Simulation eines rätselhaften Phänomens Rotationsanomalien von Neutronensternen entschlüsseln

Ultrakalte Quantengase aus dipolaren Atomen bilden eine Plattform für die Simulation von Vorgängen im Inneren von Neutronensternen.

Bild: Elena Poli, Universität Innsbruck
08.01.2024

Unter der Leitung von Francesca Ferlaino und Massimo Mannarelli untersuchen Quantenphysiker und Astrophysiker gemeinsam die plötzliche Änderung der Rotationsgeschwindigkeit von Neutronensternen. Es ist ihnen nun gelungen, dieses rätselhafte Phänomen mit ultrakalten dipolaren Atomen numerisch zu simulieren. Die enge Verbindung von Quantenmechanik und Astrophysik ebnet den Weg für die Quantensimulation von stellaren Objekten.

Neutronensterne faszinieren die Wissenschaft seit ihrer ersten Entdeckung im Jahr 1967. Die für ihre periodischen Lichtblitze und ihre schnelle Rotation bekannten Überreste von Supernovae gehören zu den dichtesten Objekten im Universum. Ihre Masse ist vergleichbar mit jener der Sonne, komprimiert in einer Kugel mit einem Durchmesser von nur etwa 20 km.

Neutronensterne zeigen ein eigenartiges Verhalten, das als „Glitch“ bekannt ist, bei dem der Stern plötzlich seine Rotation beschleunigt. Dieses Phänomen deutet darauf hin, dass Neutronensterne möglicherweise teilweise supraflüssig sind.

Zahlreiche winzige Wirbel

In einer Supraflüssigkeit ist die Rotation durch zahlreiche winzige Wirbel gekennzeichnet, von denen jeder einen Teil des Drehimpulses trägt. Ein „Glitch“ tritt auf, wenn diese Wirbel aus der inneren Kruste des Sterns in seine feste, äußere Kruste entweichen und dadurch die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns erhöhen.

Der Schlüssel zu dieser Studie liegt im Konzept des Suprafestkörpers – einem Zustand, der sowohl kristalline als auch supraflüssige Eigenschaften aufweist, und der als notwendige Bedingung für die Rotationsstörungen von Neutronensternen vorhergesagt wurde.

Demnach nisten sich quantisierte Wirbel im Suprafestkörpers ein, bis sie kollektiv entweichen und von der äußeren Kruste des Sterns absorbiert werden, was dessen Rotation beschleunigt. Kürzlich wurden suprafeste Zustände in Experimenten mit ultrakalten, dipolaren Atomen realisiert. Dies bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Bedingungen im Inneren eines Neutronensterns auf der Erde zu simulieren.

Die aktuelle Studie von Forschern der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der Laboratori Nazionali del Gran Sasso und des Gran Sasso Science Institute zeigt, dass in ultrakalten suprafesten Phasen Störungen auftreten können, die mit den Vorgängen im Inneren von Neutronensternen vergleichbar sind.

Ansatz ermöglicht detaillierte Erforschung des Phänomens

Dieser Ansatz ermöglicht eine detaillierte Erforschung dieses Phänomens und seiner Abhängigkeit von Eigenschaften des Suprafestkörpers. „Unsere Forschung stellt eine enge Verbindung zwischen Quantenmechanik und Astrophysik her und bietet Einblicke in das Innenleben von Neutronensternen“, sagt die Erstautorin Elena Poli. Diese Vorgänge liefern wertvolle Erkenntnisse über die innere Struktur und Dynamik von Neutronensternen. Durch die Untersuchung dieser Ereignisse können die Wissenschaftler mehr über die Eigenschaften von Materie unter extremen Bedingungen erfahren.

„Diese Forschung demonstriert einen neuen Ansatz, um Einblicke in das Verhalten von Neutronensternen zu gewinnen, und eröffnet neue Wege für die Quantensimulation von stellaren Objekten in niederenergetischen Laboren auf der Erde“, betont Ferlaino.

Die Studie wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und dem Europäischen Forschungsrat ERC finanziell unterstützt.

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