Interview über Wärmeleitmaterialien in der Elektronik „Elektronikkühlung mit mehr Effizienz“

Wolfgang Reitberger-Kunze, Geschäftsführer bei ICT Suedwerk, im Gespräch mit publish-industry

Bild: ICT Suedwerk; iStock, ThomasVogel (Titel)
03.05.2023

Technologien wie High Performance Computing oder Künstliche Intelligenz erfordern leistungsfähige Halbleiterchips sowie effiziente Leistungselektronik. Die hohe Leistungsdichte dieser Komponenten erzeugt eine hohe thermische Belastung, die schnell per geeigneter Kühllösung reduziert werden muss. Wie können Wärmeleitmaterialien dabei helfen? Im Interview beantwortet Herr Wolfgang Reitberger-Kunze von ICT Suedwerk diese Frage.

Leistungshalbleiter und aktive elektronische Komponenten werden immer kompakter und leistungsfähiger somit thermisch auch problematischer. Reichen Standardlösungen da noch aus, oder sind zunehmend maßgefertigte thermische Speziallösungen gefragt?

Standardlösungen für das thermische Management von Leistungshalbleitern und aktiven elektronischen Komponenten werden in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um eine ausreichende Kühlung zu gewährleisten. Daher werden maßgefertigte thermische Speziallösungen in Zukunft definitiv mehr an Bedeutung gewinnen, denn die Anwendung diktiert das bestgeeignete Wärmemanagement. Nur diese können den spezifischen Anforderungen von Bauteilen in Zukunft gerecht werden und somit eine optimale Wärmeableitung und Kühlung der Applikationen gewährleisten. Das erfordert aber spezielles Know-How bei der Fertigung dieser Produkte sowie eine Produktionstiefe und die dafür notwendigen digitale High-Performance-Produktionsanlagen, Converting-Maschinen und modernste 3D-CAD-Konstruktions- und Messanlagen.

Herkömmliche Wärmeleitmaterialien kommen aktuell langsam an ihre Grenzen in Bezug auf Reduzierung des thermischen Übergangs sowie Lebensdauer. Gibt es hier innovative Materialentwicklungen, die in puncto Wärmeleitfähigkeit besonders 
hervorstechen?

Ja, natürlich gibt es aktuell innovative Wärmeleitmaterialien aber auch neue Materialentwicklungen, die sich besonders hervorheben, wenn es um die Wärmeableitung und Kühlung von elektronischen Bauteilen geht. Vorab möchten ich aber anmerken, dass ein entscheidendes Kriterium für eine optimale Wärmeleitung durch die Kontaktfläche der thermische Widerstand ist, und genau dort setzen die Entwickler und Hersteller für TIM-Produkte (Thermal Interface Material) heute an. Vorab sei aber erwähnt, dass TIMs entsprechend ihres thermischen Widerstandes eingruppiert werden: in vorgeformte TIMs und flüssige beziehungsweise dispensive TIMs. Vorgeformte TIMs sind Folien, Gap Pads und Phase Change (PCM). Flüssige TIMs sind Pasten, Gap-Filler ein oder zwei Komponenten Gele und Klebstoffe. Diese und weitere andere innovative Materialentwicklungen wie Flüssigmetalle (Gallium) oder Aerogele bestehend aus porösem Netzwerk von Nanopartikeln oder neuartige Phase-Change-Materialien, welche bei steigender Temperatur den Aggregatzustand von fest auf flüssig wechseln können und die Wärme effektiv von der Hitzequelle abführen. Die Materialien wurden bereits in der Forschung und Entwicklung untersucht und könnten in Zukunft zu weiteren innovativen thermischen Lösungen führen, welche eine höhere Wärmeableitung und somit eine längere Lebensdauer von elektronischen Bauteilen ermöglichen.

In der Elektronik sind schnelle Entwicklungsphasen und ein schnelles Time-to-Market essenziell. Welche besonderen Anforderungen stellt dies an Zulieferer von Wärmeleitfolien? Wie unterstützen Zulieferer deren Kunden dabei?

Als Zulieferer von Wärmeleitmaterialien und Flächenisolationsmaterialien müssen wir sicherstellen, dass wir unsere Produkte schnell und zuverlässig liefern können, um den schnellen Entwicklungszyklen in der Elektronikindustrie gerecht zu werden. Genau dies bieten wir aufgrund unserer flachen Hierarchie und der damit verbundenen schnellen Entscheidungsprozesse, eine schnelle Reaktionszeit auf Anfragen und eine schnelle Produktion dank eigener Inhouse-Fertigung und Lieferung sowie eine hohe Flexibilität. Um unsere Kunden bestmöglich zu unterstützen, bieten wir auch technischen Support und Beratung bei der Auswahl der geeigneten Wärmeleitprodukte an. Zudem arbeiten wir eng mit unseren Lieferantenpartner und Kunden zusammen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Das Thema Elektromobilität verändert ganze Industriebereiche und schafft neue Chancen? Kann die Industrie davon profitieren? Welchen Impact hat das aufs Geschäft?

