Christian Wendler Weniger Daten, mehr Output

Christian Wendler ist Vorstandsvorsitzender von Lenze. Zuvor hatte er zahlreiche Führungspositionen inne, unter anderem als Geschäftsführer bei ABB. Neben seiner Tätigkeit beim Automatisierungsexperten ist der Diplom-Ingenieur Mitglied im Vorstand des ZVEI sowie im ZVEI-Fachverband Automation sowie Mitglied im Board Power Transmission Engineering des VDMA.

Bild: Lenze
20.10.2023

Qualität statt Quantität für Daten! Mit dieser Forderung stoßen wir regelmäßig auf Stirnrunzeln, seit Smart Factory, IIoT und von Big Data getriebene Businessmodelle zum „heiligen Gral“ der Industrie erklärt wurden. Aber innovativ und effizient sein geht auch mit weniger Daten – wenn man sie intelligent verarbeitet.

Die Herausforderung fasziniert mich. Das gilt nicht nur als CEO, sondern auch im Sport. Am Segeln oder Golfen fasziniert mich die Verbindung von strategischem Denken und technischer Exzellenz. Es ist spannend zu sehen, wie hier beides kombiniert wird. Beide Welten verbindet aber noch ein anderer Aspekt: Agilität. Wie flexibel kann ich sein und wie schnell kann ich proaktiv agieren, wenn sich das Umfeld und die Bedingungen verändern?

Das muss man sich auch als Unternehmer fragen. Im Mittelstand sprechen wir oft sehr direkt und offen über die Herausforderungen, die auf uns zukommen: Fachkräftemangel, Dekarbonisierung, Digitalisierung. Ich persönlich sehe diese Herausforderungen nicht nur als Belastung, sondern als Innovationschance. Denn für alle drei gibt es die gleiche Lösung: die Automatisierung. Indem wir Automatisierungstechnik einsetzen, bringen wir IT in die Maschine. Damit sind mehrere Vorteile verbunden: Zum einen können wir auf diese Weise unseren CO2-Ausstoß reduzieren und umweltfreundlicher produzieren. Zum anderen versetzt uns die Automatisierung in die Lage, effizienter zu arbeiten und Engpässe im Hinblick auf den Fachkräftemangel zu überwinden.

Für mich ist klar, dass Daten der Treibstoff der Automatisierung sind. Daten sind in der heutigen Zeit allgegenwärtig und es ist wichtig, sie effizient zu nutzen. Qualität ist bei Daten wichtiger als Quantität. Große Datenmengen allein reichen nicht, es geht darum, die richtigen Daten zur richtigen Zeit intelligent aufzubereiten. Meine These ist: Richtig eingesetzt und verarbeitet, können kleine Datenmengen oft bessere Ergebnisse liefern als große. Daten sind der Rohstoff für Automatisierung.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Digital Twin – das virtuelle Abbild einer realen Maschine oder Anlage. Er ermöglicht uns, relevante Informationen zu extrahieren und gezielt zu nutzen, indem wir kontinuierlich Daten sammeln und analysieren. Kombinieren wir die richtigen Daten, also eine kleine Datenmenge – wir sprechen von Small Data – mit unserem Fachwissen, generieren wir so genannte Smart Data. Diese intelligenten Daten sind der Schlüssel zur Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung.

Ein Beispiel dafür kommt aus dem Anlagenbau: Traditionell geht man im deutschen Maschinenbau oft auf Nummer sicher und legt die Anlagen zu groß aus. Dadurch werden Ressourcen verschwendet und unnötige Kosten verursacht. Mit dem Digitalen Zwilling können wir Anlagen durch virtuelle Simulationen effizienter planen und auslegen. Auf diese Weise können wir genau die richtige Leistung bestimmen und Einsparungen bei Material und Energie erreichen. Würden wir diese Technologie nur auf ein Viertel der 50 Millionen Elektromotoren anwenden, die jedes Jahr weltweit verkauft werden, könnten wir schätzungsweise 500 Millionen Euro Stromkosten und über 2 Milliarden Euro Herstellungskosten einsparen. Oft werden Anlagen so dimensioniert, dass sie bei Volllast betrieben werden können. Tatsächlich ist das aber nicht immer notwendig. Die Analyse und Überwachung von Lastprofilen ermöglicht ein intelligentes Lastmanagement und enorme Energieeinsparungen. Würden wir diese Technologie auf 800 Motoren in Paketzentren und 13.000 Paketzentren weltweit anwenden, könnten wir geschätzte 7 Milliarden Euro und 31 TWh Energie einsparen. Das entspricht dem CO2-Ausstoß von rund 4 Millionen Autos.

Der digitale Zwilling kann Unternehmen auch auf andere Weise unterstützen. Er kann helfen, Recyclingprozesse ganzheitlich zu planen und Ressourcen effizienter einzusetzen. Da wir uns verstärkt auf die Kreislaufwirtschaft konzentrieren müssen und den Einsatz knapper Rohstoffe reduzieren wollen, ist dies besonders wichtig.

Insgesamt sehe ich die Nutzung von Smart Data und den Einsatz des Digitalen Zwillings als entscheidenden Schritt in die Zukunft. Wir können effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger arbeiten, wenn wir technologische Innovationen mit unserem Fachwissen kombinieren. Dies eröffnet uns enorme Möglichkeiten, unsere Produktivität zu steigern und die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, zu meistern. Wichtig ist, dass wir als Unternehmen zusammenarbeiten und offen sind für neue Standards und Datenaustausch. Wir können die Potenziale noch besser ausschöpfen, wenn wir gemeinsam an der Weiterentwicklung des digitalen Zwillings arbeiten. Nutzen wir diese Chance und bauen wir gemeinsam an der Zukunft.

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