Embedded-Systeme & Mikrocontroller Revolution am Berg

09.09.2013

Von Skiern ist man Hightech gewohnt, vom Skigebiet selber nicht unbedingt. In Laax in der Schweiz hat man mit Hilfe von Embedded-Technologie einen ganzen Ort revolutioniert.

Das letzte Mal war ich vor fünf Jahren zum Winterurlaub hier. Ich erinnere mich an einen riesigen Parkplatz, dahinter Mehrfamilienhäuser im Chaletstil mit Ferienwohnungen, entstanden Anfang der Achtzigerjahre. Heute sieht alles anders aus: Anstelle des trostlosen Teerplatzes erwartet mich im Laaxer Ortsteil Mulania die Hotelanlage Rocksresort, bestehend aus sieben modernen steinernen Kuben. Neben Appartements sind in den Gebäuden mit Fassaden aus heimischen Quarz Restaurants, Bars und Shops untergebracht. Mulania hat sich von einer Chaletansammlung an der Talstation zum pulsierenden Quartier gemausert - und das innerhalb weniger Jahre.Das Schweizer Skigebiet Laax lässt sich etwas einfallen, um in Zeiten des tiefen Eurokurses gegen die ausländische Konkurrenz zu bestehen. In Laax will man den Gästen mehr bieten als anderswo. Dazu hat Reto Gurtner, CEO der Weisse Arena Bergbahnen AG, unlängst die Revolution am Berg ausgerufen. Ein langfristiges Konzept, das neben dem Rockresort auch neue Sesselbahnen, übrigens die schnellsten im Alpenraum, erweiterte Pisten und eine durchgängige Architektur beinhaltet. Hinter den Kulissen hält die Revolution erst recht Einzug. Die Weisse Arena setzt auf ganzheitliche Gebäudeautomation. Dazu wurde mit der Software-Spezialistin AZ systems GmbH eine eigene Steuerungslösung entwickelt, mit der ein Großteil der Gebäudetechnik verschiedener Bergstationen geregelt wird. Zur Visualisierung werden Touch Panels von Syslogic eingesetzt. Martin Zogg, der AZ systems zusammen mit seinem Geschäftspartner Corsin Alig führt, erwartet mich auf dem Platz des Rockresorts. Wir machen uns auf ins Büro der Weisse Arena AG. Dort treffen wir den zuständigen Mitarbeiter, der von Seiten der Bergbahnen für die Elektrik und Elektronik verantwortlich zeichnet. Vitus, stellt sich der sympathische Bündner vor. Wir folgen ihm zu seinem Arbeitsplatz. Vitus schiebt ein paar Papierberge zur Seite und bietet uns zwei Plätze vor einem großen Bildschirm an. Nicht ohne Stolz präsentieren Martin und Vitus das Steuerungssystem, das die Weisse Arena AG und AZ systems in den letzten drei Jahren entwickelt haben. Gemeinsam haben Martin und Vitus das Projekt vorangetrieben, Martin als Software-Ingenieur und Vitus als Anwender mit Visionen. Die beiden bestätigen: «Viele Ideen sind bei gemeinsamen Gesprächen entstanden». So sei das Überwachungs- und Steuerungssystem nach und nach gewachsen. Das auch, weil das Management der Weissen Arena von Anfang an von der ausbaufähigen Lösung begeistert war. Heute werden über das Tool von AZ systems, das auf einer Open-Source-Software aufbaut, Lüftung, Heizung, Beleuchtung, Wasser- und Ölversorgung sowie Abwasserentsorgung verschiedener Bergstationen gesteuert. Kein anderes Skigebiet in der Schweiz setzt die Idee der Gebäudeautomation derart konsequent um wie Laax. Gemäß Martin gäbe es zwar einen allgemeinen Trend hin zur Automation in Skigebieten. Jedoch würden oft nur Teilbereiche, beispielsweise die Klimatisierung, eingebunden. Einzigartig an der Lösung von AZ systems ist gemäß Martin der ganzheitliche Ansatz. Verschiedene Teilsysteme können alle über ein einziges Tool kontrolliert und gesteuert werden. Am Bildschirm zeigt uns Martin am Beispiel des Gletscherrestaurants Vorab, wie weit die Automation heute fortgeschritten ist. Via Computer, Smart Phone oder Tablet können freigeschaltete Benutzer von überall her die Füllstände der beiden Wassertanks oder die Temperatur im Restaurant überwachen und gegebenenfalls eingreifen. Auch das Licht und die Ventilation werden wenn nötig via Remote-Zugriff gesteuert. Ein erheblicher Vorteil, wenn man bedenkt, dass früher alles vor Ort erledigt werden musste. Gemäß Vitus sei es ab und zu vorgekommen, dass Überwachungsräume von Bergbahnen außerhalb der Saison für einige Monate geheizt wurden, ohne dass es jemand bemerkt habe. Solche Versehen kommen heute nicht mehr vor. Vitus dazu: „Am Ende der Saison können wir sämtliche Heizungen zentral über das Leitsystem ausschalten“. Überhaupt reduziert die Gebäudeautomation den Energieverbrauch. Wetterprognosen werden direkt ins System eingespeist. Dadurch können die Heizungungen frühzeitig reguliert werden. Werden besonders sonnige Tage erwartet, wird die Heizleistung sämtlicher Gebäude bereits acht Stunden im Voraus reduziert.