Energie- und Versorgungssektor Elektrizitätswende 2024: Die 5 Schlüsseltrends der Zukunft

Von der unerlässlichen Modernisierung der europäischen Stromnetze, die einer enormen Belastungsprobe durch steigenden Verbrauch und veraltete Infrastrukturen gegenüberstehen, über den massiven Ausbau von Solaranlagen im Zuge der REPowerEU-Initiative, bis hin zum bahnbrechenden Verbot von SF6-haltigen Schaltanlagen – die Weichen für eine grünere Zukunft werden jetzt gestellt.

Bild: publish-industry / DALL·E
19.02.2024

Elektrizitätserzeugung ist weltweit die größte Quelle von CO2-Emissionen, wie die International Energy Authority in ihrem Report Electricity 2024 darlegt. Das bedeutet, der Energie- und Versorgungssektor ist einer der wichtigsten Akteure, wenn es darum geht, die Energiewende voranzutreiben und Emissionen zu reduzieren. Daher dominieren Diskussionen rund um erneuerbare Energien aktuell die Branche. Dirk Kaisers, Segment Leader Distributed Energy Management EMEA bei Eaton, zeigt fünf Trends, die 2024 besonders wichtig werden.

Die Welt steht an einem kritischen Wendepunkt im Kampf gegen den Klimawandel, mit der Elektrizitätserzeugung als größtem CO2-Emitter. Im aktuellen Bericht „Electricity 2024“ der International Energy Authority wird deutlich: Der Energie- und Versorgungssektor spielt eine zentrale Rolle in der notwendigen Energiewende. Dirk Kaisers von Eaton beleuchtet fünf wegweisende Trends für 2024, welche das Potenzial haben, die Branche zu revolutionieren und einen nachhaltigen Wandel zu fördern.

1. Modernisierung der Stromnetze

Moderne, leistungsfähige Netze sind zentral für den Erfolg der Energiewende. Im November 2023 legte die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Beschleunigung des Ausbaus der Stromnetze vor und es ist wahrscheinlich, dass dieses Dokument strategische Initiativen der Branche in diesem Jahr prägen wird. Der Plan zielt darauf ab, die wichtigsten Herausforderungen für den Ausbau, die Digitalisierung und die bessere Nutzung der Übertragungs- und Verteilernetze in der Europäischen Union anzugehen. Er zeigt Maßnahmen auf, die dazu beitragen sollen, die erforderlichen Investitionen freizusetzen, um die europäischen Stromnetze auf den neuesten Stand zu bringen.

In der EU wird der Stromverbrauch bis 2030 voraussichtlich um etwa 60 Prozent steigen, und auch in den europäischen Ländern außerhalb der EU wird mit einem Anstieg in ähnlicher Größenordnung gerechnet. Dennoch sind etwa 40 Prozent der Verteilernetze in Europa älter als 40 Jahre. Die Modernisierung der Netze ist daher eine der wichtigsten Stellschrauben, um auch in Zukunft zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten. Außerdem werden zukünftig verteilte Energieerzeugung und bidirektionale Energieflüsse eine wesentlich wichtigere Rolle spielen, wodurch sich auch die grundsätzliche Betrachtungsweise von Stromnetzen ändern muss. Dieser Entwicklung trägt beispielsweise der Everything-as-a-Grid-Ansatz Rechnung.

2. Solarenergie im großen Maßstab

Stromerzeugung durch Photovoltaik gilt als die preiswerteste Form der erneuerbaren Energien. Daher werden Versorgungsunternehmen im laufenden Jahr verstärkt in große Solarparks und -kraftwerke (Utility-scale Solar) investieren. Um diese neuen Kapazitäten zu schaffen, müssen Tausende von Solarmodulen und Wechselrichtern installiert sowie viele Kilometer Kabel verlegt werden – trotz Fachkräftemangel. Die ist eine gewaltige Aufgabe, die die Reduzierung der Kosten und der Komplexität von PV-Großanlagen zur Priorität für die Branche macht, wenn sie die Abkehr von fossilen Brennstoffen schnell genug schaffen will.

Damit und mit der Netzmodernisierung ist auch die Solarenergiestrategie der Europäischen Union verbunden, die Teil der REPowerEU-Initiative zur Verringerung der Abhängigkeit von Öl und Gas ist. Sie ist in Europa ein wichtiger Motor, wenn es um Solaranlagen auf Gewerbe- und Wohngebäuden geht. Ziel ist es, bis 2025 320 GW Photovoltaik-Kapazität neu ans Netz zu bringen, die bis 2030 auf 600 GW ansteigen soll.

3. SF6-freie Schaltanlagen

Ende 2023 erzielten der Europäische Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung über das Verbot der Verwendung von Mittelspannungsschaltanlagen, die SF6 als Isoliergas enthalten, durch einen schrittweisen Ausstieg. Für erste Leistungsklassen gilt ein Verbot neuer Anlagen bereits ab 2026. Weitere EU-Regelungen zur Abschaffung von SF6 in anderen Kategorien von Schaltanlagen werden folgen, so dass dies ein wichtiger Schwerpunkt für die Branche ist.

Inzwischen gibt es seit langem erprobte Alternativen, insbesondere in der Mittelspannungskategorie bis einschließlich 24 kV, in der der Großteil der Schaltanlagen eingesetzt wird. Da weniger als zwei Jahre verbleiben, bis SF6-freie Schaltanlagen für Neuinstallationen vorgeschrieben werden, müssen die Vorbereitungen zur Einhaltung dieser Vorschrift jetzt beginnen.

4. Digitalisierung und KI

Die Energiewende benötigt eine digitale Basis, um Energieflüsse möglichst effizient zu lenken. Durch die Zusammenarbeit mit Experten für Energiemanagement kann der Energie- und Versorgungssektor neue Wege finden, die Integration und Steuerung erneuerbarer Energieerzeugung beschleunigen werden.

Generative KI kann die Entscheidungsfindung unterstützen, da sie riesige Datenmengen schnell analysieren und sinnvoll auswerten kann. Das Potenzial ist enorm. Vorhersagen, wo und wann Energie benötigt wird, und wie sie schnell und effizient in einem dezentralen System bereitgestellt werden kann – dies sind Bereiche, in denen generative KI wichtig werden wird. Im Laufe des Jahres 2024 wird der Versorgungssektor neue Überlegungen zu KI anstellen – mit einem wachsamen Auge auf Fragen der Cybersicherheit sowie auf zwei Bereiche der EU-Regulierung: das KI-Gesetz und das Datengesetz.

5. Innovation

Kontinuierliche Innovation ist im Versorgungssektor unabdingbar. Verantwortliche dieser Branche müssen mit einer beschleunigten Marktdynamik zurechtkommen, neue Chancen identifizieren und sich an immer neue Regulierungen anpassen. Die Rolle, die der Energie- und Versorgungssektor in der Energiewende annehmen wird, hängt davon ab, inwieweit es der Branche gelingt, sich schnell an neue Umgebungsbedingungen anzupassen.

Dazu gehören etwa die Selbstverpflichtungen, die im Rahmen der COP28 gemacht wurden. Davon sind einige für die Branche relevant, am wichtigsten ist aber wahrscheinlich der Global Renewables and Energy Efficiency Pledge – das Versprechen, den Output erneuerbarer Energieerzeugung bis 2030 zu verdreifachen.

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