Echte virtuelle Realität Das „Real Virtual Lab“

An der Grundlagenforschung hinter der „Telepräsenz“ arbeiten Forschende des Saarbrücker Max-Planck-Instituts für Informatik. Im Zuge dessen bauen sie ein hochmodernes Informatik-Labor, darunter auch die „Lightstage“, auf.

Bild: Oliver Dietze
28.11.2023

Die Vision von vielen Scifi-Serien und -Romanen: Anstatt in einfachen Videoanrufen, unterhalten sich Gesprächspartner als digitale Avatare miteinander – so, als säßen sie in einem Raum, obwohl in Wirklichkeit Tausende Kilometer zwischen ihnen liegen. Damit eine solche „Telepräsenz“ funktioniert, braucht es fotorealistische digitale Abbilder der Nutzer, die mit geringem Rechenaufwand und in Echtzeit erzeugt werden können.

Im Fokus des Forschungslabors unter dem Namen „Real Virtual Lab“ steht die hochgenaue Aufnahme von Daten für die Grundlagenforschung in Bereichen Computergrafik, Computer Vision und Künstliche Intelligenz. Im Endausbau soll es insgesamt 350 m2 Laborfläche umfassen.

Auch der Neubau spezialisierter Räumlichkeiten am Max-Planck-Institut für Informatik auf dem Saarland Informatics Campus ist vorgesehen.

Es werde Licht

Anlässlich der Inbetriebnahme einer sogenannten „Lightstage“ werden die bisher fertiggestellten Räumlichkeiten und Messaufbauten des Real Virtual Labs gezeigt. Bei der Lightstage handelt es sich um eine Vorrichtung, mit der kontrolliert verschiedene Lichtverhältnisse und Lichtszenen erzeugt und aufgezeichnet werden können.

Die Saarbrücker Lightstage hat einen Durchmesser von 3,5 m, besteht aus rund 13.000 LEDs, die allesamt einzeln angesteuert werden können, und verfügt zudem über 40 hochauflösende 6k-Kameras in Kinoqualität. Die Max-Planck-Forscher werden die Technik dazu nutzen, um grundlegende Fragen der Rekonstruktion und Simulation fotorealistischer, digitaler Charaktere und Umgebungen zu untersuchen.

„Die Beleuchtung einer Szenerie beeinflusst stark, wie realistisch sie auf uns wirkt“, erklärt der promovierte Informatiker Marc Habermann, der das Real Virtual Lab leitet. „Die Lightstage gibt uns absolute Kontrolle darüber, wie wir Personen und Szenen ausleuchten und aufnehmen können. Das hilft uns wiederum dabei, die physikalischen Einzelheiten der Beleuchtung einer Szenerie möglichst umfassend zu durchdringen, um sie realitätsgetreu im digitalen Raum zu reproduzieren.“

Habermann erklärt weiter: „Durch die Arbeit mit der Lightstage können wir verstehen, wie sich verschiedene Oberflächen und Objekte in verschiedenen Beleuchtungssituationen verhalten und wie man Personen, Objekte und Szenen möglichst realitätsgetreu in neuen, vorher nicht aufgezeichneten Perspektiven und Beleuchtungen synthetisieren kann. Uns geht es vor allem auch darum herauszufinden, welche Informationen wir mindestens benötigen, um Berechnungen zu Perspektiven und Beleuchtungen durchzuführen.“

Potenzial für Metaverse

Besonders der Aspekt der Recheneffizienz ist für die Saarbrücker Forscher von Interesse. Professor Christian Theobalt, Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik und Leiter der Abteilung „Visual Computing and Artificial Intelligence“, in der das „Real Virtual Lab“ angesiedelt ist, sagt: „Denken Sie an Anwendungen wie das Metaverse, wo man sich künftig in virtuellen Räumen mit digitalen Avataren treffen können soll. Das hätte großes Potenzial für Umwelt- und Klimaschutz, wenn so beispielsweise Konferenzen im digitalen Raum abgehalten und dadurch Flugreisen vermieden werden könnten.“

„Damit eine solche Technik jedoch überhaupt in diesem Maße akzeptiert und genutzt werden kann, muss sie so ausgereift sein, dass keine oder kaum Unterschiede zu einem realen Treffen bemerkbar sind. Zudem müsste es mit vertretbarem Rechenaufwand und am Besten mit einer einfachen Webcam nutzbar sein. Davon sind wir noch weit entfernt“, sagt Theobalt. Mit der Lightstage können die Saarbrücker Informatiker an bereits bestehende Forschung in dieser Richtung anknüpfen und diese vertiefen.

Weitere Anwendungsgebiete

Aber nicht nur die Telepräsenz, auch andere Anwendungen können von der Lightstage profitieren: „Je realistischer wir Umgebungen simulieren können, desto bessere Trainingsdaten können wir generieren, beispielsweise für selbstfahrende Autos oder andere Bilderkennungsalgorithmen im industriellen Kontext“, sagt Habermann.

Die Saarbrücker Lightstage zählt in der weltweiten Forschungslandschaft zur absoluten Spitze. Das Setup ist einmalig in Europa und auch weltweit gibt es in der Wissenschaft nur wenige Vorrichtungen mit annähernd ähnlichen technischen Möglichkeiten.

Auch andere Forschungsgruppen am Saarland Informatics Campus profitieren von der neuen Apparatur: so werden auch die Forschenden des „Saarbrücken Research Centers for Visual Computing, Interaction and Artificial Intelligence (VIA)“, das 2022 aus einer strategischen Forschungspartnerschaft mit Google hervorgegangen und ebenfalls unter Leitung von Prof. Theobalt am Max-Planck-Institut für Informatik angesiedelt ist, mit der neuen Anlage arbeiten.

Bildergalerie

  • Die „Lightstage“ komplett geschlossen

    Die „Lightstage“ komplett geschlossen

    Bild: Oliver Dietze

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