„Genug geredet“, meint Vitus abrupt. Jetzt würden wir uns die vernetzten Bergstationen ansehen. Wir nehmen unsere Ski, gelangen durch eine Personaltür direkt zur Bahn und quetschen uns in die rappelvolle Kabine, die wenige Sekunden später in Richtung Crap Sogn Gion gleitet. Oben angekommen, entdecke ich sofort das Syslogic-Panel, das außerhalb der Bergstation angebracht ist. Vitus erklärt: „Mit dem Panel wird die Befüllung der Diesel- und Öltanks gesteuert“. Der Diesel müsse alle zwei Wochen nachgefüllt werden - pro Nacht verbrauchten die 18 Pistenfahrzeuge bis zu 10.000 Liter, das Heizöl reiche für eine Saison, fährt Vitus fort. Der Brennstoff wird in Behältern, die an der Unterseite der Bahnkabine befestigt werden, vom Tal zur Bergstation gebracht. Über Verbindungsschläuche werden die Behälter mit den Tanks verbunden. Das Abpumpen wird über die Touch Panels gestartet. Ausschlaggebend, dass sich AZ systems und die Weisse Arena Gruppe für die Panels von Syslogic entschieden haben, waren zwei Gründe. Martin dazu: „Erstens müssen die Panels auch bei zweistelligen Minustemperaturen zuverlässig funktionieren. Zweitens müssen sie mit Handschuhen bedienbar sein“. Mit ihrem Industriedesign überzeugte die Infrarot-Touch- Panel-Serie von Syslogic auf Anhieb. Martin und Vitus bestätigen einstimmig, dass die Panels seit drei Jahren im Dauerbetrieb absolut problemlos funktionieren - und das bei Temperaturen von bis zu -30 Grad». Unsere nächste Station ist das Gletscherrestaurant Vorab, wo ein zweites Syslogic-Panel montiert ist. Doch zuerst warten ein paar rasante Abfahrten auf uns. Den beiden Bündnern habe ich verschwiegen, dass ich schon drei Jahre nicht mehr auf den Ski gestanden bin. Etwas breitspurig versuche ich den beiden zu folgen, was erstaunlich gut gelingt. Natürlich kommen wir beim neuesten Prunkstück des Skigebiets - der Sesselbahn Lavadinas - Fuorcla Sura vorbei. Eine Anlage, die gleich mehrere Neuheiten vereint. Sie gehört mit einer Geschwindigkeit von sechs Metern pro Sekunde zu den schnellsten Bahnen im Alpenraum und sie ist die erste Bahn, deren Sessel sich beim Verlassen der Station automatisch um 45 Grad drehen. So genießen die Gäste eine herrliche Aussicht aufs Bergpanorama. Einzigartig ist zudem das Design der neuen 6er-Sesselbahn, das von den Porsche- Design-Studios entwickelt wurde. Auf dem Fuorcla Sura angekommen, schaut Vitus noch kurz im Kontrollraum vorbei, um einige Routinekontrollen zu machen. Etwas skeptisch meint er: „Gestern war ein Monteur hier, da weiss man nie“. Alles in Ordnung. Wir können weiter. Nach einer herrlichen Abfahrt bringt uns eine Sechserkabine auf den Vorab.Oben angekommen stärken wir uns zuerst im Restaurant - auch das erkenne ich kaum wieder. Vor fünf Jahren ein typisches Skirestaurant dessen kulinarisches Angebot sich auf Pommes Frites und Bratwurst beschränkte, erwartet uns heute moderne Innenarchitektur und ein vielseitiges Speiseangebot, das bis zum einladenden Salatbuffet reicht. Lüftung und Licht von Restaurant und Küche werden vom Personal ausschließlich über ein in der Wand eingelassenes Touch Panel gesteuert. Konventionelle Schalter sucht man vergebens. Vitus erläutert die Vorteile: „Oft haben wir Angestellte, die nur für eine Saison bei uns bleiben. Mit Dutzenden von Schaltern waren diese meist überfordert“. Die Bedienung via Touch hingegen sei selbsterklärend. Wir gehen durch die Küche. Durch eine Türe gelangen wir ins Treppenhaus und schließlich in den Keller des Gletscherrestaurants. Hier ist ein weiteres Syslogic-Panel angebracht. Mit dem Panel können die Füllstände der beiden riesigen Wassertanks abgefragt und bei Bedarf Frischwasser aus dem Tal zum Gletscherrestaurant gepumpt werden. Normalerweise wird der Pumpvorgang jedoch automatisch vom System eingeleitet, sobald der Wasservorrat unter einen bestimmten Richtwert sinkt. Wie das Panel auf dem Crap Sogn Gion ist auch dieses Panel im 24/7-Betrieb. Wir machen uns wieder auf zu unseren Ski. Die lange Abfahrt zur Talstation genießen wir. Laax beeindruckt mich. Die Revolution am Berg ist eindeutig mehr als ein Schlachtruf aus der Marketingabteilung. Hier sind Leute mit Visionen am Werk. Ob Pisten, Bahnen, Hotels oder Gebäudeautomation, in Laax will man alles ein bisschen besser machen als anderswo. Ich verabschiede mich von Vitus und Martin und nehme mir vor, bald wieder nach Laax zu fahren. Vielleicht wenn in weiteren Bergstationen Sylsogic Panels installiert sind.

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