Scheich Mohammed Mussallam hat in seinem Leben schon viele Unternehmen in ganz unterschiedlichen Bereichen geleitet, unter anderem in der Bau- und Telekommunikationsbranche sowie im Hotelgewerbe. Mit Anfang 50 reizt es ihn, noch einmal etwas ganz Neues auszuprobieren: Als er vor zehn Jahren Freunde in Armenien besucht, berichten diese ihm begeistert von der Qualität und Reinheit armenischen Wassers, und er begegnet zum ersten Mal den zahlreichen Legenden und Mythen, die sich hier um das nasse Element ranken. Das bringt ihn auf eine Idee.
Premiumprodukt aus den armenischen Bergen
In den 80er-Jahren hat Mussallam bereits einen familiengeführten Abfüllbetrieb für Trinkwasser in Flaschen geleitet. Nun reift in ihm der ehrgeizige Plan, sich dem Thema erneut zuzuwenden - dieses Mal aber mit einem Premiumprodukt, von dem er inzwischen selbst so überzeugt ist, dass er es am liebsten in die ganze Welt tragen möchte: armenisches, natürliches Mineral- und Quellwasser.
2012 nimmt der Scheich Kontakt zur dortigen Regierung auf, die ihm sehr kooperative Ansprechpartner aus dem Umwelt- und dem Bergbauministerium an die Seite stellt. Mit einem schweizerischen Geotech-Unternehmen macht er sich auf die Suche nach dem richtigen Ort, den er schließlich in Artavaz in der Region Kotajk im Pambak-Gebirge rund 80 km nordöstlich der Hauptstadt Jerewan findet.
Hier, in der Nähe eines der beliebtesten und größten armenischen Skigebiete um Zaghkadsor, wo die Berge des Kleinen Kaukasus eine Höhe von mehr als 2.800 m erreichen, sprudeln zwei Quellen in der völlig unberührten Natur: Vom 2.050 m hohen Berg Anapak stammt das Rare-Mineralwasser. Es enthält Bicarbonat und ist calciumreich sowie natriumarm; es regt die Verdauung sanft an und eignet sich wegen seines hohen Mineraliengehalts besonders für die Zubereitung von Babynahrung. Das reine Quellwasser entspringt nur 5 km entfernt in 2.450 m Höhe aus dem Berg Aknaler. Seine niedrige bis mittlere Mineralisierung macht es sehr ausgewogen.
Kompromisslos reines Wasser
Nach umfangreicher Recherche und Analyse wird die hohe Qualität des Rare-Wassers über einen Zeitraum von fünf Jahren durch einige anerkannte Organisationen zertifiziert. Dazu zählen Geotest in der Schweiz, das SGS Institut Fresenius in Deutschland, Zenith Global in Großbritannien sowie die Armenische Nationale Akademie der Wissenschaften.
Die natürliche Reinheit, hohe Qualität und spezifische Zusammensetzung des Wassers werden kontinuierlich überwacht. Um die Quelle vor jeglichen externen Einflüssen zu schützen, erwirbt A&M Rare das gesamte Gebiet und wandelt es sukzessive in ein Naturschutzgebiet um – das erfordert einen wahren Verhandlungsmarathon.
Bis Mussallam von den verschiedenen Eigentümern in dem wenig besiedelten Gebiet insgesamt 1.700 Hektar Land gekauft hat und mit seinem Unternehmen A&M Rare an den Start gehen kann, vergehen seit der allerersten Idee fünf Jahre. Aber zu Kompromissen ist Mussallam nicht bereit: Die absolute Reinheit und unverfälschte Qualität seines Wassers haben für ihn allerhöchste Priorität.
„Unsere Produkte sind komplett unbehandelt und werden in keiner Weise aufbereitet“, sagt der Scheich. „Ich sage immer mit einem Augenzwinkern, dass die einzige Maschine, die wir benutzen, um das Wasser vom Berg zu uns zu bringen, die Schwerkraft ist.“ Sein Herz brennt dabei besonders für die reine Naturlandschaft, die zu jeder Jahreszeit einen paradiesischen Reiz entfaltet.
Angetan hat es ihm auch die Kultur des Landes, deren Bevölkerung er als ausgesprochen aufgeschlossen, kooperativ und gastfreundlich empfindet. Das gilt auch hinsichtlich der politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen für Investoren.
Bezug zu Dortmund
Als Partner für Zertifizierungen, Zulassungen und grundlegende technische Fragen wählt Mussallam SGS-TÜV Saar aus, entstanden aus einem Joint-Venture des TÜV Saarland mit der SGS-Gruppe Deutschland. Das Unternehmen unterstützt und berät ihn in allen Fragen der Anlagen-, Gebäude- und Maschinensicherheit, aber auch hinsichtlich der Produktsicherheit. Über eine Empfehlung der Firma kommt schließlich der Kontakt zum Dortmunder Systemanbieter KHS zustande.
