„Ganz neue Möglichkeiten“ Neuer Ansatz nutzt Lösungsmittel als Substrat für Enzyme

Dirk Tischler (links), Leiter der Arbeitsgruppe, mit Erstautor Artur Maier

Bild: RUB, Marquard
08.02.2024

Viele Anwendungen der chemischen Industrie benötigen als Treibstoff die Moleküle NADH oder NADPH. Die Herstellung durch einen Biokatalysator hat ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum genau untersucht. Sie konnten belegen, dass der Biokatalysator Format-Dehydrogenase neben Format auch Formamide umsetzen kann. Zum einen heißt das, dass das Enzym auch die schwer zu lösende C-N-Bindung brechen kann. Zum anderen sind Formamide ein gebräuchliches Lösungsmittel.

Die Format-Dehydrogenase wird in biokatalytischen Prozessen dafür genutzt, einem Substrat Elektronen zu entziehen und sie so als Treibstoff für weitere Reaktionen zur Verfügung zu stellen. In bisherigen Anwendungen ist das Substrat NAD+ und das Produkt NADH. Als Abfallprodukt entsteht dabei CO2.

„Das ist in diesem Fall günstig, da es als Gas entweicht und somit verhindert, dass die gewünschte Reaktion auch rückwärts abläuft“, erklärt Dirk Tischler. Da häufig als Produkt die Variante NADPH – mit einer Phosphatgruppe mehr – benötigt wird, erzeugte sein Team Mutanten des Biokatalysators, der NADP+ in das gewünschte Produkt umwandelt.

Was, wenn der Katalysator auch die C-N-Bindung löst?

Bei der Auseinandersetzung mit der Format-Dehydrogenase fiel den Forschenden auf, dass bislang nur wenig über alternative Ausgangsstoffe für den Biokatalyator bekannt war. „Wir haben verschiedene mögliche Substrate angeschaut (Format-Derivate) und gesehen, dass bei deren Umsetzung durch den Biokatalysator immer eine C-O-Bindung gebrochen wird“, berichtet Tischler. „Dann kam uns eine Idee: Was wäre, wenn das Enzym auch C-N-Bindungen spalten könnte, eine schwierig zu lösende Aufgabe?“

Weitere Tests zeigten, dass der Biokatalysator dazu tatsächlich in der Lage ist: Er kann als Ausgangsstoff auch Formamide umsetzen, Derivate des Formats mit einer zusätzlichen Verbindung zu einem Stickstoff. Da Formamide gebräuchliche und günstige Lösungsmittel sind, dienen sie in dieser Reaktion gleichzeitig als Lösungsmittel und Substrat. Darüber hinaus ist es möglich, in dieser Konstellation NADH und NADPH bereitzustellen. Auch bei diesen Reaktionen entsteht CO2 als Abfallprodukt und verhindert durch das Entweichen, dass die Reaktionen rückwärts ablaufen können.

„Diese Reaktion wurde bislang noch nie beschrieben“, so Tischler. Sein Team konnte zeigen, dass sich mit Formamiden als Elektronenquelle für die NADPH-Bildung vergleichbare bis leicht bessere Ergebnisse erzielen lassen als im herkömmlichen System mit Format. „Damit eröffnen sich nun ganz neue Möglichkeiten, da unsere stabileren Mutanten auch in bis zu 40 Volumenprozent Formamiden noch aktiv sind“, so der Forscher.

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs MiCon.

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