Fachbeitrag Das Ohr am Puls

01.10.2014

Der Brustgurt zur Pulsmessung ist für viele Sportler ein ständiger Begleiter. „Das geht auch komfortabler“, dachte sich ein Doktorand der Technischen Universität München und entwickelte einen Sensor, der bequem im Ohr getragen wird. Jetzt geht der kleine Herzfrequenzmesser in die Massenproduktion. Nordic Semiconductor und Rutronik leisteten Geburtshilfe.

Als Antwort auf den Fitnesstrend und den steigenden Bedarf an Fernmonitoring in der Medizin, wollte Johannes Kreuzer ein Monitoringverfahren entwickeln, das verschiedene Vitalparameter und mechanische Aspekte erfasst ohne den Nutzer in irgendeiner Weise zu stören oder zu behindern. Bereits 2006 begann er als Doktorand mit der Grundlagenforschung. Dabei macht er den äußeren Gehörgang als idealen Ort zur komfortablen und exakten Messung aus. Das Ergebnis: Der erste Sensor, der die Körperkerntemperatur nicht-invasiv (d.h. außerhalb des Körper) misst, und außerdem die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung des Blutes ermittelt - und ein Doktortitel.

Anderthalb Jahre nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Doktorarbeit gründete Johannes Kreuzer gemeinsam mit Greta Kreuzer das Unternehmen Cosinuss° und startete die Entwicklung eines marktfähigen Produkts. Dieses sollte nicht nur die Herzfrequenz messen, sondern die Daten auch drahtlos an alle gängigen Smartphones, Sportuhren und andere Gadgets senden, die mit Blue-
tooth 4.0 oder ANT+ ausgestattet sind. So kann jeder Hobby- oder Profi-Sportler mit der Cosinuss°-Sport-App oder anderen, marktüblichen Apps, wie zum Beispiel endomondo, Runtastic Pro oder MapMyFitness, seine Leistungswerte überwachen. „Mit den Produkten von Nordic Semiconductor hatte ich bisher immer sehr gute Erfahrungen gemacht, deshalb dachte ich auch für das erste Cosinuss°-Produkt gleich an eine Nordic Wireless-Lösung“, erklärt Kreuzer.

Da der Hersteller in Europa Rutronik als bevorzugten Distributor empfiehlt, lag hier die erste Anlaufstelle für den Entwickler. Das Rutronik-Wireless-Team unterstützte ihn mit technischem Support bei der Auswahl. Dabei zogen die Ingenieure auch Komponenten anderer Hersteller in Betracht. Sie mussten vor allem eine geringe Größe haben und eine energiesparsame Funkübertragung ermöglichen. Die Wahl fiel wieder auf ein Nordic-Produkt: Das Single-Chip-SoC nRF51422 erfüllte alle Anforderungen besser als die Wettbewerbsprodukte. Sein 32-Bit-ARM-Cortex-M0-Prozessor ist auf höchste Rechenleistung bei geringem Stromverbrauch ausgelegt.

Zur weiteren Leistungsoptimierung kann er innerhalb kürzester Zeit in den Sleep-Modus versetzt werden, innerhalb von nur 2,5 µs nimmt er wieder seine volle Aktivität auf. Eine intelligente Software trägt ebenfalls zur Reduzierung der Leistungsaufnahme bei, die bis hinab zu 1,75 V reichen kann. Damit lassen sich Knopfzellen bis zu dieser Minimalspannung ausnutzen, was dem Endgerät eine längere Betriebsdauer beschert. Der nRF51422 kommt im kleinen 48-pin-QFN-Gehäuse (6 mm x
6 mm), das einfacher zu verarbeiten ist als derselbe Chip im noch kleineren WLCSP-Gehäuse (3,5 mm x 3,8 mm).

ANT: Klein und sparsam

Der nRF51422 arbeitet im 2,4-GHz-Band, der im Vergleich zum populären nRF51822 nicht nur die Nutzung von Bluetooth Low Energy (BLE), sondern auch von ANT/ANT+ erlaubt. Diese proprietären Funknetzstandards sind speziell auf Ultra-Low-Power-Applikationen ausgerichtet und erzielen ein noch niedrigeres Energieniveau als BLE. Denn ihr Frequenzkanal ist mit 1 MHz nur halb so breit wie bei BLE, so dass die Datenmodulation entsprechend weniger Energie benötigt. Entwickelt wurde das nur ca. 15 kB große ANT, um Sensoren über kurze Entfernung bis etwa 50 m kostengünstig mit Auswertegeräten zu verbinden.