„Mir war es wichtig, dass wir auch beim Thema Produktion und Abfüllung höchste Standards einhalten“, berichtet Mussallam. „Dazu gehören für mich auf der einen Seite die Hightech-Ausstattung mit Maschinen und Anlagen, auf der anderen Seite aber auch der After-Sales-Service in diesem etwas abgelegenen Teil der Welt. Für KHS hat mich besonders eingenommen, dass ich fast alles aus einer Hand beziehen kann und dass wir jederzeit innerhalb von nur 48 Stunden einen KHS-Techniker vor Ort haben.“
Wichtig ist dem saudi-arabischen Unternehmer auch, dass die persönliche Beziehung stimmt: Mit Oliver Schneider, Vice President Sales bei KHS, verbindet ihn inzwischen ein regelrecht freundschaftliches Verhältnis – die beiden sind per du. Schneider betont: „Auch wenn Mohammed relativ neu im Geschäft ist, weiß er sehr genau, was er will und was er tut. Er sprüht förmlich vor Ideen, bei deren Umsetzung wir ihn von Anfang an mit großem Interesse und Engagement unterstützen konnten. Das weiß er zu schätzen – und so hat sich zwischen uns schnell ein echtes Vertrauensverhältnis entwickelt.“
Erdbeben und Schnee als Herausforderung
Der Einsatz der KHS-Experten reicht von der Gebäude- und Infrastrukturplanung über das technische Konzept bis hin zur Flaschen-, Etiketten- und Verpackungsgestaltung. Schon der Bau der Halle stellt im erdbebengefährdeten Armenien eine besondere Herausforderung dar: Die Außenmauern sind aus massivem Beton, das Dach aus Verbundplatten.
Angesichts der enormen Temperaturschwankungen und mitunter eisigen Temperaturen im Gebirge wird auch der thermischen Dämmung große Aufmerksamkeit gewidmet. Im Winter wird es hier minus -25 °C kalt, und Schneehöhen von 2 m oder mehr sind keine Seltenheit. Dann müssen auch die Zufahrten und umliegenden Straßen freigehalten werden, um die Auslieferung des Wassers zu ermöglichen.
„A&M Rare ist eine der modernsten Fabriken, die ich je gesehen habe“, betont Schneider. „Insgesamt 22 Millionen Euro hat Mussallam hier investiert, davon alleine rund 6,8 Millionen Euro in die Technik. Alle Materialien und Lösungen sind vom Feinsten.“
Zwei Linien hat KHS installiert: eine Einweg-PET-Linie und eine Glaslinie, beide im Leistungsbereich von bis zu 12.000 Flaschen pro Stunde. Auf ihnen können sowohl das stille Quell- als auch das karbonisierte Mineralwasser abgefüllt werden. Während die PET-Linie über einen Streckblas-Füllblock verfügt, ist es bei der Glaslinie ein Rinser-Füllblock.
„Um dem hohen Qualitätsanspruch an die Produkte gerecht zu werden, sind beide Blöcke und die Verschließer in jeweils einen eigenen Hygieneraum eingehaust“, erklärt Schneider. „Der Nassteil wurde konsequent vom Trockenteil abgetrennt, der – hinter einer Trennwand – im Lagerbereich platziert ist.“ Beide Linien sind mit der KHS-Etikettiermaschine Innoket Neo SK ausgestattet, welche die Flaschen mit selbstklebenden und transparenten Etiketten im No-Label-Look versieht.
Keine Bediener, nur Überwacher
Auch der Verpackungsbereich ist mit jeweils einem Wraparound-Packer Innopack Kisters WP bestückt. In die Glaslinie wurde zusätzlich ein sogenannter Partition Inserter integriert. „Er setzt ein Kartongefache ein, das verhindert, dass die Glasflaschen im Karton aneinanderstoßen“, sagt Schneider. „In einem Land wie Armenien ist das Thema Logistik anders zu bewerten als bei uns in Westeuropa, speziell im Hinblick auf die Straßenverhältnisse.“ Anders als sonst in diesem Leistungsbereich, in dem die Palettierung häufig manuell erfolgt, sind beide Linien mit dem vollautomatischen KHS-Palettierer Innopal PBL-1 ausgestattet.
„Mohammed hat neben der Flexibilität extrem großen Wert auf einen hohen Automatisierungsgrad gelegt“, ergänzt Schneider. „Das war sicher auch einer der Gründe, die den Ausschlag für KHS gegeben haben.“ Entsprechend ist das Layout der Fabrik gestaltet: Die Glas- und die PET-Linie stehen einander in einer sogenannten Kammaufstellung fast spiegelbildlich gegenüber.
„Uns war es wichtig, dass wir die Anlagen mit möglichst wenig Personal betreiben können“, unterstreicht Mussallam. „Deshalb sprechen wir über unsere Techniker konsequenterweise auch nicht als Operator oder Bediener, sondern bezeichnen sie als Monitors, also Überwacher, wenn Sie so wollen.“
Flaschendesign mit Alleinstellungsmerkmal
Zu den sehr konkreten Ideen und Vorstellungen Mussallams gehört insbesondere die Verpackung für sein Produkt. Als Flaschenform hat er sich für eine minimalistische zylindrische Form mit flachem Boden entschieden, die oben von einer flaschenbreiten Dekorkappe abgeschlossen wird – für das stille Quellwasser in Blau, für das Mineralwasser in Gold.
