Jedes Fertigungsszenario ist einzigartig. Und doch sieht sich jedes produzierende Unternehmen der gleichen Herausforderung gegenüber: die prozesssichere und wirtschaftliche Herstellung seiner Produkte. Manuell ausgeführt können bestimmte Arbeitsschritte im Betrieb schnell zu unliebsamen wie unrentablen Ressourcenfressern werden. Wer diese Prozesse jedoch gezielt zu automatisieren weiß, dem ist ein Wettbewerbsvorteil garantiert. Der entscheidende Vorteil: Kollaborierende Roboter können die gleiche Bewegung viele Stunden lang wieder und wieder mit höchster Präzision und konstant ausführen. So steigern sie die Produktivität, reduzieren den Ausschuss und entlasten ihre menschlichen Kollegen, sodass diese sich stärker wertschöpfenden Tätigkeiten widmen können.
Drei zentrale Überlegungen
Beim Aufbau einer Robotik-Lösung gilt es drei grundlegende Aspekte zu beachten: die Prozess-Anforderung, die Umgebungs-Anforderung und die Werkstück-Anforderung. Damit können sich Unternehmen Schritt für Schritt über die zentralen Automatisierungspotenziale in ihrer Wertschöpfungskette klar werden.
1. Die Prozess-Anforderung
Die ersten Gedanken zum möglichen Cobot-Einsatz sorgen dafür, jene Bewegungsabläufe zu identifizieren, die es zu automatisieren lohnt: Ist ein spezieller Prozess monoton, repetitiv und vielleicht sogar ergonomisch ungünstig? Kostet seine händische Ausführung wertvolle Arbeitszeit? Bremst er womöglich den Produktionsablauf? Genau bei solchen Tätigkeiten verbirgt sich in der Regel Verbesserungspotenzial, denn Mitarbeiter sind dafür meist überqualifiziert. Oft lassen sich Fachkräfte für diese Arbeiten gar nicht erst finden.
Solche Erfahrungen machte auch der Mittelständler Baumruk & Baumruk, ein metallverarbeitender Betrieb mit Sitz in der Nähe des tschechischen Pilsen. Dem Mangel an qualifiziertem Personal wirkt das Unternehmen durch den Einsatz zweier Cobots von Universal Robots (UR) entgegen. „Natürlich kann nicht alles sinnvoll und effektiv automatisiert werden, aber wo immer wir Potenzial sehen, Routineaufgaben zu reduzieren, versuchen wir, dies zu tun“, erklärt Martin Baumruk, Geschäftsführer von Baumruk & Baumruk. Während die UR10-Roboterarme Kleinteile in CNC-Maschinen platzieren, minimieren sie Wiederholungs- und Routinearbeiten für die Belegschaft im Werk.
Ob Montage, Pick & Place, CNC oder Verpacken: Die kollaborierenden Roboter von UR können jede nur denkbare Aufgabe, die eine Traglast bis zu 10 kg erfordert, übernehmen. Die Bewegungen eines menschlichen Arms können sie reibungslos nachahmen und selbst hochpräzise Abläufe durch ihre Wiederholgenauigkeit von 0,1 mm zuverlässig ausführen. Daneben ist die Benutzerfreundlichkeit eines der Grundprinzipien der Cobots. Selbst ungeübte Bediener können ihre intuitive Programmierung und Handhabung schnell erlernen. Martin Baumruk bestätigt: „Wir haben den gesamten Arbeitsplatz einschließlich der Anbindung an das Maschinensystem selbst entwickelt und gebaut. Nachdem alles vorbereitet war, haben wir die Roboter in nur wenigen Tagen erfolgreich zum Laufen gebracht.“
2. Die Umgebungs-Anforderung
In einem nächsten Schritt ist es ratsam, einen Blick auf den potenziellen Einsatzort des kollaborierenden Roboters zu werfen: Wie gestaltet sich die Stellfläche und der Arbeitsradius? Soll eine Interaktion mit oder in unmittelbarer Nähe zum Menschen stattfinden?