Damit ist das Protokoll maßgeschneidert für Anwendungen im Sport- und Fitnessbereich sowie im Gesundheitswesen und der Telemedizin. So steckt es auch bereits in vielen Geräten, wie zum Beispiel in 13 der stark verbreiteten Samsung-Galaxy- und 26 Sony-Xperia-Smartphone- und Tablet-Modellen. Auch die aktuellen Platzhirsche S5 und NotePRO 12.2 von Samsung und Z2, wie auch Z2 Tablet von Sony sind selbstverständlich ANT+ zertifiziert. Diese breite Marktakzeptanz macht das Protokoll auch für Cosinuss° interessant, denn der Sensor soll mit möglichst vielen derartigen Geräten kommunizieren können. Weiterer Vorteil von ANT: Im Gegensatz zu Bluetooth/BLE sind die Lizenzgebühren mit dem Erwerb des Chips bzw. des Moduls bereits abgegolten, so dass der Gerätehersteller die Technologie praktisch kostenlos nutzen kann. Anders bei Bluetooth: Produkte, die das Protokoll nutzen, müssen seit Februar 2014 über eine eigene „Declaration of Compliance“ verfügen, die zusätzlich zum eigentlichem Qualifizierungsprozess (QDID) zu bezahlen ist.

Für den nRF51422 spricht außerdem seine für das 2,4-GHz-Band hohe Reichweite aufgrund der Ausgangsleistung von -20 bis +4 dBm und einer Empfänger-Empfindlichkeit von -96 dB. Seine Software-Architektur erlaubt die strikte Trennung zwischen dem Protokoll-Stack und der Applikations-Software. Damit können beide getrennt gespeichert werden und die Anwender-Software lässt sich einfacher, schneller und fehlerfreier integrieren. Eine ganze Reihe analoger und digitaler Peripherie-Elemente kann ohne Zutun der CPU interagieren. 31 integrierte GPIOs, die individuell verschiedenen Pins zugeordnet werden können, sowie PWM, ADC und weitere Features machen einen zusätzlichen Mikrocontroller überflüssig. Das spart nicht nur Platz, sondern auch Kosten und Energie.

Redesigns fordern die Entwickler

Der erste Prototyp stand im August 2012. Ein Jahr später hat Cosinuss° ein Redesign durchgeführt. Dabei wurde das Gehäuse weiter optimiert, was auch Auswirkungen auf das Design der Platine hatte. „Es war etwas kniffelig, den Ohrstecker so zu gestalten, dass er nicht wackelt, aber trotzdem gut sitzt und nicht stört“, erinnert sich Johannes Kreuzer. „Wenn wir etwas am Gehäuse geändert haben, mussten wir jedes Mal die Platine entsprechend anpassen. Glücklicherweise konnten wir stets auf die Unterstützung von Nordic und Rutronik zurückgreifen, sogar auch hier bei uns vor Ort.“ Auch die Algorithmik, die aus den gemessenen Daten die Pulsfrequenz errechnet, galt es stets äußerst exakt an die Datenerfassung anzupassen.

Vor kurzem ist der Cosinuss° C-SP 01 nun in die Serienproduktion gegangen. Der mobile Herzfrequenzmesser ermöglicht Sportlern ihren Puls ohne die Unannehmlichkeiten des Brustgurtes zu messen. Er steckt in einem schicken Gehäuse in knalligen Farben, das wahlweise hinter dem linken oder rechten Ohr getragen werden kann. Erhältlich ist der C-SP 01 ab Oktober für rund 150 Euro im Cosinuss° Onlineshop (www.cosinuss.com). Ein zweites Modell, der C-SPM 01, soll bereits im Frühjahr-Sommer 2015 folgen. „Hier wollen wir Lautsprecher integrieren, so dass man während des Trainings gleichzeitig seinen Puls messen und Musik hören kann – das bietet sich ja auch an bei einem Gerät, das man ohnehin im Ohr hat!“ Auch akustische Rückmeldungen sind damit möglich, etwa wenn die Herzfrequenz den idealen Trainingsbereich unter- oder überschreitet. In einem dritten Produkt plant Kreuzer zusätzlich zum Puls die Körperkerntemperatur zu messen. „Die Kombination beider Daten ist viel aussagekräftiger, so dass Sportler ihre Fitness besser im Blick haben“, erklärt Kreuzer.

Doch damit nicht genug: Cosinuss° plant bereits Weiterentwicklungen, welche die komfortablen Sensoren auch für den Arbeitsschutz und die Medizin nutzbar machen. Vor allem in der Schlaf- und Gehirnforschung, in der Telemedizin wie auch im Klinikbereich sieht Johannes Kreuzer viel Potenzial. Hierfür muss das Gerät modifiziert werden, um sicher zu stellen, dass der Sensor nicht nur alleine, sondern auch durch Pflege- oder medizinisches Personal einfach und sicher angelegt werden kann. Hinzu kommt die Erfüllung medizinischer Anforderungen wie zum Beispiel Desinfizierbarkeit sowie entsprechender Normen. „Deshalb konzentrieren wir uns vorerst auf den Sport- und Fitness-Sektor. Hier haben wir auch schon äußerste positive Rückmeldungen bekommen, etwa auf der diesjährigen CeBit“, freut sich Kreuzer. „Auch bei unseren künftigen Entwicklungen setzen wir auf die Unterstützung von Nordic und Rutronik, denn unsere guten Erfahrungen haben sich wieder einmal bestätigt.“

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