Was bei den Glasflaschen relativ leicht umzusetzen ist, stellt die KHS-Experten des Bottles-&-Shapes-Programms bei den PET-Flaschen vor gewisse Herausforderungen: „Ausgangspunkt war mein an der Marke orientierter Wunsch, dass die PET-Flaschen für das stille Wasser und die Glasflaschen für das karbonisierte Wasser optisch identisch aussehen sollten“, erinnert sich Mussallam. „Mir ist natürlich bewusst, dass ein PET-Behälter, der primär unter Stabilitätsaspekten designt wird, eigentlich schrecklich aussehen müsste. Deshalb ist es eine umso größere Leistung, dass die Fachleute von KHS eine formstabile, zylindrische Flasche konstruieren und dabei jeden meiner Wünsche erfüllen konnten.“
So wollte Mussallam zum Beispiel auf keinen Fall einen nach innen gewölbten Boden wie bei einer Sektflasche. „Da war viel Ingenieurskunst im Spiel“, berichtet der Scheich, „aber auch Geduld bei den Kollegen von KHS.“ Jedes Detail sowohl der PET- als auch der Glasflasche wurde so konzipiert, dass es die Premium-Positionierung der Marke widerspiegelt und zugleich für höchstmögliche Lebensmittelsicherheit sorgt.
Anders als beim Wettbewerb werden die Packs dabei nicht mit Schrumpffolie zusammengehalten, sondern zu zwölf Flaschen in ansprechend gestaltete Kartons gepackt und abschließend auf Paletten gestapelt. Nun sind sie gut gerüstet für ihre mitunter lange Reise: Denn angesichts einer Bevölkerung von weniger als drei Millionen Menschen, einem gewissen Wettbewerb und dem hohen Importanteil beim Wasser kalkuliert Mussallam damit, nur etwa zehn Prozent seines Ausstoßes innerhalb Armeniens zu verkaufen.
Den Rest exportiert er unter anderem in den russischen Markt oder nach Europa – dafür hat er sein Wasser nach EU-Standards zertifizieren lassen. Aber auch in den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und natürlich in seinem Heimatland Saudi-Arabien finden sich Abnehmer.
Sprachbarrieren bei den Montageteams
Bei der Anlieferung stellten allein die geographischen Rahmenbedingungen schon eine gewisse Herausforderung dar: „In den Bergen sind die Verkehrswege natürlich etwas eingeschränkt“, erinnert sich Schneider. „Die Maschinen bringen einige Tonnen auf die Waage, die nicht so einfach auf über 2.000 m Höhe zu schaffen sind, speziell bei winterlichen Witterungsverhältnissen.“
Auch die Kommunikation erforderte eine gewisse Flexibilität. „Wenn Sie Leute aus Saudi-Arabien, Armenien, Deutschland und ein Montageteam aus der Ukraine, Kasachstan und Russland unter einen Hut bringen wollen, benötigen Sie manchmal zwei Übersetzer, damit zwei Leute sich verstehen“, erzählt Mussallam lachend.
War die Installation noch vollkommen reibungslos verlaufen, wurde die Inbetriebnahme durch die Coronakrise und die damit verbundenen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit des 15-köpfigen KHS-Teams unterbrochen. „Sobald die ersten Beschränkungen aufgehoben wurden, war KHS wieder zur Stelle“, berichtet Mussallam. „Natürlich mussten dann immer noch strengste Hygieneregeln eingehalten und zum Beispiel am Flughafen etliche Dokumente präsentiert werden. Die Kollegen von KHS haben wir in den Bergen einquartiert und den Zugang zur Fabrik strikt geregelt. Das hat alles sehr gut funktioniert – so konnten wir die Verzögerung auf insgesamt vier Monate begrenzen.“
Diese Zeit wurde laut Mussallam genutzt, um das Marketing voranzutreiben und die Bevorratung mit Rohstoffen so weit aufzustocken, dass aus dem Stand vier Millionen Flaschen produziert werden können. „Außerdem wurde die Infrastruktur in der Umgebung weiter verbessert, indem wir uns dem Straßenbau oder den Stromleitungen gewidmet haben.“
Nächstes Projekt im Blick
Auch für die Qualifizierung der Mitarbeiter und Führungskräfte wurde die durch Corona verlorene und zugleich gewonnene Zeit genutzt. Mussallam: „Wir haben uns die besten Leute von den Universitäten ausgesucht. Dabei wurde auf Erfahrung nicht so viel Wert gelegt, weil wir uns ganz auf die Qualität des Trainings verlassen können. Die Profis von KHS vermitteln unseren Kollegen das nötige Rüstzeug, damit sie die Besten ihres Fachs werden.“
Nun kann der Unternehmer es kaum erwarten, seine beiden Linien innerhalb kürzester Zeit voll auszulasten, damit er sich seinem nächsten Projekt zuwenden kann: Mussallam träumt bereits von einer zweiten Fabrik mit einer großen Mehrweg-Glaslinie, damit er noch mehr Verbraucher vom armenischen Wasser überzeugen kann.