Neue Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts Änderung der Urlaubsverjährung: Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen

Beim Thema Urlaub ist ein Aspekt so wichtig wie trivial: die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Bild: iStock, Andreas Häuslbetz
15.02.2023

Die Alarmstimmung, für die das Bundesarbeitsgericht beim Thema Urlaubsverjährung kurz vor Weihnachten gesorgt hat, hat sich mit dem neuen Urteil vom 31. Januar etwas reduziert. Größte Sorgfalt für Arbeitgeber ist trotzdem noch wichtig: Sie sollten die Entscheidungen des BAG zum Anlass nehmen, ihre Vorgehensweise beim Thema Urlaub zu überprüfen.

Die operative und finanzielle Besorgnis, die bei vielen Arbeitgebern Ende Dezember aufgrund der zwei Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aufkam, ist erst einmal eingedämmt: Am 31. Januar 2023 haben die Erfurter Richter entschieden, dass die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Urlaub weiterhin nach drei Jahren verjährt – und das auch ohne regelmäßige Erinnerung, allerdings nur, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde. „Nach Auffassung des BAG stellt die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur dar, durch die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr regelmäßig auf die Verjährung hinweisen muss“, sagt Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Schultze & Braun. „Die Frist für die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.“

„Nach dieser Entscheidung müssen Arbeitgeber zumindest nicht mehr befürchten, dass ausscheidende Arbeitnehmer von ihnen die Auszahlung offener Urlaubsansprüche aus einer Vielzahl an Jahren verlangen können“, erläutert Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun und Leiter des Arbeitsrechtsbereichs der Kanzlei. „Wichtig ist allerdings weiterhin, dass Arbeitgeber beim Thema Urlaub mit größter Sorgfalt agieren.“

Enorme finanzielle Herausforderung

Das Urteil von Ende Januar betrifft die finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer getrennte Wege gehen. Es ändert nichts daran, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auf Basis der Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 2022 regelmäßig darauf hinweisen müssen, ihren Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen – andernfalls verfallen und verjähren die Urlaubsansprüche nicht. „Um bei Urlaubsansprüchen operativ und finanziell auf der sicheren Seite zu sein, müssen Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung ihrer Mitarbeitenden noch aktiver sein als bislang ohnehin schon – und regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen“, sagt Zobel.

Operativ und finanziell gesehen sind die Themen Urlaub und Verjährung von Urlaubsansprüchen mit den beiden Entscheidungen vom 20. Dezember für Unternehmen zu einer enormen Herausforderung geworden. Schließlich muss ein Unternehmen für jeden Urlaubstag, den ein Arbeitnehmer im laufenden Geschäftsjahr nicht und damit über den Jahreswechsel mitnimmt, finanzielle Rückstellungen bilden. Denn wenn ein Arbeitnehmer mit Resturlaub kündigt oder ihm gekündigt werden muss, kann es sein, dass der Resturlaub ausgezahlt werden muss – im Fall der Fälle auch noch bis zu drei Jahre nach dem Ausscheiden.

In solchen Fällen ist ein entsprechendes finanzielles Polster für den Arbeitgeber am Ende viel wert. Allerdings können die Rückstellungen die Firmenbilanz über einen langen Zeitraum negativ beeinflussen, da sie im Falle eines Abrufs den zu versteuernden Gewinn und damit die Steuerlast des Unternehmens erhöhen.

Vorgehensweise beim Thema Urlaub

Zobel und Panzer empfehlen Arbeitgebern, die jüngsten Entscheidungen des BAG zum Anlass nehmen, ihre Vorgehensweise beim Thema Urlaub zu überprüfen. Fakt ist: Arbeitgeber müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Arbeitnehmer ihren Urlaub wirklich wahrnehmen. Was das bedeutet, ist spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Februar 2019 klar: Ein Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer formal und rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie noch Urlaubstage übrighaben und diese verfallen können.

„Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber auch nachweisen kann, dass er seine Arbeitnehmer an ihre verbleibenden Urlaubstage und den möglichen Verfall und die Verjährung erinnert hat“, sagt Panzer. Denn nur dann verfällt der Jahresurlaub der Arbeitnehmer zum Ende des Jahres (beziehungsweise zum 31. März des Folgejahres) oder verjährt nach drei Jahren. „Wichtig ist: Jetzt müssen Arbeitgeber zusätzlich noch darauf achten, dass sie ihre Arbeitnehmer auf die Verjährung ihrer Urlaubsansprüche nach drei Jahren aufmerksam machen“, ergänzt Panzer.

Konkret unkonkret

„Die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, die sogenannte Hinweisobliegenheit, ist leider konkret unkonkret ausgestaltet“, sagt Zobel. „Es ist schlichtweg unklar, was ,formal und rechtzeitig‘ hinweisen ganz konkret heißt.“ Erinnere der Arbeitgeber zu früh im Jahr – etwa bereits im Frühjahr –, fehle dem Hinweis die Wirkungskraft. Je näher das Jahresende rücke, desto wirksamer würden Erinnerungen oder gut gemeinte Warnungen vor einem Urlaubsverfall. Allerdings komme es dann mitunter vor, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht mehr im laufenden Geschäfts- und Kalenderjahr nehmen könne.

Es ist daher für Arbeitgeber ratsam, das Thema Urlaub regelmäßig anzusprechen, beispielsweise alle drei Monate. Der Vorteil bei solch einem regelmäßigen Turnus ist, dass alle informiert bleiben und das Thema und die Nerven der Beteiligten nicht überstrapaziert werden. Wichtig ist, dass ein Arbeitgeber bei diesen Hinweisen aber zum Beispiel auch langzeitkranke Arbeitnehmer informiert – etwa für das Kalenderjahr, in dessen Lauf die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. „Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber die Information ihrer Arbeitnehmer schriftlich dokumentieren und sich von den Arbeitnehmern innerhalb einer angemessenen Frist bestätigen lassen, dass sie die Information erhalten und verstanden haben“, sagt Panzer.

Das gemeinsame Ziel von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte es sein, die Urlaubswünsche abzufragen, um diese bei der Festlegung des Urlaubs mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. Zobel fasst zusammen: „Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich austauschen, profitieren beide Seiten davon, und das Thema Urlaubsplanung ist – trotz ungenauer Definition – keine unlösbare Aufgabe.“

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  • Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun: „Wichtig ist, dass der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er seine Arbeitnehmer an ihre verbleibenden Urlaubstage und den möglichen Verfall und die Verjährung erinnert hat.“

    Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun: „Wichtig ist, dass der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er seine Arbeitnehmer an ihre verbleibenden Urlaubstage und den möglichen Verfall und die Verjährung erinnert hat.“

    Bild: Schultze & Braun

  • Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Leiter des Arbeitsrechtsbereichs von Schultze & Braun: „Um bei Urlaubsansprüchen operativ und finanziell auf der sicheren Seite zu sein, müssen Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung ihrer Mitarbeitenden noch aktiver sein als bislang ohnehin schon.“

    Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Leiter des Arbeitsrechtsbereichs von Schultze & Braun: „Um bei Urlaubsansprüchen operativ und finanziell auf der sicheren Seite zu sein, müssen Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung ihrer Mitarbeitenden noch aktiver sein als bislang ohnehin schon.“

    Bild: Schultze & Braun

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