Beschleunigungsbasierte Messprinzipien konventioneller Neigungssensoren können physikalisch bedingt nicht zwischen Erdbeschleunigung und externer Beschleunigung unterscheiden. Da nun in dynamischen Applikationen neben der Erdanziehung auch externe Kräfte wirken, zum Beispiel durch Anfahren, Abbremsen oder Fliehkräfte und so weiter, entstehen Messfehler. Externe Beschleunigungsfehler kompensieren können jetzt die neuen inertialen Messsysteme F99-Fusion von Pepperl+Fuchs. Sie garantieren erstmals fehlerfreie Neigungsmessungen, was die Effizienz in Applikationen steigert und völlig neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet.
Beschleunigungs- respektive Neigungssensoren kommen in den unterschiedlichsten Anwendungen zum Einsatz. Sie liefern unverzichtbare Informationen für den reibungslosen und sicheren Betrieb von Anlagen und Maschinen. Typische Anwendungsfelder sind Nutzfahrzeuge – vom Bagger, der sich in unebenem Gelände bewegt bis zum stationären oder mobilen Kran. Wie etwa auch bei der Nivellierung mobiler Arbeitsbühnen gilt es hierbei vor allem kritische Neigungswinkel oder Beladungszustände zu überwachen. Bei Schiffen beispielsweise kommt es auf die gleichmäßige Beladung oder die Befüllung von Ballasttanks zur optimalen Gewichtsverteilung an.
Auch die mannigfachen Anwendungen in der Logistik oder der Lager- und Fördertechnik von Fabrikanlagen stellen unterschiedlichste Anforderungen. Dazu zählen nicht nur Umgebungseinflüsse im In- und Outdoor-Einsatz wie Schmutz, Staub, Öl, Schock und Vibration, Hitze, Kälte oder Feuchtigkeit. Diese sind mit den robusten Geräteausführungen der F99-Baureihe weitgehend beherrschbar. Es sind vor allem schnelle, externe Beschleunigungen in dynamischen Anwendungen, wie etwa beim Anfahren und Abbremsen oder bei Richtungsänderungen, Kurvenfahrten und so weiter, bis hin zu Erschütterungen, die bei konventionellen Beschleunigungs- und Neigungssensoren zu Fehlmessungen führen. Die Ursache dafür ist physikalisch bedingt und erklärt sich im Messprinzip solcher Sensoren.
Messprinzip konventioneller Neigungssensoren
Beschleunigungs- beziehungsweise Neigungssensoren basieren in der Regel auf mikromechanischen Messelementen nach dem Prinzip eines Feder-Masse-Systems. In den sogenannten MEMS-Sensoren (Mikro Electromechanical Spring Mass System) befinden sich gestapelte Platten, die über Federelemente miteinander verbunden sind. Die äußeren Platten sind fest und die mittlere zusammen mit der seismischen Masse beweglich. Ihre Beweglichkeit wird durch die Spiralfedern begrenzt. Durch diesen Aufbau entsteht eine Reihenschaltung mehrerer Kondensatoren mit veränderlicher Kapazität. Veränderlich deshalb, weil sich der Plattenabstand der beiden Kondensatoren durch die Beschleunigung der Masse, respektive Gravitation verändert.
Der Plattenabstand verändert die Kapazität eines Kondensators proportional zur Beschleunigung. Diese Kapazitätsänderung wird gemessen und daraus zusammen mit der Rückstellkraft der Federelemente die Beschleunigung beziehungsweise Neigung berechnet. Ob nun die Erdanziehungskräfte zu einer Veränderung der Plattenabstände führen oder ob diese aus extern einwirkenden Kräften resultieren, ist so nicht unterscheidbar. Die daraus resultierenden Messfehler, haben im schlimmsten Fall Schäden, mit Sicherheit aber Effizienzeinbußen zur Folge.
Sensorkombination in einem Gerät
Die Inertialmesssysteme F99-Fusion kombinieren diese konventionellen Beschleunigungssensoren nun erstmals mit Gyroskopen in einem einzigen Gerät. Die so integrierten Sensorelemente messen jeweils in drei Achsen. Damit können alle Daten immer in X-, Y- und Z-Richtung erfasst werden. Wo also bisher für anspruchsvolle Anwendungen mehrere Geräte benötigt wurden, genügt jetzt ein einziger F99-Fusion. Das spart Zeit und Kosten sowohl bei der Beschaffung als auch bei der Integration der Sensoren. Zudem ist die Installation der F99-Fusion einfacher als die konventioneller Neigungssensoren, weil das Messsystem unabhängig von Lage und Ausrichtung immer eindeutige Daten liefert. Wie alle Sensoren der Baureihe bestehen auch die F99-Fusion immer aus einem Sensormodul und einem robusten Metallhaltewinkel, der eine einfache Montage erlaubt und gleichzeitig Schlagschutz bietet. Muss ein Sensor getauscht werden, bleibt der Haltewinkel montiert. Es wird lediglich das Sensormodul ersetzt. Dabei ist weder eine Justierung noch eine Kalibrierung erforderlich.
