wird nicht nur der Nutzen des TSN-Standards bewertet. Die Hersteller erhalten wichtige Erkenntnisse zur Implementierung und zur Sicherstellung der Interoperabilität und Stabilität ihrer Produkte und können so auf eventuell auftretende Probleme reagieren. Immer im Fokus steht dabei, durch einen lebendigen Standard die bestmögliche Performance für den Kunden zu erreichen.

Einstieg ins TSN ab sofort möglich

Die Sammlung von Standards unter dem Label TSN ist als Baukasten zu sehen, der in seiner Gesamtheit unterschiedliche Methoden zum Umgang und zur Priorisierung des Netzwerkverkehrs beschreibt. Die Bausteine, auch Substandards genannt, lassen sich in vier wichtige Kategorien unterteilen: Zeitsynchronisation, Traffic Scheduling, Redundanz und Systemkonfiguration. Für den Anwender ist es nicht nötig, die Fertigstellung aller TSN-Substandards abzuwarten, denn vorhandene Features können bereits jetzt genutzt werden: Die Spezifikationen für die wichtigsten Standards, die industrielle Anwendungen unterstützen, sind heute schon verfügbar oder werden umgehend soweit sein.

Kontron, ein Anbieter von IoT/Embedded-Computer-Technologie (ECT), ist Teilnehmer des IIC Testbeds und hat eine TSN-Netzwerkkarte auf den Markt gebracht. Diese ist herstellerunabhängig einsetzbar und ermöglicht Unternehmen einen unkomplizierten Einstieg ins Time Sensitive Networking. Die TSN-Netzwerkkarte erweitert beispielsweise problemlos die Kontron Box PCs (KBox C-Serie), 19-Zoll-Server (ZINC 19 2U/4U), Embedded-Server (ZINC CUBE C232) und Workstations (HPW 410). Grundsätzlich ist sie jedoch herstellerunabhängig einsetzbar und wird zudem mit Pri­vate Labeling angeboten, sodass Maschinenhersteller, Automatisierer und Systemintegratoren die TSN-Karte unter ihrem Markennamen in ihre Geräte einbauen und damit ihren Kunden Time-to-Market-Vorteile für die Integration in TSN-Netze ermöglichen können. Für den Einstieg in die TSN-Technologie bietet Kontron darüber hinaus ein TSN-Starterkit mit zwei vorkonfektionierten Systemen und entsprechender Software an.

OPC UA für Plattformunabhängigkeit

Die Grundlage für die herstellerunabhängige Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, die schon vor einigen Jahren von der Industrie geschaffen wurde, ist OPC UA, der Open Platform Communication Unified Architecture Standard. Der globale Interoperabilitätsstandard ist eine Antwort auf die notwendige digitale Vernetzung aller Systeme, die durch Industrie-4.0-Prozesse entsteht – Stichwort IIoT. Maschinen müssen gesteuert und synchronisiert werden, gefilterte und bewertete (Sensor-)Daten müssen zwischen diversen Maschinen und Geräten beziehungsweise über verschiedene Automatisierungsebenen hinweg ausgetauscht werden – vom Shop Floor bis in den Office Floor. Ohne ein entsprechendes Protokoll, das die Schnittstellen eine Sprache sprechen lässt, sind diese Vorgänge komplex und in der Implementierung zeitaufwändig und teuer.

OPC UA ermöglicht einen nahtlosen, sicheren und zuverlässigen Informationsfluss zwischen Geräten mehrerer Hersteller und trägt damit neben TSN als Transportlayer entscheidend zur Konvergenz der industriellen Infrastrukturen bei. Durch den Interoperabilitätsstandard werden die neuen Anforderungen an Sicherheit, Datenmodellierung, Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit optimal adressiert. Der OPC-Foundation, die den OPC-UA-Standard weiterentwickelt und definiert, gehören mittlerweile mehr als 580 renommierte Unternehmen und Organisationen an (Stand Juni 2018). Darunter neben Fertigungsunternehmern und Zulieferern auch Technologieanbieter, von großen Playern bis hin zu Unternehmen mit kleineren Marktanteilen.

Hard- und Software & Service aus einer Hand

Damit die Zeitenwende in Richtung Digitalisierung gelingt, kommen für den Anwender idealerweise Hardware und vorintegrierte Cloud-Lösungen, beispielsweise für Microsoft Azure IoT Edge, sowie weitere Software, Services und Beratungsleistungen aus einem Haus. Kontron profitiert hier von dem Verbund mit der S&T-Unternehmensgruppe. Eine Tochter des Technologiekonzerns, die S&T Technologies, bringt mit erweiterten Ressourcen und einem zusätzlichen Standort in Augsburg wichtiges Software- und Consulting-Know-how für den Aufbau von IoT-Szenarien von der Edge bis zur Cloud mit.

Eine zentrale Komponente dabei ist die neue IoT-Plattform Susitec. Im Umfeld von Industrie 4.0 löst Susitec die bisherigen Grenzen zwischen Datenerzeugung, Datenverarbeitung und Datenbereitstellung auf und ermöglicht damit die Verschmelzung von IT und OT. Susitec ist flexibel konfigurierbar und wird individuell auf die jeweilige Automatisierungslösung angepasst. Steuerungs- und Sensordaten können damit beim Kunden vor Ort in dessen On-Premise-Embedded-Cloud gesammelt und analysiert werden, und mit weiteren, externen Public-Cloud-Strukturen nach Bedarf vernetzt werden.

Die komplexen Schnittstellen zwischen IT und OT sind heute oft noch ein Innovationshemmnis. 59 Prozent aller kleinen und mittelständischen Unternehmen geben vor allem die Investitionskosten als Hinderungsgrund an, warum Industrie 4.0 noch nicht oder nicht umfassend eingesetzt werden. Dabei schätzen die Unternehmen ihre Vorteile hoch ein: 72 Prozent erhoffen sich eine Steigerung der Produktionsflexibilität, 52 Prozent erwarten schnellere Reaktionszeiten und 47 Prozent hoffen, die Effektivität ihrer Anlagen zu erhöhen. Das ergab eine Studie von Ernst & Young, die Ende 2017 veröffentlicht wurde. Mit dem Time-Sensitive-Networking-Standard (TSN) und dem M2M-Protokoll-Standard OPC UA könnten Unternehmer der Vision von der optimal vernetzten Industrie schon bald einen großen Schritt näherkommen. Mit der Erweiterung des bestehenden Ethernet-Standards in Richtung deterministische Datentransfers („Echtzeit-Fähigkeit“) ist TSN auf der Transportebene der Hauptbaustein für die Konvergenz von IT und OT.

Bildergalerie

  • Kontrons „From Edge-to-Fog-to-Cloud“ mit TSN und OPC UA

    Kontrons „From Edge-to-Fog-to-Cloud“ mit TSN und OPC UA

    Bild: Kontron S&T

  • Im Umfeld von Industrie-4.0-Anwendungen übernimmt Susietec die Analyse und Verarbeitung der entstehenden Daten und löst die bisherigen Grenzen zwischen Datenerzeugung, -verarbeitung und -bereitstellung auf.

    Im Umfeld von Industrie-4.0-Anwendungen übernimmt Susietec die Analyse und Verarbeitung der entstehenden Daten und löst die bisherigen Grenzen zwischen Datenerzeugung, -verarbeitung und -bereitstellung auf.

    Bild: Kontron S&T

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