Zirkuläre Verfahren Mit der Kreislauffabrik zum ewig innovativen Produkt

Ausgestattet mit neuster Technik, hier aus dem Bereich additive Fertigung, startet das Team des neuen Sonderforschungsbereichs durch.

Bild: Beckhoff
27.11.2023

Take, make, use, dispose – so sieht der klassische lineare Wirtschaftsansatz aus. Forscher des KIT wollen diesen nun entscheidend verändern. Sie bauen in einem Sonderprojekt eine Kreislauffabrik, die gebrauchte Produkte so aufbereitet, dass sie wieder als Neuprodukte zur Verfügung stehen.

Der rasant steigende globale Ressourcenverbrauch führt laut Global Footprint Network dazu, dass im Jahr 2022 etwa 1,75 Erden notwendig gewesen wären, um ihn zu decken. Forschende des KIT sehen einen Lösungsansatz für dieses Problem in zirkulären Verfahren. Sie bauen hierfür in einem neuen Sonderforschungsbereich (SFB) eine „Kreislauffabrik für das ewige Produkt“.

Insbesondere produzierende Unternehmen stehen vor der Herausforderung, zirkuläre Ansätze wirtschaftlich in Großserie zu gestalten. Heute finden diese meist noch in Kleinserien mit einem hohen Anteil an manuellen Arbeitsschritten an Niedriglohnstandorten statt. So beträgt der Anteil des recycelten und wieder in die Wirtschaft eingespeisten Materials am gesamten Materialeinsatz in Europa im Jahr 2022 beispielsweise erst 7,2 Prozent.

„Als Gesellschaft können wir die von uns nicht mehr benötigten Produkte nicht immer weiter einfach nur entsorgen. Um unsere Ressourcen langfristig nutzen zu können, müssen wir konsequent in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen, um im besten Fall Produkte beziehungsweise deren Komponenten ewig nutzen zu können“, sagt Prof. Oliver Kraft in Vertretung des Präsidenten des KIT. „Entsprechende zirkuläre Wirtschaftsansätze stehen im Fokus des neuen SFB, der am KIT die Kompetenzen der Forschenden aus Maschinenbau, Informatik sowie Elektrotechnik und Informationstechnik zusammenführt.“

Vision des ewigen Produkts

Bislang gilt das Remanufacturing, also das Aufarbeiten gebrauchter Produkte, als Verfahren mit dem höchsten Standard in Bezug auf Qualität und Garantie der aufgearbeiteten Produkte. „Es ist das einzige zirkuläre Verfahren, das in diesen Punkten mit einem Neuprodukt konkurrieren kann“, sagt Prof. Gisela Lanza, Leiterin des wbk-Instituts für Produktionstechnik des KIT und Sprecherin des SFB. Die Vision der Kreislauffabrik gehe jedoch weit darüber hinaus. Sie bestehe darin, „eine integrierte lineare und zirkuläre Produktion von Neuprodukten mit individuellem Aufarbeitungsanteil in industriellem Maßstab möglich zu machen“, erklärt die Professorin.

Die Kreislauffabrik soll gebrauchte Produkte in aktuelle Produktgenerationen überführen, um so der Vision des ewigen innovativen Produkts näherzukommen. Auch wenn eine „ewige“ Nutzung gebrauchter Produktsubstanz praktisch nicht realisierbar erscheint, soll die Vision des ewigen innovativen Produkts eingeführt werden. Laut Lanza ist das vergleichbar mit dem Nordstern, der den Idealzustand darstellt und auf den alles ausgerichtet werden soll.

Die Professorin ergänzt: „Der Sonderforschungsbereich 1574 markiert einen Eckpfeiler in unserem Forschungsprogramm für das nächste Jahrzehnt am wbk-Institut für Produktionstechnik. Unsere Grundlagenforschung bildet die Basis für den Wandel der Wirtschaft von linearen zu zirkulären Modellen und der Befähigung einer Kreislauffabrik für das ewige, innovative Produkt.“ Auf dieser Basis möchte Lanza mit ihrem Team zahlreiche anwendungsnahe Verbundprojekte mit der Industrie starten, die den Weg für eine nachhaltige und innovative Zukunft bereiten.

Themenfelder und Projektbereiche

Um die noch unbekannten Vorgänge und Mechanismen zu erforschen, beschäftigt sich das SFB-Team mit wissenschaftlichen Fragen aus Produktionstechnik, Produktentwicklung und Werkstofftechnik, Arbeitswissenschaft, Robotik, Informatik und Wissensmodellierung. Zentrale Fragestellungen sind:

  • Wie lassen sich aus unikalen Gebrauchtprodukten Neuprodukte generieren?

  • Wie wird ihre Funktionalität im zweiten Lebenszyklus gewährleistet?

  • Wie können Menschen komplexe Problemlösungsstrategien erlernen und wie werden diese Strategien auf automatisierte Produktionstechnik übertragen?

  • Wie lässt sich dies in einem wandelbaren, autonomen Produktionssystem wirtschaftlich umsetzen, um zirkuläre Produktion in Großserie am Hochlohnstandort zu ermöglichen?

  • Wie lassen sich Daten und Informationen nutzen, um den Prozess weiter zu verbessern?

Zur Beantwortung dieser Fragen ist das SFB-Vorhaben in drei Projektbereiche gegliedert. Projektbereich A erforscht die Planung und Steuerung der Kreislauffabrik, um den maximalen Werterhalt von unikalen Gebrauchtprodukten für den Primärmarkt zu erreichen, Projektbereich B entwirft Messstrategien zur Erfassung, Modellierung und Bewertung des individuellen Produktzustands sowie zur Erfassung und Interpretation der menschlichen Prozessausführung. Projektbereich C erschafft ein voll modulares Produktionssystem, das eine fortlaufende Adaption auf immer neue Produktinstanzen ermöglicht.

Der Aufbau der Kreislauffabrik im Labormaßstab ist in der ersten Förderperiode geplant. Die DFG fördert das Projekt vom 1. April 2024 bis zum 31. Dezember 2027 mit rund elf Millionen Euro. Neben dem KIT beteiligt sind das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, die Hochschule Aalen und die Universität Stuttgart.

Bildergalerie

  • Umfassende Vorarbeiten wurden bereits geleistet, hier zu sehen am Beispiel der vom Menschen lernenden Produktionstechnik.

    Umfassende Vorarbeiten wurden bereits geleistet, hier zu sehen am Beispiel der vom Menschen lernenden Produktionstechnik.

    Bild: KIT

  • Das Team des SFB „Kreislauffabrik für das ewige Produkt“

    Das Team des SFB „Kreislauffabrik für das ewige Produkt“

    Bild: KIT

Verwandte Artikel