Schummelsoftware Schlupflöcher rund um EU-Ökodesign und Energielabel schließen

Würden Hersteller die Schlupflöcher sehr breit ausnutzen, würde die erwartbare CO2-Einsparung aufgrund der zu gut deklarierten Effizienz der betreffenden Geräte jedes Jahr um rund 200.000 Tonnen CO2-Äquivalente geringer ausfallen.

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27.09.2021

Die gesetzlichen Vorgaben zum Verbrauch und zur Leistung von Elektrogeräten können durch Manipulation der Labortests umgangen werden: Das ist nicht nur mittels versteckter Software möglich, die die Prüfsituation erkennt, sondern auch durch den Missbrauch spezifischer Herstellerinstruktionen. Weil sich Umgehungen mit Standardmessverfahren meist nicht aufdecken lassen, wurden für 18 Verdachtsfälle in acht verschiedenen Produktgruppen spezielle Testverfahren entwickelt.

Vier Labore in Deutschland, Italien, Spanien und den Niederlanden testeten insgesamt 24 gezielt ausgewählte Produktmodelle, wobei sechs der getesteten Modelle ein Verhalten der Umgehung oder an der Grenze zur Umgehung zeigten.

Würden Hersteller diese Schlupflöcher sehr breit ausnutzen, würde die erwartbare CO2-Einsparung aufgrund der zu gut deklarierten Effizienz der betreffenden Geräte jedes Jahr um rund 200.000 Tonnen CO2-Äquivalente geringer ausfallen. Über die gesamte Lebensdauer der Geräte wären es theoretisch rund 2,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Zwei wesentliche Wege, um Schlupflöcher zu schließen

„Deshalb sollte die Europäische Union die vorhandenen Schwachstellen in der Gesetzgebung und den Standards so schnell wie möglich schließen“, fordert Projektleiterin Kathrin Graulich vom Öko-Institut.

Hier empfiehlt das Forschungsteam zwei Wege. Erstens sollte die EU die Definition von „Umgehung“ (Circumvention) erweitern: Bisher umfasst diese ausschließlich integrierte Software, die die Testsituation erkennt und die Verbrauchswerte automatisch optimiert. Ergänzt und damit verboten werden sollten weitere Umgehungsmöglichkeiten.

Hierzu zählen der Missbrauch von Herstellerinstruktionen, mit denen spezifische Anweisungen für Labore speziell während der Prüfung zu besseren Ergebnissen führen, sowie mögliche Voreinstellungen oder Funktionen von Produkten, die den Energieverbrauch in der Testsituation reduzieren, im realen Leben jedoch extrem selten oder sogar nur theoretisch anwendbar sind.

Zweitens benötigen Marktüberwachungsbehörden die rechtliche Handhabe, von den vorgegebenen Standardmessverfahren abzuweichen, um Umgehung aufzudecken. Das ANTICSS-Forschungsteam hat hierzu Testverfahren entwickelt, in denen die unter Manipulationsverdacht stehenden Parameter geringfügig variiert werden. Weichen die Ergebnisse signifikant von denjenigen unter Normbedingungen ab, erhärtet sich der Verdacht, dass das Gerät speziell für die Konformitätsprüfung optimiert wurde. Wie genau diese Alternativverfahren künftig in der Gesetzgebung und den Standards anzuwenden sind, dazu besteht weiterer Forschungs- und Handlungsbedarf.

Vertrauensverlust als größte Gefahr

Das vorrangige Ziel ist es, Schlupflöcher zu schließen und Umgehung von vornherein zu erschweren, um Marktverzerrungen und Fehlinformationen zur Umweltwirkung von Produkten zu vermeiden.

„Jenseits verlorener Energieeinsparungen wäre ein viel größerer Schaden der Vertrauensverlust der Verbraucherinnen und Verbraucher in die bisher sehr erfolgreiche EU- Gesetzgebung zu Ökodesign und Energielabel“, befürchtet Kathrin Graulich.

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