Der Abwasserzweckverband Staufener Bucht will am Rhein in Südbaden eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage errichten, die anders als bei konventionellen Verfahren den Phosphor schon während des Verbrennungsvorgangs extrahiert.
Entwickelt wurde das Rückgewinnungsverfahren von der Firma Wehrle-Werk und dem Forschungspartner Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Die vielversprechende Technologie soll das Phosphor-Recycling wirtschaftlicher machen.
Funktioniert die Pilotanlage im Megawattmaßstab wie erhofft, ließen sich bestehende Klärschlammverbrennungsanlagen mit der Technologie nachrüsten. Zusätzliche Schritte wären dann nicht nötig.
Phosphor-Recycling aus Abfallströmen
Phosphor ist ein lebenswichtiger Inhaltsstoff der Nahrung und zudem auch eine Schlüsselchemikalie in Düngemitteln. Der Stoff wird heute überwiegend aus Phosphatgestein gewonnen. Große Lagerstätten derartiger Mineralien gibt es vor allem in Nordafrika, jedoch nicht in Europa, was zukünftig zu Versorgungsengpässen führen kann.
Aus diesem Grund wird das Recycling von Phosphor aus Abfallströmen an Bedeutung gewinnen. Klärschlamm ist ein solcher Abfallstrom, der heute in der Regel verbrannt wird, ohne dass der darin enthaltene Phosphor zurückgewonnen wird. Allein in Deutschland könnten 50 Prozent des gesamten Phosphorbedarfs durch Klärschlamm gedeckt werden.
Pilotanlage am Standort Breisach-Grezhausen
Die Technologie von ZSW und Wehrle soll nun erstmalig in Form einer großen Pilotanlage von Wehrle in einer Kläranlage gebaut und im Projekt erprobt werden. Auftraggeber der P-Xtract-Pilotanlage (P für Phosphor, Xtract für Extraktion) ist der Abwasserzweckverband Staufener Bucht.
Die Anlage soll südlich von Freiburg am Kläranlagenstandort Breisach-Grezhausen entstehen. Der Klärschlamm wird dort in einer sogenannten modifizierten Wirbelschichtverbrennung vollständig verbrannt. Dabei soll der Phosphor zurückgewonnen werden.
Als positiver Nebeneffekt entfallen damit künftig auch die Lkw-Transporte des Klärschlamms von den insgesamt sieben im Projekt beteiligten Kläranlagen in Südbaden in eine Klärschlammverbrennung nach Nordrhein-Westfalen. Im Projekt wollen die Partner den Betrieb der Wirbelschichtverbrennung und die Phosphorrückgewinnung optimieren.
Rückgewinnung während der Klärschlammverbrennung
Es gibt bereits seit Mitte der 2000er Jahre unterschiedliche Ansätze zur Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm, jedoch sind die meisten von ihnen komplex und teuer. Bei einigen Verfahren wird der Phosphor bei der Abwasseraufbereitung zurückgewonnen, bei anderen aus der Asche nach der Verbrennung des Klärschlamms.
Der Vorteil der neuen Entwicklung ist, dass der Phosphor bereits während der Verbrennung des Klärschlamms extrahiert wird und dadurch keine weiteren, gesonderten Prozessschritte notwendig sind. Die Technologie beruht im Kern darauf, dass sich während der Klärschlammverbrennung bei rund 900 °C und unter Zugabe von Zusatzstoffen ein nahezu schadstofffreier phosphorhaltiger Wertstoff bildet. Dieser kann anschließend zu Düngergranulat verarbeitet werden.
„Wir freuen uns, dass wir an der Entwicklung dieses Verfahren bis zum Pilotmaßstab beteiligt sind und dass nun in der Anlage in Breisach-Grezhausen die Technologie unter realen Bedingungen erprobt wird“, sagt Dr. Jochen Brellochs, Projektleiter am ZSW. „Im Erfolgsfall kann dann diese Technologie an neuen Standorten aufgebaut oder in bereits bestehenden Klärschlammverbrennungen integriert werden.“
Transfer in den 1-MW-Maßstab
Die Forscher des ZSW haben die grundsätzliche technische Machbarkeit des Verfahrens gemeinsam mit der F&E-Abteilung von Wehrle bereits an einer eigenen Versuchsanlage in Stuttgart nachgewiesen. Nun unterstützt das Zentrum den Technologietransfer in den 1-MW-Pilotmaßstab in Grezhausen. Neben der Hochskalierung wollen die Partner auch weitere Verbesserungen am Verfahren erproben.
„Wir werden an verschiedenen Stellschrauben ansetzen“, kündigt Brellochs an. „Optimierungen im Anlagendesign sollen die Rückgewinnungsquote von Phosphor auf deutlich über 80 Prozent steigern. Außerdem soll die Bioverfügbarkeit des recycelten Phosphors in Pflanzen durch neue Zusätze weiter erhöht werden.“ Der Projektpartner Albert-Ludwigs-Universität Freiburg untersucht dabei, wie gut die Pflanzen das entstandene Phosphor-Produkt nutzen können.
Der Übertrag der Technologie vom Labor in den ersten großen Feldversuch kommt zur rechten Zeit: Ab 2029 müssen Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern laut Klärschlammverordnung einen Teil ihres Phosphors aus Klärschlamm zurückgewinnen, wenn der Phosphorgehalt 20 g pro Kilogramm Klärschlamm oder mehr beträgt.