Entscheidend für das Erkennen und Filtern externer Beschleunigungskräfte ist der von Pepperl+Fuchs speziell entwickelte intelligente Sensor-Fusion-Algorithmus, der die Informationen der unterschiedlichen Sensorelemente miteinander verknüpft. So ist das System in der Lage, externe Beschleunigungen auszugleichen und dem Anwender auch bei dynamischer Bewegung präzise Neigungsdaten zu liefern – und zwar unabhängig davon, ob das System gerade bewegt, beschleunigt oder gebremst wird. Dies optimiert die Leistungsfähigkeit solcher Systeme, weil ohne Zeitverlust gefilterte Messwerte exaktere und schnellere Bewegungsabläufe ermöglichen.
Dabei können Anwender sowohl die Rohdaten aus den einzelnen Sensorelementen als auch die in Echtzeit berechneten verschiedenen Fusionsdaten nutzen. Als Rohdaten stehen Beschleunigung, Drehrate und Rotationsbeschleunigung zur Auswahl. Durch einen zusätzlich integrierten Temperatursensor sind sogar Temperaturdaten verfügbar, die beispielsweise als Indikator für den Gerätezustand genutzt werden können. Als wählbare Fusionsdaten gelten vor allem die lineare Beschleunigung, Gravitationsvektor, Euler-Winkel und Quaternionen sowie kundenseitig programmierbare Filter, mit denen sich die F99-Fusion an Applikationen anpassen lassen.
Fakten
Die inertialen Messsysteme F99-Fusion können bis zu ±2 g externe Beschleunigung kompensieren und bieten eine Genauigkeit von bis zu ±0,5° bei einer Winkelauflösung von 0,01°. Sie werden mit einer SAE CAN J1939 Schnittstelle geliefert und gewährleisten mit der Schutzart IP68/69 maximale Dichtigkeit. Ihr temperaturbezogener Einsatzbereich erstreckt sich von -40 °C bis +85 °C. Außerdem zeichnen sich die F99-Fusion durch eine Schock- und Vibrationsresistenz bis zu 100 g sowie eine erhöhte EMV-Störfestigkeit (elektromagnetische Verträglichkeit) aus, geprüft nach ISO 7637 und ISO 11452. Mit einer E1- Zulassung für den öffentlichen Straßenverkehr und GL-Zulassung für den Einsatz auf hoher See leisten die F99-Fusion branchenübergreifend und weltweit ihren Beitrag zur Realisierung unzähliger Projekte.
Mehr Effizienz in der Praxis
Die Kompensation externer Beschleunigungen in Neigungssensoren macht Anwendungen in vielfältiger Hinsicht effizienter. Ein typisches Beispiel ist die Lenkeinschlagsbegrenzung an knickgelenkten Radladern oder Muldenkippern. Wird hier der Lenkeinschlag in Schräglage zu stark, kann das Fahrzeug kippen. Auch Gabelstapler können bei zu scharfen Kurvenfahrten in zu starke Schräglage kommen. Eine effiziente Lenkeinschlagsbegrenzung kann dies verhindern. Die Kompensation der externen Beschleunigungskräfte erlaubt dabei maximale, sichere Fahrgeschwindigkeiten.
Auch das Gewicht aufgenommener Ladungen wie bei Radladern ist mit den F99-Fusion schnell erfassbar. Normalerweise sind in solchen Applikationen die Messfehler durch externe Beschleunigungen nur durch aufwändige nachträgliche Berechnungen zu kompensieren. Die dafür notwendige Unterbrechung im Bewegungsablauf ist jedoch meist aus Zeitgründen nicht möglich. Mit den F99-Fusion ist keine Pause im Be- beziehungsweise Entladevorgang mehr notwendig. Der Wiegeprozess kann während der Fahrt fehlerfrei durchgeführt und die Effizienz des Gesamtprozesses gesteigert werden.