Fachbeitrag Direkt flüssig kühlen

02.07.2012

Das Wärmemanagement von Hochleistungselektronik ist zu einer der vorrangigen Aufgaben bei der Systementwicklung geworden. Durch seine Auswirkungen auf Lebensdauer und Zuverlässigkeit ist aber nur dann die gewünschte und erforderliche Entwärmung zu erwarten, wenn entsprechende Überlegungen die Entwicklung von Anfang an begleiten. Dabei müssen allerdings alle Systemkomponenten mit in die Kühlüberlegungen einbezogen werden.

Die Ansprüche beispielsweise an die Leistungsdichte moderner Leistungselektronik nehmen unaufhörlich zu. Außerdem verlagern sich die Einsatzgebiete im Zuge der mechatronischen Systemintegration zunehmend in Umgebungen mit hoher Wärmebelastung. Reduzierter Bauraum führt zu einer gegenseitigen thermischen Beeinflussung von Einzelkomponenten, der Kostendruck geht zu Lasten von Sicherheitsreserven. Unter anderen befasst sich auch das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB im Rahmen seines F&E-Schwerpunkts „Thermisches Management“ mit der Entwicklung von Entwärmungskonzepten. Darüber hinaus gilt neben dem Einsatz neuer Materialien wie funktional gefüllten Kunststoffen, neuartigen Keramik-Substraten, Materialien mit anpassbarem Ausdehnungskoeffizienten (CTE) sowie mit anisotroper Wärmeleitfähigkeit auch neuen Interface-Materialien erhöhte Aufmerksamkeit, um die Direktkühlung von bodenplattenlosen Leistungsmodulen zu verbessern. Diese bietet gegenüber dem bislang üblicheren Kühlen über Kühlkörper wesentliche Vorteile. Hauptsächlich sinkt der Wärmewiderstand, weil die bisher erforderliche Zwischenschicht aus thermischem Interface-Material (TIM) zwischen dem Modul und dem Kühlkörper entfällt. Folglich lassen sich niedrigere Betriebstemperaturen oder höhere Leistungsdichten erzielen. Darüber hinaus führt die direkte Kühlung zu einer kompakteren, zuverlässigeren und kosten- günstigeren Kühllösung.

Mikroverformung statt TIM

Auch auf dem PCIM-Kongress in Nürnberg wurde vom Kühlspezialisten Wolverine Tube Anfang Mai ein neues integriertes Direktkühlsystem für Leistungsmodule vorgestellt, das die Wärmeleistung des Systems um bis 70 Prozent verbessern soll. Grundlage dieser Verbesserung ist der Einsatz einer Mikroverformungstechnologie (MDT) anstelle des TIM zur Herstellung von optimalen Kühlkörpergeometrien. Dadurch sollen die Grenzen der Flüssigkeitskühlung - die üblicherweise durch geringe Wärmeleistung eingeschränkt ist - deutlich nach oben verschoben werden. Bei höheren Leistungspegeln ist eine Flüssigkeitskühlung für die Leistungselektronik, beispielsweise bei Wechselrichtern für Hybrid- und Elektrofahrzeuge, zur Umwandlung erneuerbarer Energien oder in Verstärkern für Magnetresonanz-Tomographiegeräte, unumgänglich; die Module werden auf entsprechend gekühlten Bodenplatten montiert. Bei Letzteren handelt es sich typischerweise um einfache, große Kanäle in Aluminiumplatten oder um Kupferrohre, die in Aluminiumplatten eingepresst sind. Neuerdings breiten sich Mikrokanäle mit geraden Rippen oder Stiftkühlkörper-Geometrien wegen ihrer hohen Leistungsdichten, die abgestrahlt werden müssen, immer stärker aus. Doch in gleichem Maße steigen die Ansprüche an die Effizienz des Wärmemanagement-Systems: Durch höhere Schaltfrequenzen und Nennspannungen von IGBTs sowie eine dichtere Anordnung der Chips nähert sich die Kühlkapazität der Flüssigkeitskühlung derzeitiger Module ihren Leistungsgrenzen. Deshalb mussten neue Lösungen zur Modulkühlung ins Auge gefasst und untersucht werden.

