PCAP-Bedienkonzepte für die Medizin Gelungene Mischung

Bild: iStock, zeljkosantrac
06.06.2017

PCAP-Touches bieten für medizinische Geräte zahlreiche Vorteile. Entscheidend ist dabei allerdings der Einsatz der passenden Techniken. Werden sie richtig kombiniert, ergeben sich für Ärzte neue Möglichkeiten der Interaktion mit Medizingeräten.

Die Anforderungen an medizinische Geräte haben sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Wurde bis vor circa 10 Jahren mit resistiven Touches hauptsächlich Wert auf Funktionalität und Sicherheit gelegt, spielt heute zudem die Kombination von Design und Bedienkonzept eine immer wichtigere Rolle. Bei aktuellen Geräte dominieren mittlerweile Projected Capacitive Touches (PCAP), die modern und zweckmäßig sind. Sie sind in Laboren, Praxen und Krankenhäusern allgegenwärtig und der Bedarf steigt aufgrund der geweckten Nutzerbedürfnissen und den Möglichkeiten der PCAP-Technologie weiter an.

Weitestgehend ausgereift ist die PCAP-Technik in puncto Wasser- und Handschuhbedienung, erweitertem Temperaturbereich und EMV-Konformität. Es existieren außerdem unterschiedliche Aufbaumöglichkeiten für sie, wie SITO-, OGS-, Film/Film- und Glas-Touches. Sie lässt sich deshalb gut an verschiedene Einsatzgebiete anpassen. Auch im Optical-Bonding-Bereich ist die PCAP-Technik mittlerweile ausgereift.

PCAP mit haptischer Rückmeldung

Jede Touch-Interaktion wird mittels direkter Kraftrückübertragung zur Bestätigung an den User auf dem Touchsensor abgebildet. Dies kann auch ohne Blickkontakt erfolgen, denn der User erkennt allein durch fühlbares Feedback in Form von Vibration die Position seines Fingers auf dem Sensor. Nützlich ist eine solche Usability in medizinischen Applikationen, in denen der Anwender den ständigen Fokus auf den Patienten in unmittelbarer Nähe zum Bildschirm haben muss. Der Nutzen eines haptischen Feedbacks bleibt allerdings noch überschaubar. Den Usern genügt in der Regel schon das Berühren der Oberfläche als taktiles Feedback.

Die Integration der Zusatzfunktion Haptik in eine Applikation ist aufwändig, äußerst komplex und kostenintensiv, denn das mechanische Konzept muss darauf angepasst werden, da taktile Feedbackgeber, mechanische Aktuatoren, Vibrationsmotoren, Piezoelemente und lineare Antriebe integriert werden müssen. Um ein solches Feedback überhaupt zu gewährleisten, muss die Oberfläche außerdem schwimmend ins Gehäuse integriert werden. Ansonsten kann keine Vibration an den User übermittelt werden. Die bewegte Masse, wie der Touch und das Coverglas, ist dabei ein wesentlicher Faktor, denn durch die Sicherheitsanforderungen in medizinischen Anwendungen wird teils mit Covergläsern von mehr als 2 mm Dicke gearbeitet. Eine optimale Systemstabilität, Lebensdauer, Leistungsaufnahme und Krafteinwirkung auf Verbindungselemente wird dadurch allerdings nicht erreicht.

Hover Gesture - berührungsfreie Bedienung

Hover Gesture ist die berührungsfreie Interaktion durch Gesten in einem definierten Raum und über vorgegebene x-, y-, und z-Achsen. Die Ermittlung der Gesten erfolgt entweder über ein elektromagnetisches Feld und zusätzlich eine Touchoberfläche oder vollständig kamerabasiert. Das Graphical User Interface (GUI) des Displays wird nicht durch Finger verdeckt, die Sicht auf den Bildschirm bleibt frei. Eine Verschmutzung der Oberfläche findet kaum statt und die Interaktion mit dem Touchsensor kann auch ohne Blickkontakt erfolgen. Die Gesten müssen allerdings zuerst erlernt werden. Hat der User seinen Finger in der Nähe der Bedienfläche, greift er automatisch auf erlernte Bedienmuster zurück und berührt den Bildschirm.

Um medizinische Systeme auf Gestensteuerung umzustellen, sind umfangreiche Anpassungen im GUI-Design notwendig und auch die Usability muss neu überdacht werden. Für Anforderungen an das Sicherheitsmanagement in der Medizin, wie zwingend redundante Systeme, ist diese Technik noch nicht ausgereift, denn auch eine Fehlauslösung ist leicht möglich.

Das wahrscheinlich größte Entwicklungspotenzial besitzt im Augenblick die PCAP-Technik mit Force- beziehungsweise 3D-Touch. Das angestrebte Ziel dieser Touch-Entwicklung ist grundsätzlich die Erkennung einer Veränderung der z-Achse und damit der Hand-Berührungs-Druckstärke. Aktuell werden dazu drei unterschiedliche Ansätze verfolgt: Das Messen der Touchpunktfläche, die Messung der Krafteinwirkung über zusätzliche Drucksensoren und speziell bei Handheld-Geräten mit dünnen Covergläsern, die Messung der Oberflächenbiegung des Glases.