Die meisten Cobot-Modelle sind so kompakt konzipiert, dass sie sich selbst in begrenzten Umgebungen problemlos implementieren lassen. So betrachtet Baumruk-Konstrukteur Tomáš Bláha den geringen Platzbedarf als einen der wesentlichen Gründe, für die Anschaffung der UR-Roboter: „Für uns war es von entscheidender Bedeutung, die Roboter in den bestehenden Arbeitsbereich einzugliedern, wo das Raumangebot sehr begrenzt ist. Deshalb konnten wir auch keine Standard-Industrieroboter verwenden, denn es gab einfach nicht genug Platz, um einen Sicherheitsbereich um sie herum einzurichten.“ Die variablen Arbeitsradien der Modelle sorgen wiederum für einen passgenauen Einsatz. Kompakte Tischroboter, wie der UR3, erledigen oft die kleinteiligen Aufgaben bei KMUs. Größere Roboterarme verfügen hingegen über Reichweiten von bis zu 1,3 m, so der UR10, und eigenen sich besonders für Prozesse, wo der Abstand zwischen den Betriebsbereichen ausgedehnt ist.
Auch bei der Firma Gustav Hensel, einem Hersteller von Elektroinstallations- und Verteilungslösungen, entschied man sich deswegen bei einem Automatisierungsprojekt zur Palettierung vom Kabelabzweigkästen für einen UR10. „Wenn der Roboter die Verpackungseinheiten ganz nach unten auf eine Palette stellen muss, ist sein umfangreicher Arbeitsradius enorm wichtig“, erklärt Christoph Kaiser, Leiter der Kunststofffertigung bei Hensel. Weiterhin spielte bei der Implementierung des Modells seine Fähigkeit zur Kollaboration eine entscheidende Rolle, da ein ständiger, direkter Zugriff auf den Palettier-
Roboter durch die Belegschaft möglich sein sollte. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Risikobeurteilung palettiert der Roboter seither ganz ohne Schutzumhausung sicher in unmittelbarer Nähe seiner menschlichen Kollegen.
3. Die Werkstück-Anforderung
Schließlich sollten Betriebe bei der Konfiguration ihrer Roboter-Applikation die Beschaffenheit der zu handelnden Werkstücke betrachten. Ob filigrane Montageteile, empfindliche Werkstoffe oder schwere Baukomponenten: Ausgestattet mit den passenden Peripherie-Produkten können Cobots fast jedes Werkstück bewegen oder bearbeiten. Jedoch sollte bei der Anschaffung eines kollaborierenden Roboters grundsätzlich immer auch seine Modulschnittstelle im Blick behalten werden. Denn entscheidend ist, dass sich Endeffektoren und Co einfach und schnell am Roboterarm montieren lassen.
Die Vielfalt an Peripherie-Produkten und damit einhergehenden Einsatzszenarien kennt Nichrominox nur zu gut. Das französische 37-Mann-Familienunternehmen produziert Sterilisationssysteme für Zahnärzte. Dabei unterstützen vier UR5-Roboter die Belegschaft an drei verschiedenen Produktionslinien – in der Montage sogar in unmittelbarem Teamwork mit dem Bediener. Hier ist der Roboterarm mit einem Zwei-Finger-Greifer sowie Kraft-Momenten-Sensor ausgestattet, um eine sensitive Interaktion zu gewährleisten. Muss ein Cobot ultrafiligrane Komponenten handeln können, ist es womöglich sinnvoll zusätzliche Sensoren, Vision-Systeme oder auch die UR-Modellreihe e-Series, die bereits mit einem Kraft-Momenten-Sensor ausgestattet ist, einzusetzen. Durch sie kann das Greifen, Halten und Ablegen von Teilen verstärkt optisch oder haptisch kontrolliert werden.
Offene Bedienoberflächen für Plugins
Nun könnte man denken: „So viel Zubehör? Das macht eine Roboter-Anwendung viel zu kompliziert.“ Ein Einwand, der schnell zunichte gemacht werden kann, wenn Betriebe bei ihrem Cobot darauf achten, dass seine Bedienoberfläche für ergänzende Software beziehungsweise Plugins ausgelegt ist. Damit können sie die Kommunikation zwischen den einzelnen Modulen reibungslos steuern. Mit einer entsprechenden Recherche ist auch dieser letzte Schritt hin zur Automationslösung ein Leichtes, da Hersteller beginnen, die Peripherie-Produkte in Online-Portalen systematisch darzustellen. Ein Beispiel findet sich im Universal Robots+ Showroom, mit dem UR seinen Kunden eine umfangreiche Auswahl an zertifizierten Greifern, Software und Zubehör bietet, die garantiert mit den Cobots kompatibel sind.