Hoch belastbare Leistungselektronik umfasst eine Anzahl von auf Substrate gelöteter Silizium-Leistungschips, meist mit DBC (Direct Bonded Copper) metallisierte Keramik, die auf eine Bodenplatte gelötet ist. Anschließend wird das Modul bislang unter Zwischenschaltung eines TIM auf eine flüssiggekühlte Bodenplatte montiert. Der größte Teil des Gesamt-Wärmewiderstands entsteht zwischen Modulbasis und der flüssiggekühlten Kühlplatte. Bei einer direkten Flüssigkeitskühlung entfallen die TIM-Zwischenschicht und der damit verbundene Wärmewiderstand, und die Flüssigkeit fließt unmittelbar an der Modulrückseite vorbei. Anschließend wird das DBC-Substrat direkt mit der flüssiggekühlten Bodenplatte verbunden. Durch den Wegfall der TIM-Materialschranke können Hochleistungs-Kühlplatten mit hohen inneren Wärmeaustausch-Eigenschaften entwickelt werden, die zu einer überzeugenden Verbesserung führen. Durch den Mikroverformungsprozess kann die Wärmeaustauschfläche auf der Kühlplatten-Oberfläche um das Fünf- bis Zehnfache vergrößert werden. Das versetzt OEMs sowie die Tier-Ones unter den Anbietern von Elektronik-Kühlsystemen in die Lage, die Effizienz der Wärmeübertragung, die Größe und die Kosteneffektivität der thermischen Lösung in der Elektronikindustrie drastisch zu verbessern, welche die Entwickler - dem Moore´schen Gesetz folgend - wegen immer höherer Verarbeitungsgeschwindigkeiten und immer kleineren Gehäuseabmessungen unablässig vor neue Herausforderungen stellt.

Flüssigkeit statt Luft

Mittlerweile hat der Geschäftsbereich MicroCool von Wolverine seine Kompetenz auf Wärmemanagement-Lösungen für die Flüssigkühlung von Computersystemen und hoch beanspruchte Leistungselektronik ausgeweitet, bei denen die Wärmeabstrahlung zu einem Problem geworden ist. Die Bedenken von Ingenieuren der Leistungselektronik, Lecks in der Flüssigkeitskühlung könnten sich negativ auf das Elektronikumfeld auswirken, konnten durch die Bereitstellung von Flüssigkühlsystemen ausgeräumt werden, welche die Wärme erwiesenermaßen mit hoher Zuverlässigkeit und effektiver ableiten als die traditionelle Luftkühlung. Die proprietäre Mikroverformungstechnologie von Wolverine ist eine kostengünstige Fertigungsmethode zur Herstellung kompakter Mikrokanal-Oberflächen. Damit lässt sich die Wärmeleistung von Flüssigkeitskühlungen mit optimalem Druckabfall den gestiegenen Anforderungen anpassen. MicroCool-Kühlplatten bieten eine hohe Zahl von Rippen- und Stiftkühlköpern. Der MDT-Prozess kann bei nahezu jedem leitfähigem Material eingesetzt werden, von Titan über rostfreien Stahl, Silber, Aluminium, Kupfer bis hin zu nichtmetallischen Materialien wie Teflon, Polyäthylen, Gummi und PVC. Meistens lassen sich mehr als 10 Kanäle pro Millimeter formen. Es sind vielfältige Kanaltiefen und -breiten, Rippenformen und Winkel möglich, und zwar sowohl auf runden als auch auf flachen und beliebig geformten Werkstücken.

Zuverlässiger und effektiver

Die maßgeschneiderten Stiftkühlkörper-Geometrien sind auf die Verbesserung von Zuverlässigkeit und Wärmewirkungsgrad in Elektronik-Kühlsystemen ausgelegt. Die ultra-kleinen Kühlplatten steigern die thermische und Druckabfall-Leistung infolge der hohen Rippendichte und der Mikrokanalkonstruktion auf ein Höchstmaß. Durch den MDT-Prozess können die Anwender infolge der geringen erforderlichen Werkzeugkosten flexible Design-Optionen mit rascher Lieferzeit und zu vorteilhaften Kosten erhalten. Häufig sind sie den konkurrierenden Flüssigkeits-Kühllösungen deutlich überlegen. Im April ging Wolverines MicroCool-Bereich eine Lizenzvereinbarung mit Infineon zur Entwicklung, Herstellung und zum Vertrieb ihrer derzeitigen MDT-Technologie ein. Daraus ergibt sich in Verbindung mit bereits vorhandenem Schichtverbundmaterial eine Produktinnovation mit der Bezeichnung MicroCool-Clad. Sie wurde ebenfalls auf der PCIM der Öffentlichkeit vorgestellt. Infineon und andere Hersteller von IGBT-Modulen überall auf der Welt erhalten auf diese Weise die Möglichkeit, die verbesserte Bondstärke und Wärmeableitfähigkeit von Kupfer mit der leichten, kostengünstigeren und höheren Zuverlässigkeit zu verbinden, die durch eine Aluminium-Stiftstruktur in der Flüssigkeitskammer erzielt wird. Die Oberflächengeometrie der Stiftkühlkörper ist als einzige geeignet, eine 2 mm dicke Aluminiumbeschichtung in eine 6-mm-Stiftkühlkörper-Struktur umzuformen. Dadurch nähert man sich der Wärmeleistung von Kupferkühlplatten zu geringeren Kosten an, ohne dass die Kupferbodenplatten vernickelt werden müssen.

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