Force- und 3D-Touch

Bei Force Touch erfolgt die Interaktion abhängig von der Druckstärke auf der Touchoberfläche. Die Menüebene kann so um ein Vielfaches erweitert und zusätzliche Bedienmöglichkeiten auf dem Interface geschaffen werden. Der erlernte Rechtsklick mit der Maus lässt sich etwa über eine Erhöhung des Eingabedrucks umsetzen, um zum Beispiel neue Menüpunkte zu öffnen. Ein wichtiges Detail für Medizingeräte ist dabei die Redundanz der Signalauswertung. Diese findet bei Geräten mit Force Touch über den Touchcontroller und die Auswerteelektronik von Kraftsensoren statt. Eine Auslösung der Gerätefunktion erfolgt falls gewünscht, demnach erst, wenn beide Signale registriert werden. Diese zweikanalige, redundante Toucherkennung könnte eine sinnvolle Ergänzung für patientennahe Applikationen der Intensiv- oder Notfallmedizin sein. Zumal die PCAP-Bedieneinheit auch nicht anfällig gegenüber leitenden Flüssigkeiten ist, da trotz Elektrodenkurzschlüssen der Touch nicht ohne zusätzlichen Druck auslöst.

Erweiterung mit Force Touch erfordert Expertise

Der Displayhersteller Data Modul konzentriert sich bei der Entwicklung mehrwertiger, industrieller PCAP-Erweiterungen auf Force Touch und speziell auf die Auswertung mittels Kraft-
sensoren, die im Randbereich des Touchsensors integriert sind. Covergläser in der Medizin sind mit einer Stärke von mehr als 3 mm zu dick, zur Messung einer Oberflächenverbiegung am Touchglas. Hochauflösende Touchsensoren, die sich für das Messen der Touchoberfläche eignen, sind für Diagonalen von mehr als 15,6 Zoll, schwer zu realisieren, um eine Vergrößerung der Fingeroberfläche durch erhöhten Druck eindeutig zu detektieren.

Ein vorhandenes Paket aus TFT, Touch und Coverglas mit Optical Bonding kann fast unverändert als Ausgangslage verwendet werden. Die Erweiterung durch Force erfolgt additiv. Der Medizintechnikkunde muss auf bestehende Vorteile der Touch-Technologie, wie das Schutzglas, nicht verzichten. Dennoch stellt die Erweiterung von bestehenden Standard PCAP-Touch-Force-Systemen eine Herausforderung dar. Die Toucheinheit liefert Touchkoordinaten plus Kraftwerte pro Koordinate zur Auswertung. Diese muss die Software interpretieren können. Das bedeutet eine Anpassung der Software und der graphischen Oberfläche und muss bei der Produktentwicklung und Umrüstung mitberücksichtigt werden. Während Standard PCAP-Touches von den gängigen Betriebssystemen erkannt werden, benötigen Force-Touch-Systeme proprietäre Treiberlösungen. Es gibt noch keine standardisierten Interfaces. Deshalb sind Insellösungen eine adäquate Möglichkeit. Sie können allerdings nur von wenigen Unternehmen, wie Data Modul, umgesetzt werden.

Qualifikation durch DIN EN ISO 13485

Gerade im medizinischen Sektor sind die Anforderungen an die Entwicklung und die Produktion von Geräten hoch, was eine hohe Prozesssicherheit unumgänglich macht. Mit der Zertifizierung nach DIN EN ISO 13485: 2012, der international anerkannten Norm für Qualitätsmanagementsysteme (QMS) in der Medizintechnik, werden diese Anforderungen der Medizintechnik bei der Produktentwicklungen erfüllt. Zertifizierte Unternehmen, wie seit diesem Jahr auch Data Modul, verpflichten sich damit zur Einhaltung und Erfüllung der Anforderungen der Medizintechnikbranche. Vorwiegend bestehen die Verpflichtungen in der Dokumentation und der Überwachung der wesentlichen Abläufe des gesamten Produktlebenszyklus. Darunter fallen unter anderem Aspekte, wie Usability, Risikomanagement, Design Input und ein engmaschiges Lieferantenmanagement. Alle Anforderungen des Medizinkunden werden über alle Prozesse und die komplette Wertschöpfungskette von Vertrieb, Entwicklung, Projektplanung bis hin zur Produktion definiert, dokumentiert und eingehalten. Eine solch umfangreiche Zertifizierung, wie die Zertifizierung nach DIN EN ISO 13485, bringt hohe Anpassungsarbeiten an der gesamte Organisation eines Produzenten mit sich. Alle Abläufe und Prozesse müssen an die neuen Anforderungen angepasst, Zuständigkeiten und Teamleitungen neu geregelt und entsprechendes Equipment für die Sicherstellung der Prozesse bereitgestellt werden. DIN EN ISO 13485 verpflichtet zur Führung einer Medizinprodukteakte, der Dokumentation aller Entwicklungs- und Produktionsdaten, der durchgängigen Traceability und zum Festhalten aller Änderungen innerhalb der Prozesse. Für die Umsetzung sind Investitionen in Prozessmodellierungssoftware notwendig. Dadurch werden Prozessbeschreibungen, Schnittstellen und damit verbundene Dokumentationen transparent und ein gemeinsames Verständnis geschaffen.

Eine Kombination der Faktoren Zertifizierungen, langjährige Expertise, Innovationsfähigkeit und dem Zugriff auf eine möglichst umfassende Auswahl an Komponenten, sind Garanten für die Entwicklung und Produktion von ausgereiften medizinischen Touch-Bediengeräten. Eine Herausforderung bleibt die Integration von Sensoren zur Messung der mechanischen Kraftaufnahme und der Touch auslösenden Fläche. Letzteres setzt spezielle, nicht standardisierte Touchcontroller und hochauflösende Touchsensoren zur Flächenmessung voraus.

Bildergalerie

  • Erweiterte Touchtechnologien erleichtern Ärzten die Bedienung von Medizintechnikgeräten und schaffen neue Möglichkeiten der Interaktion.

    Erweiterte Touchtechnologien erleichtern Ärzten die Bedienung von Medizintechnikgeräten und schaffen neue Möglichkeiten der Interaktion.

    Bild: Data Modul

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