Ja. Insgesamt wird die Elektromobilität unserer Meinung nach in der nächsten halben Dekade einen großen Einfluss auf die heimische Industrie nehmen, indem sie vollkommen neue Möglichkeiten und Chancen schafft, die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beiträgt. Es ist daher wichtig für uns KMUs sowie die deutsche Industrie, diese Entwicklungen zu berücksichtigen und sich auf die Veränderungen vorzubereiten. Wir die 
ICT Suedwerk profitieren bereits davon. Wir sind in mehreren Projekten involviert, die in diesem und im nächsten Geschäftsjahr bereits in der Ramp-Up-Phase anlaufen und dann in die Serienproduktion übergehen werden.

Sehr hohe Rohstoff- und Energiepreise belasten derzeit viele Unternehmen extrem. Wie können Unternehmen damit umgehen? Welche Auswirkungen hat es auf die Kunden und Produkte?

Die Auswirkungen hoher Rohstoff- und Energiepreise auf Unternehmen können sehr vielfältig sein, wie Erhöhung der Verkaufspreise, Einsparungen bei anderen Kosten oder Investitionen in Effizienzsteigerungen. Dies hängt aber von der Art des Unternehmens, seinen Produkten oder Dienstleistungen, seiner Branche und vielen anderen Faktoren ab. Die Auswirkungen auf Kunden können ebenfalls unterschiedlich sein. Wenn ein Unternehmen seine Preise erhöht, kann dies dazu führen, dass Kunden sich für günstigere Alternativen entscheiden oder weniger von dem betreffenden Produkt kaufen. Wenn ein Unternehmen seine Kosten senkt, indem es beispielsweise die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen reduziert, kann dies die Kundenunzufriedenheit erhöhen und dazu führen, dass Kunden sich für einen anderen Anbieter entscheiden. Wenn ein Unternehmen jedoch in Technologien investiert, die seine Energieeffizienz verbessern oder den Verbrauch von Rohstoffen reduzieren, kann dies positiv von Kunden wahrgenommen werden und dazu führen, dass sie das Unternehmen als verantwortungsbewusster und nachhaltiger ansehen.

Welchen Stellenwert haben Themen wie CO2-Neutralität oder die Strategie Net-Zero-Industrie in Ihrem Unternehmen?

Wir die ICT Suedwerk haben uns dazu entschieden, dass wir elektrische Energie ausschließlich nur noch von einem zu 100 Prozent regenerativen und zertifizierten Energieversorger beziehen! Wir sind natürlich seit 2018 nach 14001:2015 Umweltzertifiziert. Zudem haben wir klare Umwelt Vorgaben verifiziert und die damit verbundene Ziele klar definiert. Wir versuchen, dass wir die CO2-Emissionen nachhaltig reduzieren und was natürlich ganz wichtig für uns ist, dass wir auch weiter daran arbeiten, Abfälle zu vermeiden und Produk­tionsmaterialien effizient verarbeiten und einsparen. Wir verwenden ausschließlich recyclingfähige wieder verwertbare Verpackungsstoffe. Wir produzieren mit modernsten Maschinen unsere Produkte, welche sehr energieeffizient sind. Wir verwenden beispielsweise die Restwärme unserer Produktionsanlagen und speisen diese Energie wieder in unsere Belüftungs- und Klimatechnik und unsere Produktion Räumlichkeiten ein.

Der Fachkräftemangel ist in allen Branchen aktuell ein großes Thema. Wie sollten mittelständische deutsche Unternehmen diesem Problem begegnen?

Wir müssen als KMU in die Weiterbildung und zusätzliche Ausbildung von Mitarbeiterinnen und von Nachwuchskräften investieren, um unseren Bedarf an Fachkräften langfristig decken zu können. Wichtig dabei ist, dass wir auch fortwährend Schulungen und Weiterbildungen für unsere bestehenden Mitarbeiter/innen anbieten, um ihre Qualifikationen zu verbessern und ihre Fähigkeiten auf dem neuesten Stand zu halten. Wir als KMU können die eigene Marke durch sogenanntes Mitarbeiter-Branding stärken, indem wir uns als attraktiver kleiner Arbeitgeber mit flacher Hierarchie durch gezieltes Marketing den Bewerber/innen ein positives Arbeitsumfeld und eine offene Kommunikation mit den Mitarbeitern präsentieren. Unternehmen in unserer Größe sollten darauf achten, dass die vorhandenen Fachkräfte langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Wir können das durch gezielte Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten, attraktive Gehälter sowie betriebliche Altersvorsorge, Weiterbildungsangebote oder eine positive Arbeitsatmosphäre erreichen, aber es muss auch noch leistbar bleiben. Insgesamt ist es wichtig, dass wir als KMU proaktiv Maßnahmen ergreifen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und sicherzustellen, dass wir auch langfristig genügend qualifizierte Mitarbeiter haben, um dauerhaft erfolgreich zu sein.

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